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Strategie-Masterclass: Wie Sauber Hülkenberg aufs Podium katapultierte
Nico Hülkenberg stürmt trotz Startplatz 19 aufs Silverstone-Podium: Wie Sauber mit zwei cleveren strategischen Entscheidungen die anderen Teams überrumpelte
(Motorsport-Total.com) - Nico Hülkenbergs Podium beim Großen Preis von Großbritannien stand unter den denkbar schlechtesten Voraussetzungen. Der Deutsche qualifizierte sich lediglich auf Startplatz 19 und ging somit aus der letzten Reihe ins Rennen. Dass er am Ende dennoch als Dritter auf dem Podium stand, verdankt er nicht nur einer fehlerfreien Fahrt, sondern vor allem einer strategischen Meisterleistung seines Teams. Wie also gelang es Hülkenberg, ganze 16 Plätze gutzumachen?

© LAT Images
Der erste Reifenwechsel auf neue Intermediates war für Nico Hülkenberg Gold wert Zoom Download
Beginnen wir am Anfang: Noch bevor das Rennen offiziell gestartet wurde, entschieden sich George Russell, Charles Leclerc, Isack Hadjar, Gabriel Bortoleto und Oliver Bearman dazu, in der Einführungsrunde auf Slicks zu wechseln - ein Poker, der sich nicht auszahlte. Denn erst ab Runde sieben waren die Trockenreifen schneller als die Intermediates. Davor gingen fünf bis zehn Sekunden pro Runde verloren.
Virtuell hatte Hülkenberg damit bereits fünf Positionen gewonnen. Nun standen die Teams jedoch vor einer kniffligen Entscheidung: Russell war auf seinen Slicks in Runde acht zwar drei Sekunden schneller als Spitzenreiter Oscar Piastri, doch es kündigte sich starker Regen an. Sollte man auf die momentan schnelleren Trockenreifen wechseln oder draußen bleiben und auf den Regen warten?
Runde neun: Sauber pokert auf Starkregen
Im Nachhinein betrachtet traf Sauber mit dem Wechsel auf neue Intermediates in Runde neun eine goldrichtige Entscheidung. Das Team erwischte exakt den Moment, in dem der Starkregen einsetzte. Nicht nur die Fahrer auf Slicks mussten nun an die Box, auch jene, die auf Intermediates gestartet waren, mussten ihre überhitzten und stark abgenutzten Reifen wechseln.
Nur Esteban Ocon im Haas versuchte, mit seinen Start-Intermediates draußen zu bleiben. Doch er war auf den stark verschlissenen Reifen deutlich langsamer - in Runde elf verlor er ganze sechs Sekunden auf Hülkenberg. Schließlich musste auch Ocon unter dem Safety-Car neue Intermediates aufziehen.
In seiner Outlap in Runde zehn konnte Hülkenberg im zweiten Sektor die Zeit von Oscar Piastri - mit abgefahrenen Intermediates - matchen, im dritten Sektor war der Deutsche sogar 1,3 Sekunden schneller. Die Topfahrer wie Piastri, Lando Norris, Max Verstappen und Lewis Hamilton blieben hingegen eine weitere Runde draußen. Hamilton verlor in seiner Inlap über fünf Sekunden auf Hülkenberg.
Hülkenberg-Podium: Was Sauber in Silverstone alles richtig machte
Wie Sauber mit zwei perfekt getimten Entscheidungen Nico Hülkenberg von P19 auf P3 brachte. Weitere Formel-1-Videos
Nach den Stopps auf frische Intermediates lag Hülkenberg nun auf Rang fünf, da auch im Mittelfeld - mit Ausnahme von Lance Stroll - alle den Wechsel zu spät vollzogen hatten. Dann kam der Dreher von Max Verstappen beim Safety-Car-Restart, wodurch Hülkenberg auf Position vier vorrückte. Spätestens jetzt war klar: Ein Podium war möglich - wenn er Stroll im Aston Martin überholen kann.
Zweiter Stopp: Hülkenberg erwischt wieder die perfekte Runde
Und tatsächlich: Gegen Ende des zweiten Intermediate-Stints hatte der Aston Martin massive Probleme mit dem Reifenverschleiß. In Runde 34 zog Hülkenberg vorbei und war eine Runde später bereits drei Sekunden schneller als Stroll. Nun war Lewis Hamilton im Ferrari der größte Rivale - er war durch den zu späten ersten Stopp überhaupt erst hinter Hülkenberg gelandet.
Hamilton schien schneller zu sein, doch im Regen war der Effekt der Dirty Air besonders groß, sodass alles auf ein strategisches Duell beim letzten Boxenstopp hinauslief. Die Strecke begann abzutrocknen, der Wechsel auf Slicks stand bevor - aber wann war der richtige Moment?
Fernando Alonso war der Erste an der Box - in Runde 37. Doch das war deutlich zu früh. In den Sektoren zwei und drei seiner Outlap verlor er 10,5 Sekunden auf Spitzenreiter Oscar Piastri. Selbst in Runde 42 war Alonso noch sechs Zehntel langsamer als der McLaren, ehe er in Runde 43 die zwischenzeitlich schnellste Rennrunde fuhr.
Rückblickend wäre ein Boxenstopp in Runde 42 ideal gewesen - und wer war genau zu diesem Zeitpunkt an der Box? Richtig: Nico Hülkenberg. Sein engster Verfolger, Lewis Hamilton, kam eine Runde früher herein - vermutlich, um mit einem Undercut am Sauber vorbeizugehen.
Outlap: Wie Hamilton das Podium wegwarf
Doch ein Undercut war zu diesem Zeitpunkt wenig sinnvoll, da der Ausgang der Boxengasse noch sehr nass war und es einige Runden dauerte, bis die Reifen auf Temperatur kamen. Der Overcut war in dieser Phase die bessere Wahl. Zudem unterlief Hamilton im ersten Sektor seiner Outlap ein folgenschwerer Fehler, der ihn zehn Sekunden - und rückblickend das Podium - kostete.
Hülkenberg zeigte unter den wechselhaften Bedingungen einmal mehr seine Klasse: Auf den Medium-Reifen setzte er zwischenzeitlich die Bestzeit. In seinem Schlussspurt auf Soft-Reifen unterliefen Hamilton weitere Fahrfehler, und gegen Rennende konnte der Soft dem Medium in Sachen Pace nicht mehr standhalten.
Drei Faktoren entscheidend für Hülkenbergs Podium
Die Daten unseres Technologiepartners PACETEQ zeigen drei entscheidende Faktoren für Hülkenbergs erstes Karriere-Podium: eine perfekte Strategie mit optimal getimten Boxenstopps, eine fehlerfreie fahrerische Leistung des Deutschen und ein Sauber-Auto, das in Sachen Rennpace erneut extrem konkurrenzfähig war.
Betrachtet man die reinen Rennzeiten, war Hülkenberg der viertschnellste Fahrer im Feld - mit einem durchschnittlichen Rückstand von 1,14 Sekunden pro Runde auf McLaren an der Spitze. Das Mittelfeld hatte er mit vier Zehnteln pro Runde klar im Griff, auch wenn dem Sauber auf eine schnelle Qualifying-Runde noch etwas Tempo zu fehlen scheint.
Eine ausführliche Datenanalyse zum Großen Preis von Großbritannien gibt es übrigens auch auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. Dort analysiert Datenexperte Kevin Hermann mithilfe der PACETEQ-Strategiesoftware OneTiming unter anderem Ferraris Regenkrise, das Strategie-Fiasko bei Mercedes und erklärt, warum Red Bull trotz Poleposition absolut chancenlos war.