Endlich Podium: Hülkenberg Dritter, Norris gewinnt im Silverstone-Chaos!
Piastri verliert den Sieg wegen einer Dummheit, Verstappen rutscht mit Miniflügel weg, Norris gewinnt souverän - und Nico Hülkenberg hat endlich sein erstes Podium!
(Motorsport-Total.com) - Lando Norris (McLaren) hat den Grand Prix von Großbritannien 2025 gewonnen. Aus deutscher Sicht war die Story des Rennens in Silverstone aber eine andere. Denn im 236. Grand Prix seiner langen Karriere sicherte sich Nico Hülkenberg (Sauber) mit P3 zum allerersten Mal einen Platz auf dem Formel-1-Podium.

© LAT Images
Nico Hülkenberg hat mehr als 200 Grands Prix gebraucht, um erstmals auf das Podium zu fahren Zoom Download
Hülkenberg wurde an einem Nachmittag mit wechselhaften Wetterverhältnissen einmal mehr seinem Ruf als erstklassiger Regenfahrer gerecht, kämpfte sich vom 19. Startplatz aus von Anfang an nach vorne, hatte den richtigen Riecher für die richtige Strategie - und fightete im Finish, im Duell um Platz 3, Lewis Hamilton (Ferrari) nieder, der zum ersten Mal seit 2013 in Silverstone nicht aufs Podium fuhr.
Rennentscheidend war letztendlich eine fragwürdige Aktion von Oscar Piastri (McLaren), der während einer Safety-Car-Phase in Führung liegend hart abbremste und Max Verstappen (Red Bull) und die nachfolgenden Fahrzeuge bei schlechter Sicht zu einem harten Bremsmanöver zwang. Piastri kassierte dafür eine Zehnsekundenstrafe und verlor den Sieg, den sich Norris danach nicht mehr nehmen ließ.
Hinter dem McLaren-Express, Hülkenberg und Hamilton sicherte sich Verstappen den fünften Platz. Der Weltmeister verlor damit in der Formel-1-WM 2025 weiter an Boden. Zwischendurch stöhnte Verstappen am Boxenfunk, weil er selbst im Vergleich zu viel langsamer eingeschätzten Autos keinen Boden gutmachen konnte.
Kein Wunder, hatte er sich doch am Samstag für flache Flügel und ein Trocken-Set-up entschieden: "Wir waren auf ein Trockenrennen eingestellt", sagt Helmut Marko im Interview mit ServusTV. "Bei nassen Bedingungen sind wir überhaupt nicht mitgekommen. Piastri ist zum Schluss eine Sekunde schneller gefahren als wir. Diese Abstimmung war für das Rennen nicht ideal."
"Wir sehen, das reicht alles nicht aus, um nur in die Nähe von Mclaren zu kommen. Die Pole war eine Mischung aus Verstappen mit einer risikoreichen Abstimmung. Aber im Rennen ist es dann schiefgegangen. Ich glaube, man muss einfach anerkennen, dass Mclaren überlegen ist und in dieser Saison sehr, sehr schwer zu schlagen ist", sagt der Österreicher.
Pierre Gasly (Alpine) wurde Sechster, vor Lance Stroll (Aston Martin), der mit ähnlicher Strategie wie Hülkenberg ebenfalls eine Zeit lang auf Podiumskurs war. Alexander Albon (Williams), Fernando Alonso (Aston Martin) und George Russell (Mercedes) rundeten die Top 10 ab.
Insgesamt sahen in Silverstone nur 15 Autos die Zielflagge.
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Intermediates vs. Slicks am Start: Was war richtig?
Bereits vor dem Start herrschte in Silverstone große Hektik. Denn in den Stunden vor dem Rennen hatte es geregnet, doch just gegen 15 Uhr Ortszeit begann es abzutrocknen. Als das Feld hinter dem Safety-Car auf die Aufwärmrunde ging, hatten alle 20 Fahrer Intermediates drauf. Aber im ersten und zweiten Sektor war es so trocken, sodass einige entschieden, für den Start doch noch auf Slicks zu wechseln.
Russell, Leclerc, Isack Hadjar (Racing Bulls), Gabriel Bortoleto (Sauber), Oliver Bearman (Haas) und Franco Colapinto (Alpine) zockten und fuhren am Ende der Aufwärmrunde zum Reifenwechsel an die Box. Alle anderen blieben auf den Intermediates und fuhren in die Startaufstellung. "Der letzte Sektor ist zu nass für Slicks", urteilte Piastri am Boxenfunk.
Verstappen erwischte den besten Start und führte das Feld vor dem McLaren-Duo durch die erste Runde. Im Mittelsektor war er um 4,3 Sekunden schneller als Leclerc (15.). Es sah also sehr danach aus, als hätten sich alle, die auf Slicks gewechselt hatten, verschätzt.
"Außer den letzten zwei Kurven ist die ganze Strecke gut genug für Slicks", funkte Esteban Ocon (Haas), der kurz zuvor mit Liam Lawson (Racing Bulls) kollidiert war ("no further Investigation"). Übrigens der Grund für die erste virtuelle Safety-Car-Phase (VSC) des Rennens.
Kaum war das Rennen wieder freigegen, rutschte Bortoleto mit Slicks ins Kiesbett. Dabei lädierte er sich den Heckflügel.
Nach fünf Runden begann das Rennen dann langsam, sich zu entwickeln. Verstappen und Piastri konnten sich ein wenig absetzen, hatten drei Sekunden Vorsprung auf Norris. Bis das nächste VSC aktiviert wurde, weil es Bortoleto mit dem lädierten Heckflügel nicht zurück an die Sauber-Box schaffte.
Ein Segen für alle, die mit Slicks auf verlorenem Posten gewesen wären und so ein paar Runden unter Gelb geschenkt bekamen.
Wann übernahm Piastri das Kommando im Rennen?
In Runde 8 wurde dann klar ersichtlich, dass der Slick bereits schneller war als der Intermediate. Piastri fuhr mit dem Intermediate 1:44.171 Minuten. Russell fuhr mit dem harten Slick 1:41.287 Minuten - also um fast drei Sekunden schneller! Allerdings: "Jetzt fängt's zu regnen an. Brillant", ärgerte sich Russell, als er ein paar neue Regentropfen auf dem Visier sah.
An der Spitze gab's indes einen Führungswechsel: Piastri fuhr auf der Hangar-Straight an Verstappen vorbei und setzte sich sofort vom Red Bull ab. Am Ende der neunten Runde betrug sein Vorsprung schon drei Sekunden. Verstappen konnte jetzt nicht mehr mithalten und verlor dramatisch an Boden.
Für die Strategen am Kommandostand war das eine besonders prekäre Phase: Auf der einen Seite fuhr Leclerc in Runde 10 mit den Slicks um dreieinhalb Sekunden schneller als die Spitze. Andererseits sah es danach aus, als würde es bald wieder zu regnen beginnen.
In Runde 11 dann der Wetterumsturz: Als Piastri, Verstappen und Norris gerade auf der Wellington-Straight waren, begann es plötzlich richtig zu schütten. An Slicks war jetzt nicht mehr zu denken, und Verstappen rutschte sogar mit den gebrauchten Intermediates ein paar Meter neben die Strecke. Das nutzte Norris und ging an ihm vorbei, unter frenetischem Jubel des Publikums.
Am Ende der zwölften Runde kamen alle zum Reifenwechsel: Piastri und Norris zu einem "Double-Stack", der bei Norris ein paar Sekunden zu lange dauerte. So eroberte Verstappen die Position gegen Norris zurück. Er hatte jetzt aber schon achteinhalb Sekunden Rückstand auf Piastri.
Wer waren Gewinner und Verlierer im Regenchaos?
Der Regen nahm weiter zu, und Hamilton dämmerte in Runde 13: "Das reicht jetzt definitiv für Heavy-Wets." Also für echte Regenreifen, die noch mehr Wasser verdrängen können als Intermediates. Hamilton lag zu dem Zeitpunkt nur noch an achter Position, mit einer halben Minute Rückstand auf Piastri.
Der war bei strömendem Regen über sich hinausgewachsen und hatte seinen Vorsprung binnen weniger Runden auf 15 Sekunden vergrößert - bis in Runde 14 aus Sicherheitsgründen Bernd Mayländer mit dem Safety-Car auf die Strecke fuhr.
Das war wohl auch notwendig. Kurz vor der Gelbphase fuhr Leclerc im Becketts-Komplex einfach geradeaus. Er meldete am Boxenfunk: "Mir kam ein riesiger Wasserschwall ins Visier. Ich konnte nichts mehr sehen." Auf dem Zeitenmonitor der Rennleitung flackerte die Meldung: "Regen endet in vier Minuten."
Das Wetterchaos und die Safety-Car-Phase brachte auch ein paar große Gewinner hervor: Lance Stroll (Aston Martin) hatte sich im Vergleich zur Startposition um 13 Plätze verbessert und lag auf Rang 4, unmittelbar vor Hülkenberg, der sogar 14 Plätze gewonnen hatte.
Fernando Alonso gehörte nicht zu den Profiteuren und lag mit drei Positionen im Minus, auf Platz 10. Er wunderte sich am Boxenfunk: "Haben alle, die uns überholt haben, schlechtere Reifen als wir, oder haben wir die Plätze nur aus Spaß verloren?" Und als ihm sein Renningenieur erklärte, dass vor ihm eigentlich nur Ocon schlechtere Reifen habe, meckerte Alonso in bester "GP2-Engine"-Manier, es sei "verrückt", wie es Aston Martin immer wieder schaffe, gerade ihn zu sabotieren.
Wie fiel Verstappen plötzlich so weit zurück?
Zur 18. Runde wurde das Rennen wieder freigegeben. Und die 18. Runde war noch nicht einmal zu Ende, als das Safety-Car erneut auf die Strecke kam. Diesmal hatte Hadjar für die Neutralisierung gesorgt, als er im totalen Blindflug von hinten auf den Antonelli-Mercedes auffuhr. "Ich habe ihn nicht gesehen. Der ist plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht", bedauerte Hadjar seinen Ausfall. Andrea Kimi Antonelli fiel auf Platz 15 zurück, konnte aber weiterfahren.
Beim Restart in Runde 22 passierte Verstappen dann einer seiner ganz seltenen Fehler - mit Vorspiel: Zuerst beschleunigte Piastri, nur um dann wieder abrupt abzubremsen. Verstappen konnte auf nasser Strecke nicht rechtzeitig abbremsen und schoss am McLaren vorbei. Dann zog Piastri das Tempo wieder an, und Verstappen drehte sich bei Stowe. Ob irritiert von Piastris Mätzchen, oder einfach nur eine Folge seines flachen Heckflügels: Der Regen kam Verstappen jedenfalls nicht entgegen.
Konsequenz: Verstappen nur noch auf P10, und Piastri im Fokus der Rennkommissare, wegen "Safety-Car-Infringement". "Bei solchen Bedingungen ist das gefährlich, wenn du Spray hast, und der Fünfte, Sechste, Siebte in der Reihe nicht sieht, was der da vorne macht", analysierte Philipp Eng im Live-Kommentar bei ServusTV.
Piastri blieb für sein Stop & Go nicht unbestraft, sondern kassierte eine Zehnsekundenstrafe. Zum Zeitpunkt, als diese offiziell gemacht wurde, befand sich das Rennen in der 24. Runde, also noch vor Halbzeit, und Piastri führte 3,6 Sekunden vor Norris, 14,1 Sekunden vor Stroll und 15,0 Sekunden vor Hülkenberg.
Die Strafe gegen Piastri findet McLaren-Teamchef Andrea Stella hart, Piastri selbst versteht sie nicht, weil Russell in Montreal seiner Meinung nach mit einer vergleichbaren Aktion durchgekommen ist, und sogar Verstappen sagt: "Zehn Sekunden, das ist schon extrem. Aber ich mache die Regeln nicht."
Sky-Experte Ralf Schumacher ist da anderer Meinung: "Die Strafe war auf jeden Fall verdient. Ich glaube, er wollte zeigen: Hier, Max, ich kann das auch! Aber es war ein bisschen too much. Die Strafe war absolut gerechtfertigt. Da muss er sich im Zaun halten, das ist halt so." (Hier geht's zur Begründung der Rennkommissare!)
Runde 35: Hülkenberg plötzlich auf Podiumskurs!
20 Runden vor Schluss hatte sich das Feld wieder halbwegs sortiert, und die Strecke begann abzutrocknen. "Es ist nahe an Slicks", funkte Piastri, der jetzt 2,4 Sekunden Vorsprung auf Norris hatte, aber noch eine Zehnsekundenstrafe abzusitzen. Es sah dennoch stark nach McLaren-Doppelsieg aus.
Verstappen lag nach dem Malheur beim Neustart auf P10, mit 38,5 Sekunden Rückstand auf Piastri. Und statt um den Grand-Prix-Sieg zu kämpfen, mühte er sich mit Carlos Sainz ab und biss sich am Williams die Zähne aus. "Ich bin so langsam, ich kann mit denen nicht einmal mithalten", seufzte er am Boxenfunk.
Hinter dem McLaren-Express wurde aus dem Zweikampf um Platz 3 ein Dreikampf: In Runde 34 von 52 schloss Hamilton zu Stroll und Hülkenberg auf. Der Ferrari-Pilot hatte die frischesten Reifen und den steilsten Flügel. Im Regen normalerweise ein Vorteil.
Aber der Erste, der einen Move setzte, war Hülkenberg. Er ging in Runde 35 vor Stowe an Stroll vorbei. Als er ein paar Fahrsekunden später über die Ziellinie fuhr, hatte er schon 1,1 Sekunden Vorsprung auf den Aston Martin. Kurz darauf war auch Hamilton an Stroll vorbei.
Abtrocknende Strecke: Alonso & Russell pokern zu hoch
Am Ende der 37. Runde setzte Alonso alles auf eine Karte und wechselte von Intermediates auf Slicks. Eine krasse Fehlentscheidung. Allein im Mittelsektor war er um 8,2 Sekunden langsamer als Piastri, und im dritten 2,9 Sekunden. Russell hatte den gleichen Poker probiert, und der Mercedes-Fahrer drehte sich auf den weißen Reifen gleich mal neben die Strecke. Der Intermediate war weiterhin die einzig richtige Wahl.
Die TV-Kameras fingen jetzt das Duell zwischen Hülkenberg und Hamilton um Platz 3 ein. Zehn Runden vor Schluss hatte Hülkenberg 2,1 Sekunden Vorsprung auf das rote Auto. In Runde 41 kam Hamilton zuerst zum Boxenstopp und wechselte auf Soft. Während er sich mit den Slicks gleich mal neben die Strecke bewegte, kam Hülkenberg eine Runde später rein. Der entscheidende Showdown.
Mit einer Standzeit von 4,6 Sekunden brauchte die Sauber-Crew länger als geplant, aber Hülkenberg hatte durch den später getimten Boxenstopp plötzlich trotzdem mehr als zehn Sekunden Vorsprung auf Hamilton. Der freilich hatte den Vorteil von Soft gegen Medium. Es war also ein spannendes Finish um Platz 3 angerichtet.
Irgendwann zwischendurch attackierte Bearman ausgerechnet seinen Teamkollegen so ungeschickt, dass sich beide Haas-Boliden wie beim Synchronschwimmen drehten. Es war schon der zweite Fauxpas des jungen Briten nach dem Crash unter roter Flagge in der Boxeneinfahrt im dritten Freien Training.
Mit Runde 45 war die Messe an der Spitze gelesen. Piastri hatte seine Strafe abgesessen, Norris dadurch die Führung übernommen. Zwischen den beiden lagen jetzt fünf Sekunden. Piastri drückte mächtig auf die Tube, rutschte von der Strecke, verlor so wieder unnötig Zeit.
Und sein angestauter Frust entlud sich in einem Funkspruch: "Ich finde, dass die Zeitstrafe nicht fair war. Ich weiß schon, das ist eine große Frage, aber wenn ihr auch findet, dass sie nicht fair war, dann sollten wir die Plätze tauschen und Rennen fahren." Ein Vorschlag, den der Kommandostand nicht einmal mit einer Antwort würdigte - bis dann endlich klargestellt wurde: "Wir machen keine Teamorder."
Weil Norris an der Spitze keine Nerven zeigte, lag der Fokus in den letzten drei Runden wieder auf dem Duell Hülkenberg-Hamilton. Hamilton holte zwar sukzessive auf, aber als Hülkenberg mit mehr als fünf Sekunden Vorsprung in die letzte Runde ging, war schon klar, dass es endlich klappen würde mit dem ersten Podium seiner langen Karriere.
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Silverstone war der zwölfte von 24 Grands Prix der Formel-1-Saison 2025. Zur Halbzeit können Fahrer, Teams und Fans erstmal durchatmen. Denn erst von 25. bis 27. Juli steigt in Spa-Francorchamps der Grand Prix von Belgien, "back to back" mit dem Hungaroring in Ungarn eine Woche später. Also ein letzter Doppelpack mit den Stationen 13 und 14, ehe die Formel 1 dann in ihre traditionelle August-Sommerpause mit vier freien Wochen geht. (Formel-1-Kalender 2025)