"Es war alles schlecht": Wolff ärgert sich über verpasstes Antonelli-Podium
Ein mehr als gebrauchter Tag für die Silberpfeile in Silverstone: Falsche Strategieentscheidungen werfen das Team zurück, Kimi Antonelli wird abgeschossen
(Motorsport-Total.com) - Seine erste Saisonhälfte in der Formel 1 hat Rookie Kimi Antonelli seit Silverstone absolviert, wobei diese nicht viel unterschiedlicher für den Italiener hätte verlaufen können: Denn in den ersten sechs Rennen lief eigentlich alles wie am Schnürchen für den Neueinsteiger, der mit Ausnahme von Bahrain fünfmal punktete und darüber hinaus mit einer sensationellen Sprint-Pole in Miami für Aufsehen sorgte.

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Gebrauchter Mercedes-Sonntag: Antonelli schied aus, Russell wurde Zehnter Zoom Download
Das Problem: In den folgenden sechs Rennen fiel Antonelli gleich viermal aus, hinzu kam ein letzter Platz in Monaco. Einzig sein Premieren-Podium in Kanada sticht als großer Höhepunkt natürlich heraus - doch spätestens in Großbritannien war die Feierstimmung darüber verflogen: Nach dem selbstverschuldeten Aus in der Startphase von Spielberg, wurde der Mercedes-Pilot diesmal im Regen von Isack Hadjar abgeschossen.
"Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Im Moment scheint einfach alles schiefzulaufen und es fällt mir schwer, irgendetwas Positives zu finden", zeigt sich Antonelli nach dem zweiten Ausfall in Folge geknickt. Entsprechend getrübt ist auch sein Fazit über das erste halbe Jahr Königsklasse: "Ich bin nicht besonders zufrieden. Zu viele Nullnummern", räumt der 18-Jährige ein.
Antonelli: "Risiko hat sich leider nicht ausgezahlt"
Antonelli ratlos: "Es fühlt sich so an, als würde momentan gar nichts funktionieren. Ich muss mich jetzt neu fokussieren, den Reset-Knopf drücken und versuchen, das Licht am Ende des Tunnels wiederzufinden - denn aktuell befinde ich mich definitiv nicht in einer guten Phase." Dass das Glück aktuell zumindest nicht auf seiner Seite zu sein scheint, das zeigt sich auch am Sonntag in Silverstone:
"Wir sind in der ersten Runde ein Risiko eingegangen, das sich leider nicht ausgezahlt hat. Gerade als ich an die Box fuhr, kam das virtuelle Safety-Car, dadurch konnte ich dann keine Temperatur in die Reifen bringen", erklärt der Mercedes-Pilot: "Beim Wechsel zurück auf Intermediates war die Sicht dann extrem schlecht. Ich weiß nicht warum, aber ich habe es irgendwie kommen sehen", sagt er mit Blick auf die Kollision mit Hadjar.
"Ich hatte Glück, das Auto überhaupt noch auf der Strecke zu halten, denn der Einschlag war heftig. Einfach bitter, mit einem weiteren Nuller ins Ziel zu kommen", ist Antonelli enttäuscht, sein Auto nach dem Rammstoß von hinten zu stark beschädigt: "Ich glaube, ich habe rund 100 Punkte an Abtrieb verloren, weil der gesamte Diffusor kaputt war - das machte es extrem schwierig, das Auto zu kontrollieren."
Hadjar und Antonelli kritisieren Freigabe des Rennens
"Ich glaube, auch Isack war in dem Moment einfach nur Passagier. Ich habe früher gebremst, weil es so schwer zu erkennen war, wo die Kurve überhaupt beginnt - und Isack konnte mich einfach nicht sehen", sagt der Italiener. Unfallgegner Hadjar bestätigt: "Als das Rennen wieder losging, war die Sicht einfach katastrophal. Viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen", äußert auch der Racing-Bulls-Rookie Unverständnis über die Rennfreigabe:
"Für mich gab es keinen Grund, unter solchen Bedingungen zu fahren. Schon hinter dem Safety-Car konnte ich kaum etwas sehen. Die Reifen verloren Temperatur, das wurde richtig heikel", beschreibt Hadjar den Kampf der Piloten im Cockpit: "Ich war ziemlich überrascht, dass wir nicht auf bessere Bedingungen gewartet haben, denn im Nachhinein war es fast schon absehbar", stimmt auch er in Antonellis Bewertung der Szene mit ein.
Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff: "Man konnte schlichtweg nichts sehen. Einer fuhr dem anderen ins Auto, weil er ihn nicht gesehen hat - das kann unter solchen Umständen passieren", zeigt sich der Wiener milde - deutlich härter geht Wolff aber mit den eigenen Entscheidungen seines Teams ins Gericht, die einen überhaupt erst in die missliche Lage im Hinterfeld gebracht hätten, sagt deshalb auch ganz klar: "Kimi ist enttäuscht - vor allem darüber, wie das Team das Rennen gestaltet hat."
Wolff: "Die erste Entscheidung war katastrophal falsch"
Denn sowohl bei Antonelli als auch bei Teamkollege George Russell bekamen die Silberpfeile die Strategie im Regenchaos nicht richtig hin: "Der Fahrer ist Teil des Teams, wir machen das also gemeinsam. Aber die erste Entscheidung, sowohl aus dem Auto heraus als auch von der Boxenmauer, war katastrophal falsch", sagt Wolff mit Blick auf den frühen Wechsel des Briten auf Slicks: "Das brachte alles ins Rollen, ein Abwärtssog."
Noch schlimmer aber: "Dadurch kam dann auch Kimi rein. Wenn man sich anschaut, wo er zu dem Zeitpunkt lag - wir hätten ihn draußen lassen und eine gesplittete Strategie fahren sollen, dann wären wir vermutlich dort gelandet, wo Hülkenberg war - denn Kimi war vor ihm", ärgert sich der Österreicher.
Wenngleich Wolff klarstellen will: "Das schmälert nicht Nicos Leistung, die von außen sehr stark aussah. Aber wir hatten dann den falschen Reifen drauf, weil wir dachten, der Medium würde nicht halten - basierend auf dem schwachen Freitag. Auch das war ein Fehler", ärgert sich Wolff: "Der zweite Boxenstopp war sogar noch schlimmer, das war letztlich der Todesstoß."
Als Dominoeffekt will Wolff den misslungenen Ablauf aber nicht begreifen: "Es war eher eine einzige Entscheidung, zwischen Fahrer und Team, die eine ohnehin schon schlechte Situation weiter verschlimmerte. Danach folgten weitere falsche Entscheidungen. Die Kommunikation zwischen Fahrer und Box war heute schlichtweg miserabel", nimmt der Mercedes-Boss kein Blatt vor den Mund.
"Nicht mutig": Wolff sieht "völlige Fehleinschätzung"
Daher habe es bereits ein "offenes, klares Gespräch" mit den Beteiligten gegeben: "Alle haben anerkannt: Die erste Entscheidung war der eigentliche Super-GAU." Wobei Wolff zumindest um eine faire Einordnung im größeren Kontext bemüht ist: "Wir haben in der Vergangenheit mit mutigen Entscheidungen Rennen gewonnen - sechs oder sieben von zehn dieser Calls haben funktioniert."
"Aber was wir heute gemacht haben, war nicht mutig, es war einfach eine völlige Fehleinschätzung. Bei 17 Grad Außentemperatur, wie soll die Strecke da abtrocknen?", fragt der Wiener rhetorisch - und schiebt anschließend ein ernüchterndes Fazit hinterher: "Heute gab es wirklich nichts, das auch nur ansatzweise gut war. Es war einfach alles schlecht."