• 30. Juni 2025 · 03:12 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Christian Horner

Braindrain, Machtkämpfe, Horner-Affäre - und plötzlich scheint der Glanz vergangener Tage erblasst: Was bedeutet dieser Bruch für Max Verstappens Zukunft?

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Christian Horner unter Druck: Am Ende muss immer der Trainer den Kopf hinhalten ... Zoom Download

dafür, dass die "Oranjes" am Spielberg ihre Sommerparty feiern können, ist Max Verstappen eigentlich ein verlässlicher Garant. 2021 gewann er beide Grands Prix auf dem Red-Bull-Ring, 2022 wurde er Zweiter, 2023 triumphierte er von der Pole aus, und 2024 gewann er zumindest den F1-Sprint am Samstag. Die letzte echte Nullnummer passierte beim "Corona-Saisonauftakt" 2020, als er mit Elektrikdefekt ausschied. Damals ein schwerer Nackenschlag für Red Bull, weil Helmut Marko & Co. früh dämmerte, dass es nach Jahren der Mercedes-Dominanz womöglich wieder nichts werden würde mit dem WM-Titel.

Am Sonntag war es dann erneut so weit, und diesmal war die Party schon nach der ersten Runde beendet. Verstappen fehlen jetzt 61 Punkte auf WM-Leader Oscar Piastri. Ein Rückstand, wie ihn in der Geschichte der Formel 1 noch nie ein Fahrer aufgeholt hat, um dann doch noch Weltmeister zu werden. Kein Wunder also, dass Marko nach dem missglückten Heimspiel 2025 den Traum von der Titelverteidigung praktisch ad acta legt. Kimi Antonelli hat Verstappen wohl aus der WM geschossen. Der Punkterückstand ist das eine. Die dominante Performance von McLaren das andere.

Auf den Campingplätzen rund um den Ring war es schon leise geworden, als Christian Horner nach dem Rennen am Tisch mit ein paar Journalisten nach Erklärungen für die Red-Bull-Krise suchte. Eine seiner Analysen lautet: Am Personal liegt's nicht.

"Wir befinden uns am Ende eines Regelzyklus. Ich denke, wir sind durch einige der uns zur Verfügung stehenden Werkzeuge eingeschränkt. Aber es ist im Grunde dasselbe Team, das vor 18 Monaten ein Auto entworfen hat, das bis auf ein Rennen jeden Grand Prix gewonnen hat. Die sind ja nicht über Nacht plötzlich alle zu Idioten geworden", sagt er.

Kontext: Was Horner dabei verschweigt

Eine Aussage, die man ohne zusätzlichen Kontext so nicht stehen lassen kann. Mag ja sein, dass der Kern der rund 850 Mitarbeiter in Milton Keynes (bei Red Bull Racing und Red Bull Technology) immer noch der Gleiche ist. Aber einige Schlüsselfiguren - und das verschweigt Horner in seinem Briefing elegant - haben das Team in den vergangenen Jahren sehr wohl verlassen.

Der Braindrain begann 2022 mit Dan Fallows, dem Leiter des Bereichs Aerodynamik, der zu Aston Martin abwanderte. 2023 ging mit Rob Marshall der Chefdesigner zu McLaren. Als Marshall dort die ersten Updates zündete, bog McLaren wieder auf die Siegerstraße ein.

2024 kündigte Will Courtenay, ein wichtiger Mann im Bereich Rennstrategie, seinen Abschied zu McLaren an (wirksam per Ende 2025). Gefolgt wenig später von Jonathan Wheatley, der jetzt Teamchef bei Sauber/Audi ist. Und, last but not least, Adrian Newey - der geniale Technik-Mastermind, mit dessen Hilfe die großen Red-Bull-Triumphe in der Formel 1 in der Form unmöglich gewesen wären.

Es brodelt seit Jahren hinter den Kulissen des Red-Bull-Programms in der Formel 1. Von einem Machtkampf mit Horner und Milton Keynes auf der einen Seite und Marko und Fuschl auf der anderen Seite, flankiert von Jos Verstappen, war da die Rede. In Saudi-Arabien 2024 drohte der Konflikt total zu eskalieren. Es musste von höherer Red-Bull-Ebene eingegriffen werden, um die Streithähne wieder zur Zusammenarbeit zu bewegen. Eine Zweckbeziehung. Keine große Liebe mehr.

Jos Verstappen warnte damals davor, dass das Team Gefahr laufe, "auseinandergerissen zu werden. So kann es nicht weitergehen." Und externe Beobachter wie Ralf Schumacher prognostizierten Red Bull in den Nachwehen der "Horner-Affäre" (die übrigens bis heute nicht final juristisch aufgearbeitet ist) den Absturz in die Mittelmäßigkeit.

Faktencheck: Was wurde aus Ralf Schumachers Vorhersage?

Ein Jahr später ist die Faktenlage klar: Ralf hatte recht. Von Red Bull Racings 162 Punkten gehen 155 auf Verstappens Konto und nur sieben auf das zweite Auto. Oder, anders ausgedrückt: Würde man Verstappen aus der Rechnung eliminieren und dafür die Punkte des zweiten Autos gedanklich verdoppeln, wäre Red Bull Racing mit 14 Punkten Vorletzter in der Konstrukteurs-WM. Nur Alpine (11) stünde noch schlechter da.

So gesehen war Ralfs Prognose sogar noch eher freundlich. Ohne Verstappen wäre Red Bull Racing nicht in die Mittelmäßigkeit abgestürzt, sondern in die totale Bedeutungslosigkeit.


Die kontroversesten Momente von Max Verstappen in der Formel 1

Dass Christian Horner daran eine Mitverantwortung trägt, steht außer Frage. Letztendlich hält immer der Chef den Kopf hin für Erfolg oder Misserfolg einer jeden Firma. Das ist in der Formel 1 nicht anders als im Fußball, wo selbst der beste Coach in der Regel irgendwann rausgeschmissen wird, wenn die Ergebnisse auf dem Spielfeld nicht mehr stimmen.

Horner: Seine historischen Verdienste sind unbestritten

Wenn man Horner jetzt schlecht schlafen lässt, ist wichtig zu betonen: Seine historischen Verdienste für Red Bull in der Formel 1 sind unbestritten. Dietrich Mateschitz und Helmut Marko haben ihm einst, als er noch ein Nobody war, die Chance seines Lebens gegeben. Und er hat sie genutzt. Ob man ihn nun mag oder nicht: Dass der "Horner-Way", der irgendwie ganz gut zur Marke Red Bull gepasst hat, maßgeblichen Anteil an Erfolgen von historischer Tragweite hat, steht außer Frage.

Es gibt aber die Nörgler, die sagen, Horner sei irgendwann der Erfolg zu Kopf gestiegen, und das sei mit ein Grund dafür, dass sich schlaue Köpfe von Newey bis Marshall auf den Weg gemacht haben, ihr Glück anderswo zu suchen. Und nach dem Tod von Dietrich Mateschitz im Oktober 2022 soll er den thailändischen Mehrheitseigentümern sorgfältig eingetrichtert haben, dass die Abgänge alle nicht so schlimm seien. Solange er da sei, werde er das schon richten.

Ist Horner höchstpersönlich oder seine eigene Arbeit daran schuld, dass Red Bull Racing in der größten sportlichen Krise seit Jahren steckt? Wahrscheinlich nicht. Aber hätte sich der ganz große Braindrain verhindern lassen, wenn er anderen wichtigen Figuren im Team etwas mehr Raum gelassen hätte, sich zu entfalten? Womöglich.

Der 51-Jährige ist angezählt. Der Support aus Thailand, der einigen auf der österreichischen Seite des Konzerns vor einem Jahr schon unheimlich wurde, bröckelt. Letztendlich ist dem Yoovidhya-Clan nicht die Loyalität zu Horner am wichtigsten, sondern der Erfolg der Marke Red Bull. Sowohl auf der Rennstrecke, als auch beim Verkauf der berühmten Dose.

Was der F1-Launch mit der Situation zu tun hat

Es gab Anfang dieses Jahres eine Situation, der zunächst keine große Bedeutung beigemessen wurde. Als Horner beim großen Formel-1-Launch in London während seiner Selbstinszenierung auf der Bühne vom Publikum gnadenlos ausgebuht wurde, saß "Oberbulle" Oliver Mintzlaff im Publikum. Die "Horner-Affäre" hatte eigentlich längst keiner mehr auf dem Zettel. Aber an dem Abend wurde einigen im Red-Bull-Konzern klar, dass die unappetitliche Sache mit der Assistentin einen nachhaltigen Schaden hinterlassen hat.

Max Verstappen hat sich aus all diesen politischen Spielchen immer rausgehalten. Er macht den Eindruck, als wolle er vor allem eins: mit dem besten Auto Rennen und Weltmeisterschaften gewinnen. Sein Vertrag mit Red Bull läuft grundsätzlich bis Ende 2028. Aber sogar Horner hat kürzlich angedeutet, dass Verträge ihr Papier nicht wert sind, wenn die Liebe erst einmal erloschen ist.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass Verstappen am liebsten mit Red Bull weitergewinnen möchte, bis er in Rente geht. So, wie er das in Abu Dhabi 2021 am Boxenfunk überschwänglich angekündigt hat: "Können wir das noch zehn, 15 Jahre gemeinsam weitermachen?"

PK: Warum sagt Verstappen nicht einfach "Ja"?

Andererseits bemüht er sich recht wenig drum, die Zweifel an seinem Verbleib aus dem Weg zu räumen. Er ist genervt von den ewigen Fragen nach seiner Zukunft. Nur: Klipp und klar beantwortet hat er sie halt auch noch nie.

Am Donnerstagnachmittag in Spielberg, im Rahmen der FIA-Pressekonferenz, wollte ich von ihm wissen: "Max, wirst du nächstes Jahr für Red Bull Racing fahren?" Ich hatte schon eine Ahnung, dass ich darauf keine gescheite Antwort bekommen würde. Aber ich wollte ihm die Gelegenheit geben, das Theater ein für alle Mal zu erschlagen. Er hätte einfach "Ja" sagen können. Alle Gerüchte wären sofort beendet gewesen.

Stattdessen sagte er: "Ich denke nicht, dass wir darüber reden müssen. Soll ich wiederholen, was ich letztes Jahr gesagt habe? Ich weiß nicht. Es ist immer die gleiche Antwort. [...] Das ist nichts, worüber ich nachdenke. Einfach gut fahren, versuchen, die Performance zu pushen, und dann konzentrieren wir uns auf nächstes Jahr."

Warum ein Wechsel trotzdem unwahrscheinlich ist

Ich persönlich gehöre ja eher nicht zu denen, die glauben, dass Verstappen Red Bull gleich verlassen wird. Mag sein, dass sein Vertrauen in das Powerunit-Programm in Milton Keynes enden wollend ist, und er, wenn er es sich aussuchen könnte, 2026 am liebsten Mercedes- oder Honda-Power im Rücken hätte. Aber nächstes Jahr wird alles neu gewürfelt. Sichere Erfolgsgarantien können ihm auch Toto Wolff oder Adrian Newey nicht geben.


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Viel schlauer wäre es, die Loyalität zu Red Bull, zum Vermächtnis von Dietrich Mateschitz, zu ehren, mindestens noch ein Jahr zu bleiben - und dann im Sommer 2026 nochmal zu schauen, wer die Sache mit den neuen Regeln wirklich am besten hinbekommen hat. Denn eins ist klar: Wenn ein Verstappen anklopft, dann gehen überall Türen auf. Wahrscheinlich auch da, wo eigentlich andere Fahrer unter Vertrag stehen.

Zumal Verstappen bei Red Bull Freiheiten genießt, die ihm ein etwaiger neuer Arbeitgeber wie Mercedes nicht bieten kann. Angenommen, die neue Energiespar-Formel geht ihm wirklich so auf die Nerven, wie das die schlimmsten Pessimisten befürchten - dann wäre es bei Red Bull noch am ehesten möglich, einfach den Hut draufzuhauen und mit Red-Bull-gebrandeten Sportwagen in anderen Rennserien Spaß zu haben, bis er wieder Lust auf die Formel 1 bekommt.

Umgekehrt erscheint es mir denkunmöglich, dass Verstappen bei Mercedes einen 150-Millionen-Dollar-Vertrag unterschreiben und dann nach ein paar Rennen sagen kann: "Freunde, war nett, aber ich bin dann mal weg und fahre jetzt Nordschleife." Darüber wäre sicher auch Red Bull nicht happy. Aber in seiner sportlichen Heimat könnte er sich das wahrscheinlich noch am ehesten erlauben und in ein Win-Win-Sabbatical überführen.

Vielleicht hat Toto Wolff den Vertrag mit George Russell für 2026 schon längst gemacht. Vielleicht sind seine vagen Andeutungen, auf die sich Journalisten wie ich wie die Geier stürzen, lediglich ein machiavellistisch ausgeheckter Plan, um bei Red Bull Unruhe reinzubringen und Verstappen heimlich dabei zu unterstützen, seine interne Machtposition zu stärken. Seinem alten Intimfeind Horner ein bisschen Angst einzujagen, könnte ihm gefallen. Und falls Verstappen irgendwann doch abhauen sollte, würde er sich an diesen Support vielleicht erinnern.

Ich weiß: Das ist alles ziemlich wilde Spekulation. Ob er bleiben wird oder gehen, weiß wahrscheinlich nur Verstappen selbst. Und vielleicht noch nichtmal er. Aber ziemlich wahrscheinlich ist: Wenn Verstappen wirklich geht, ist Red Bulls Absturz endgültig besiegelt. Und wenn ein schmerzhafter Neuanfang beginnen muss, würde der Teamchef vermutlich nicht mehr Christian Horner heißen.

Übrigens: Am Montagabend ab 20:30 Uhr bin ich zu Gast bei der Twitch-Sendung "Live bei Scheuren". In dem Call-in-Format können Zuschauer anrufen und mit Host Kevin Scheuren und mir diskutieren. Und sich die Geschichten anhören, die ich aus dem Paddock in Spielberg mit nach Hause gebracht habe.

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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