Nach Horner-Aus: Diese Aufgaben warten jetzt auf Red Bull und Laurent Mekies
Der Abschied von Teamchef Christian Horner ist nur ein Puzzlestück bei der Rückkehr zum sportlichen Erfolg - Welche Herausforderungen jetzt auf Red Bull Racing warten
(Motorsport-Total.com) - Mit dem Rauswurf von Teamchef Christian Horner endet für Red Bull Racing eine 20-jährige Ära. Das Team schließt ein Kapitel, das alle Höhen und Tiefen der bisherigen Geschichte seit der Gründung 2005 umfasst, darunter zwei dominante Phasen: zunächst mit Sebastian Vettel, später mit Max Verstappen.
Aber die Ära unter der Führung von Horner beinhaltet auch den aktuellen Abwärtstrend des Teams. Die Geschichte, die man gegenüber den thailändischen Anteilseignern lange vertreten hatte, dass Teammitglieder austauschbar seien und Horner der Schlüssel zum Erfolg sei, war nicht mehr haltbar.
Der Abstieg ist zu deutlich: Im Jahr 2023 gewann Red Bull mit Ausnahme des Singapur-GP noch alle Rennen. Nun, zur Saisonhalbzeit, sind beide WM-Titel faktisch außer Reichweite, und 2025 lässt sich bereits abschreiben. Das ist ein Indikator für McLarens Fortschritt, aber ebenso für den Niedergang von Red Bull. Und dieser ist vielschichtig.
Red Bull mit dem Auto in der Sackgasse?
Die Entwicklungskurve des RB21 scheint eine Sackgasse zu sein. Das Auto ist zwar nach wie vor schnell, funktioniert jedoch nur in einem äußerst schmalen Fenster. Red Bull ist es bislang nicht gelungen, dieses Fenster zu erweitern, ohne an Leistung zu verlieren. McLaren hat genau das geschafft: ein breites Arbeitsfenster bei gleichzeitig hoher Performance.
Aufstieg und Fall von Christian Horner bei Red Bull
Die Motorsport-Karriere von Christian Horner reicht bis in die 1990er-Jahre zurück, als der Brite zunächst im Kartsport unterwegs ist, bevor er in den Formelsport aufsteigt. Fotostrecke
Aber auch auf operativer Ebene sind Defizite bei Red Bull sichtbar. Seit dem Weggang von Jonathan Wheatley kam es mehrfach zu Fehlern bei den Boxenstopps, insbesondere beim Großen Preis von Miami und in Bahrain.
Letzterer stellte auch den bisherigen Tiefpunkt der Saison dar, insbesondere was die Abläufe während des Rennwochenendes betraf. Die Krisensitzung nach dem Rennen war bereits ein deutliches Vorzeichen für die Spannungen innerhalb des Teams.
Eine schnelle Lösung gibt es nicht ...
Strategisch zeigte Red Bull zuletzt ebenfalls Schwächen, etwa bei der Reifenwahl in Barcelona, als man sich für harte Reifen entschied. Eine Entscheidung, die nicht dem gewohnten Niveau entsprach. Die Komplexität und Breite dieser Probleme deuten darauf hin, dass die Saison 2025 nicht mehr zu retten ist.
Zwar plant Red Bull vor der Sommerpause noch ein weiteres Update-Paket, doch wie Helmut Marko bereits einräumte, wird dies keine Wende bringen. Heißt: Ob nun Mekies oder Horner die Verantwortung trägt, ist letztlich unerheblich, denn eine schnelle Lösung wird es nicht geben.
Die Probleme sind struktureller Natur, und ein Wiederaufbau wird Zeit erfordern. Ironischerweise hatte Horner dies in seiner letzten FIA-Pressekonferenz als Red-Bull-Teamchef selbst eingeräumt: "Ich erinnere mich, wie Dietrich Mateschitz damals zu mir sagte: Wir brauchen nicht den besten Fahrer, wenn wir nicht das beste Auto haben."
"Damals ging es darum, ein Team aufzubauen. Dinge verlaufen in Zyklen, und auch der Sport verläuft in Zyklen. Wir hatten zwei unglaublich erfolgreiche Zyklen in der Formel 1, und nun wollen wir den Grundstein für den nächsten Zyklus legen." An diesem Punkt befindet sich Red Bull nun, aber ohne Horner an der Spitze.
Wie entscheidend ist Verstappens Verbleib?
Der Grundstein für eine neue Ära ruht auf vier Säulen: dem internen Motorenprojekt, dem technischen Team, der Teamkultur und der Fahrerpaarung. Doch im Jahr 2025 unterscheidet sich die Lage deutlich von der vor zwanzig Jahren, als Mateschitz diese Worte sprach.
Damals musste Red Bull erst noch beweisen, dass man in der Lage ist, ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen. Die Verpflichtung von Adrian Newey war wichtiger als die eines Starfahrers. Heute jedoch hat Red Bull längst einen Starfahrer, und das Team ist in den vergangenen Jahren in hohem Maße von ihm abhängig geworden.
Wenn man die sieben Punkte, die Yuki Tsunoda seit seinem Wechsel von Racing Bulls zu Red Bull gesammelt hat, verdoppeln würde, also für zwei Autos rechnet, dann läge Red Bull Racing derzeit auf dem letzten Platz in der Konstrukteurswertung.
Warum ein Verstappen-Aus gefährlich wäre
Ein Abgang von Max Verstappen hätte daher Folgen, die weit über einen einfachen Fahrerwechsel hinausgingen. Er ist der Einzige, der aus dem aktuellen Auto konstant Leistung herausholt. Das bedeutet, dass ohne ihn sowohl das technische Konzept als auch die gesamte Philosophie des Teams überdacht werden müssten.
Nicht, weil das Auto ausschließlich um ihn herum konstruiert wäre, sondern weil ein sich selbst verstärkender Kreislauf entstanden ist. Verstappen ist der Einzige, der auf der Strecke abliefert, also orientiert sich das Team zwangsläufig an seinem Feedback.
Die Faktoren, die zu Horners Aus bei Red Bull führten
Februar 2024: Eine Red-Bull-Mitarbeiterin macht Vorwürfe gegen Christian Horner öffentlich - er habe sich unangemessen verhalten. Red Bull leitet eine interne Untersuchung ein, die jedoch mit einer Entlastung Horners endet. Fotostrecke
Dadurch entwickelt sich das Auto weiter in eine Richtung, die es anderen Fahrern noch schwerer macht, darin zu glänzen. Wenn Verstappen das Team verlässt, müsste Red Bull diesen Zyklus durchbrechen und die Entwicklungsstrategie grundlegend hinterfragen.
Das neue Reglement als Red-Bull-Rettung?
Ein kleiner Trost bleibt: Die Saison 2026 bringt ein neues Reglement mit sich, das ohnehin einen Neustart bei der Fahrzeugphilosophie verlangt. Doch das zweite Cockpit bleibt ein Problem. Mittlerweile erkennt die Teamführung an, dass die Ursachen dafür vor allem technischer Natur sind.
Helmut Marko äußerte sich nach dem Trainingseinsatz von Alex Dunne bei McLaren in dieser Hinsicht vielsagend. Aber: Der neue Teamchef Laurent Mekies kennt Tsunoda aus der Zeit bei den Racing Bulls gut und ist ideal geeignet, um mit jungen Fahrern zu arbeiten.
Aber auch hier wird es keine schnelle Lösung geben. Tsunoda wird die Saison zwar beenden, doch angesichts des bevorstehenden Honda-Ausstiegs muss Red Bull klären, wer 2026 an der Seite von Max Verstappen fahren soll, sofern dieser überhaupt im Team bleibt.
Motorenprojekt: Langfristiges Potenzial, schwieriger Start?
Das hausinterne Motorenprojekt in Kooperation mit Ford ist ein zentrales Element der Zukunft von Red Bull. Mark Rushbrook, globaler Direktor von Ford Performance, erklärte gegenüber Motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network, dass Red Bull Powertrains-Ford die meisten Meilensteine erreiche.
Er räumte jedoch auch ein, dass es für einen Neueinsteiger unmöglich sei, alle Ziele auf Anhieb zu treffen. Horner hatte in seiner letzten Pressekonferenz einen ähnlichen Ton angeschlagen und meinte, es wäre "peinlich" für Mercedes, wenn ihnen Red Bull bereits voraus wäre.
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Dies dient nicht zuletzt dem Erwartungsmanagement. Auch bei einer Werksbesichtigung betonte man das Leitmotiv: "Wir wollen weniger versprechen und mehr liefern." Zugleich ist es unrealistisch zu erwarten, dass Red Bull auf Anhieb etablierte Hersteller mit jahrzehntelanger Erfahrung übertrifft.
Red Bull erst 2027 wieder konkurrenzfähig?
Red Bull selbst beschreibt das Projekt als langfristige Investition. Horner sagte: "Was großartig ist, ist die Tatsache, dass sich alles unter einem Dach befindet: Chassis-Ingenieure sitzen direkt neben Motorenentwicklern. Das sollte man bei der Frage der Integration nicht unterschätzen."
Diese enge Zusammenarbeit, spontan bei einem Kaffee, im selben Gebäude, sei unbezahlbar und werde sich langfristig auszahlen. Vielleicht nicht 2026, aber 2027, 2028 und darüber hinaus. Für Red Bull sei es auf lange Sicht zu einhundert Prozent der richtige Weg.
Strategisch ergibt es Sinn, sich unabhängig zu machen, um Situationen wie mit Renault oder Honda künftig zu vermeiden. Die stärkere Integration von Antriebseinheit und Chassis könnte sich langfristig bezahlt machen. Dennoch wird 2026 eine gewaltige Herausforderung.
Red-Bull-Sorgen: Personalverlust oder alter Windkanal?
Während der Probleme mit Renault war das Chassis von Red Bull dennoch stets konkurrenzfähig. Heute ist selbst das nicht mehr selbstverständlich. Seit dem Großen Preis von Miami 2024 steckt Red Bull in einer Abwärtsspirale, und die Technikabteilung hat bislang keinen Ausweg gefunden.
Die neue Führung muss sich eine zentrale Frage stellen: Liegt das Problem an veralteten Entwicklungswerkzeugen oder am Weggang zentraler Personen? Dabei geht es nicht nur um Technik-Genie Adrian Newey, sondern vor allem auch um Rob Marshall.
Denn auf die Frage unserer Schwesterplattform Motorsport.com, ob Marshall bei McLaren den entscheidenden Unterschied mache, antwortete Verstappen knapp, aber deutlich: "Ich denke, das ist ziemlich offensichtlich."
Horner betonte jedoch stets, dass das Team über eine große Tiefe verfüge. "Im Kern sind es dieselben Leute, die vor 18 Monaten ein Auto gebaut haben, das bis auf ein Rennen alle gewonnen hat. Diese Menschen sind über Nacht nicht plötzlich inkompetent geworden."
Blick in die Red-Bull-Zukunft macht Hoffnung
In der Tat verfügt Red Bull weiterhin über wichtige technische Köpfe wie Pierre Wache, Ben Waterhouse und Paul Monaghan. Doch ohne Newey, den Wache als jemanden beschrieb, der das Team ständig herausforderte, müssen sie sich 2026 neu beweisen.
Ein häufig genannter limitierender Faktor ist der veraltete Windkanal. Besonders unter stabilen Regeln, wo es um minimale Verbesserungen geht, sei dieser ein Nachteil, erklärte Horner. 2026 jedoch beginnt mit einem weißen Blatt Papier, und hier werde der Nachteil kleiner sein.
Sollte Red Bull aber auch dann unter den Erwartungen bleiben, wäre das ein deutliches Signal. Ein neuer Windkanal soll 2026 in Betrieb gehen, wird aber eher das Auto für 2027 beeinflussen, womit er für das neue Reglement bereits zu spät kommt.
Kann Red Bull dem Beispiel McLaren folgen?
Insgesamt befindet sich Red Bull in einer Übergangsphase. Ein echter Erfolg im Jahr 2025 ist unrealistisch, mit Ausnahme möglicher Einzelsiege, und der Fokus liegt auf dem Jahr 2026, insbesondere auf dem Motorenprojekt. Auch wenn Laurent Mekies kurzfristig kaum Einfluss auf die Performance nehmen wird, ist seine Berufung dennoch bedeutsam.
Gerade jetzt ist seine Rolle entscheidend, ähnlich wie bei McLaren, als das Team nach einem Tiefpunkt mit dem Wiederaufbau begann. Für Red Bull ist dies der Moment zum Innehalten, zur Analyse und zur langfristigen Weichenstellung. Die technischen Probleme müssen nicht nur verstanden, sondern auch in echte Lehren umgewandelt werden.
Ebenso wichtig ist die Teamkultur. Die internen Machtkämpfe haben dem Team spürbar geschadet. Red Bull braucht Stabilität und Zusammenhalt. Genau hier liegt Mekies' größte Aufgabe: nicht in kurzfristigem Erfolg, sondern im Aufbau eines ruhigen, stabilen Fundaments für die Zukunft.
Wie Horner sagte: Jetzt ist die Zeit gekommen, um den nächsten Zyklus zu beginnen. Doch dieser Zyklus muss ohne ihn beginnen - und die große Frage bleibt, ob Verstappen überhaupt noch ein Teil dieses Neuanfangs sein wird.