• 22. Oktober 2025 · 12:14 Uhr

Warum Cadillacs Formel-1-Team auf Start-up-Kultur setzt

Cadillacs F1-Team ist über Nacht zu einem Unternehmen mit über 400 Mitarbeitern herangewachsen - eine flexible Start-up-Mentalität soll dennoch bewahrt werden

(Motorsport-Total.com) - Beim Großen Preis von Australien im März 2026 wird das Cadillac-Team vor einer großen Herausforderung stehen. Seit über einem Jahrzehnt ist es das erste Team, das einen kompletten Neueinstieg in die Formel 1 wagt.

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Graeme Lowdon (Cadillac) in Austin 2025 Zoom Download

Auch wenn sich sportlicher Erfolg auf der Strecke wohl erst langfristig einstellen wird, so wirkt der jüngste Neuankömmling in der Formel 1 keineswegs wie ein kleines Team. Cadillac hat eine beeindruckende Einstellungsoffensive gestartet. Neuzugänge von der Konkurrenz ergänzen Fachkräfte aus der gesamten Branche. Inzwischen ist das Team auf rund 400 Beschäftigte angewachsen. Bis zum geplanten Renndebüt 2026 sollen es noch mehr werden.

Das Personal verteilt sich auf mehrere Standorte: eine brandneue europäische Basis in Silverstone, die bestehenden GM-Einrichtungen in Charlotte, North Carolina, sowie ein neues US-Hauptquartier im Bau in Fishers, Indiana, das bis Mitte 2026 fertiggestellt werden soll.

NASA als Vorbild


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Trotz des rasanten Wachstums legt Teamchef Graeme Lowdon großen Wert darauf, dass Cadillac seine agile Start-up-Kultur bewahrt. Er möchte vermeiden, dass das Team in dieselben Fallen tappt, wie es andere in der Vergangenheit vorgemacht haben - bei denen mehreren Standorte und Abteilungen oft nebeneinanderher statt miteinander arbeiten.

"Einer unserer zentralen Werte als Team ist, dass wir als ein Team agieren", erklärte Lowdon gegenüber Motorsport.com. "Wenn man zwei klar voneinander getrennte Standorte aufbaut, besteht immer die Gefahr, dass sich Informationssilos und Kommunikationslücken entwickeln. Ich habe mir gezielt angeschaut, was bei anderen funktioniert hat - und was nicht. Besonders faszinierend fand ich den Ansatz der NASA bei den Apollo-Missionen: extrem enge Zeitpläne, hochgradig technische Aufgaben - und trotzdem funktionierende Kommunikation."

Ein entscheidender Punkt, um Cadillacs transatlantische Struktur erfolgreich zu gestalten, war eine flache Organisationsstruktur. So können die Ingenieure in Silverstone direkt mit ihren Kollegen in Charlotte kommunizieren - ohne erst über die klassische Befehlskette zu gehen.

"Flexibilität bewahren"

"Gerade hier ist Peer-to-Peer-Kommunikation entscheidend", betonte der frühere Manor-Teamchef. "Egal ob Ingenieure oder Kommunikationsexperten - wir brauchten eine Struktur, bei der man sich direkt austauschen kann, ohne sich in einem Organigramm nach oben, über den Atlantik und wieder nach unten hangeln zu müssen. Eine Struktur also, die direkte Kommunikation auf allen Ebenen ermöglicht.


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Am Ende des Tages sind wir ein Start-up-Team - und ein wesentliches Merkmal eines Start-ups ist Beweglichkeit und die Fähigkeit, schnell zu reagieren. Genau das wollten wir uns bewahren, denn das ist eine wichtige Eigenschaft für ein Formel-1-Team."

Werte vor Fähigkeiten

Begriffe wie "agil" und "flexibel" klingen gut in Präsentationen - in der Formel 1 sind sie aber schlicht Grundvoraussetzungen für Erfolg. Denn der Bau, der Transport und der Betrieb von zwei Formel-1-Autos erfordert zehntausende ineinandergreifende Prozesse.

Das erlebte etwa James Vowles, als er bei Williams das Ruder übernahm: Dort waren die Entwicklungsprozesse so verschachtelt, dass Effizienz und Reaktionszeiten massiv litten. Und auch wenn es Cadillac als GM-gestütztem Projekt nicht an Ressourcen mangelt, sind die Zeiten vorbei, in denen man sich mit Geld aus Schwierigkeiten kaufen konnte. Der Kostendeckel zwingt jedes Team zu maximaler Effizienz.

Die kulturelle Neuausrichtung von Großteams mit über 1.000 Mitarbeitern - wie Red Bull, McLaren, Mercedes oder Ferrari - ist ein mühsamer, langwieriger Prozess. Doch auch das andere Extrem bringt seine Herausforderungen mit sich: Cadillac hat in den letzten 18 Monaten praktisch ein komplett neues Team aus dem Nichts aufgebaut - ohne vorhandene Strukturen oder gewachsene Kultur.

Cadillac wächst nahezu jeden Tag

Ein Neuanfang bietet viele Vorteile, sagt Lowdon, verlangt aber auch besondere Sorgfalt bei der Personalauswahl - zumal Cadillac zeitweise in einem Tempo von einem Neueinstieg pro Tag rekrutierte.

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"Wenn ein Team bereits etabliert ist, stoßen vielleicht ein oder zwei neue Leute dazu - die übernehmen dann recht schnell die bestehenden Werte", erklärte er. "Aber neulich hatten wir fast 50 Neueintritte in einer Woche. Das ist eine andere Größenordnung. Deshalb investieren wir viel Zeit in Mission, Vision und Werte - und kommunizieren sie ganz klar an alle.

Wir stellen Menschen nach Werten ein, nicht nach Fähigkeiten. Denn Fähigkeiten kann man lehren - Werte hingegen nicht."

Der amerikanische Weg

Unter dem Dach von General Motors arbeitet der US-Eigentümer TWG Motorsports gezielt daran, was Lowdon ein "authentisch amerikanisches Team" nennt. Das zeigt sich auch in der Außendarstellung: So eröffneten Lowdon und TWG-CEO Dan Towriss feierlich die New Yorker Börse, der 2026er Stammpilot Sergio Perez warf den ersten Pitch bei einem Baseballspiel der LA Dodgers - die wie das F1-Team zur TWG Global-Gruppe unter der Leitung von Mark Walters gehören. Außerdem konnte das Team bereits US-Partner wie Tommy Hilfiger und Jim Beam gewinnen.

Mit der Verpflichtung von Colton Herta als Testfahrer sendet Cadillac zudem ein klares Signal: Wenn die Zeit reif ist, soll auch amerikanisches Fahrertalent eine Chance im Cockpit bekommen - auch wenn zunächst Perez und der mehrfache Grand-Prix-Sieger Valtteri Bottas das Fahrerduo bilden.

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Bis das Hauptquartier in Indiana fertig ist, wo auch die Produktionsanlagen entstehen, bildet der Standort in Silverstone das operative Herz des Teams - vor allem mit europäischem Personal und zwei internationalen Fahrern. Lowdon räumt ein, dass die Balance schwierig ist, beharrt aber darauf, dass Cadillac von Beginn an eine starke amerikanische Identität trägt.

Cadillac gibt sich authentisch

"Eine der größten Herausforderungen ist: Wie baut man in etwas mehr als elf Monaten ein authentisch amerikanisches Team auf? Das ist wahnsinnig schwierig. Wir stehen ständig zwischen widersprüchlichen Zielen", sagte er.

"Ich bin kein Amerikaner, aber ich habe großen Respekt vor den Werten, die wir hier aufbauen. Und ich bin überzeugt, dass das Team eine klare amerikanische Identität hat - das zeigt sich auch an den Partnern, die wir anziehen. Sie sehen das genauso. Es fühlt sich wie ein amerikanisches Team an - und es ist ein amerikanisches Team."

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