• 09. Juli 2025 · 14:23 Uhr

Analyse: Was Horners Entlassung für Red Bull und die Formel 1 bedeutet

Die wahre Dimension der Trennung von Christian Horner: Welches Signal Red Bull damit aussendet und welche Konsequenzen sich daraus ergeben

(Motorsport-Total.com) - Früher war die Formel 1 eine Meisterschaft, in der die Teams den Menschen gehörten und von ihnen geleitet wurden, deren Namen über dem Werkstor standen. Heute sind die Chefs nur noch Angestellte - und kein noch so großer vergangener Erfolg kann Versagen auf Dauer aufwiegen.

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Christian Horner, als er noch Teamchef bei Red Bull war Zoom Download

Im Fußball ist es längst eine Binsenweisheit (aber deswegen nicht weniger wahr), dass man immer nur so gut ist wie das jüngste Spiel. Selbst Trainer mit den besten Erfolgsbilanzen können auf unrühmliche Weise gefeuert werden, wenn die Mannschaft über längere Zeit schwächelt.

Die Entlassung von Christian Horner nach über 20 Jahren an der Spitze von Red Bull - in denen das Team sechs Konstrukteurs- und acht Fahrertitel gewann - ist ein weiteres Beispiel für das, was man die "Fußballisierung" der Formel 1 nennen könnte.

Horners Vertrag soll eigentlich bis 2030 gelaufen sein, aber eine Mischung aus persönlichem Skandal, internen Machtkämpfen - die mindestens ein prominentes Teammitglied zum Abgang bewegten - und inkonstanten Leistungen auf der Strecke hat diesen glanzvollen Rekord entwertet.

Es wird teuer gewesen sein, ihn fünf Jahre vor Vertragsende rauszukaufen. Doch diese Entscheidung zeigt, dass Horner wichtige Unterstützer auf Vorstandsebene verloren hat.

Was sich in der Formel 1 verändert hat

Während der ersten vier Jahrzehnte der Weltmeisterschaft gehörten die meisten Teams den Leuten, die sie auch führten: Enzo Ferrari, Frank Williams, Ken Tyrrell, Charles Cooper, Jack Brabham, Bruce McLaren, Rob Walker, Guy Ligier, Jackie Stewart, Eddie Jordan. Colin Chapmans Initialen prangten im Lotus-Logo.


Legendäre Formel-1-Teams a. D.

Dieses Gleichgewicht begann sich zu verschieben, als die Hersteller einstiegen und die kommerzielle Reichweite der Formel 1 wuchs. Durch Neugründungen oder Übernahmen wurden Teams nach und nach zu Außenstellen großer Konzerne statt zu kleinen Betrieben. Vielleicht zurecht - in den 1970er-Jahren passte das Streckenteam noch in ein großes Auto, heute stehen Hunderte auf der Gehaltsliste.

Mit der Konzernstruktur und den dazugehörigen Berichtslinien kam eine Generation professioneller Manager auf, die nur noch ein Glied in der Befehlskette sind. Eine Ausnahme ist Toto Wolff, der als Teamchef auch Anteilseigner bei Mercedes ist.

Die Kleinteams von einst gibt es nicht mehr

Das heißt natürlich nicht, dass die Chefs von früher nicht auch persönlich für Misserfolg bezahlen mussten. Ligier dümpelte jahrelang am Ende des Feldes herum, bevor das Team verkauft wurde - ebenso Williams und Tyrrell (dessen Team auf dem Papier schließlich zu Mercedes wurde). Nach Enzo Ferraris Tod fiel sein geliebtes Team in die Hände von FIAT-Managern.


Tränen statt Titel: Acht abgestürzte Formel-1-Großmächte

McLarens jüngere Geschichte war ein Vorbote dessen, was Horner jetzt erlebt hat: Ron Dennis, der das Team in den frühen 1980er-Jahren wieder auf Kurs brachte, wurde 2017 von seinen Miteigentümern hinausgedrängt, nachdem es mehrere Jahre lang peinlich schwach abgeschnitten hatte.

Hier gibt es einige Parallelen zwischen McLaren und Red Bull. Dennis übernahm McLaren ursprünglich durch eine Art Zwangsheirat zwischen seinem eigenen Unternehmen und einem öffentlich taumelnden Formel-1-Team - vermittelt vom wichtigen Sponsor Marlboro. Kaum hatte er das Kommando, drückte er dem Team seinen akribischen Stempel auf, holte die richtigen Techniker, erschloss neue Einnahmequellen, und McLaren dominierte das Jahrzehnt.

Aber auch er verkrachte sich später mit einem seiner wichtigsten Techniker, John Barnard.

Auch Horner hat sich nach oben gearbeitet

Ähnlich hatte Horner zuvor selbst ein erfolgreiches Team in den unteren Rennklassen aufgebaut, bevor er von einem Sponsor überredet wurde, den Sprung in die Formel 1 zu wagen: Ende 2004 kaufte Red Bull das angeschlagene Jaguar, das in den vorangegangenen fünf Jahren als Paradebeispiel für Konzernversagen gegolten hatte.


Aufstieg und Fall von Christian Horner bei Red Bull

Mit quasi unbegrenztem Budget formte Horner das Team um, holte Adrian Newey - und der Rest ist Geschichte. Und die Geschichte wiederholt sich oft, zumindest in Variationen: in diesem Fall das endgültige Zerwürfnis zwischen Horner und Newey.

In den vergangenen 18 Monaten konnte Horner sich offenbar auf die Unterstützung der Yoovidhya-Dynastie verlassen, die 51 Prozent des Mutterkonzerns besitzt. Die anderen 49 Prozent gehören Mark Mateschitz, dessen Vater Dietrich als Zahnpastavertreter nach Thailand ging und als Energydrink-Unternehmer zurückkam, nachdem er einen Deal mit Erfinder Chalerm Yoovidhya gemacht hatte.

Vieles ändert sich mit dem Tod von Dietrich Mateschitz

Als Dietrich Mateschitz 2022 starb, hatte er sein Erbe geregelt: Sein Sohn übernahm die Anteile, während der Manager Oliver Mintzlaff das operative Geschäft leitete. Doch jeder Machtwechsel, so geordnet er auch wirkt, kann interne Kämpfe nach sich ziehen - vor allem für jene, die enge Verbindungen zum alten Regime hatten.

Horner etwa soll sich immer an der ständigen Präsenz von "Fahrerberater" Helmut Marko gestört haben - sozusagen als Aufpasser und verlängerter Arm von Mateschitz sen. im Werk. Nach dessen Tod brach ein hässlicher Machtkampf aus.

Die politischen Gräben traten offen zutage, als Horner Anfang vergangenen Jahres beschuldigt wurde, eine Mitarbeiterin zu sexuell übergriffigem Verhalten gezwungen zu haben. Details und angebliche Beweise, die normalerweise vertraulich geblieben wären, sickerten durch.


Die größten Formel-1-Skandale

Es entstand das Bild eines internen Stellungskriegs: Horner wollte Marko loswerden, während Max Verstappen und dessen Vater Jos loyal zu Marko hielten und klarmachten, dass sie bei dessen Abgang ebenfalls weg wären.

Es heißt, Mateschitz jun. stellte sich auf die Seite von Verstappen und Marko, während Horner die Unterstützung der Yoovidhya-Familie hatte - die er nun verloren hat.

Red Bull ist nicht mehr die Nummer eins

Seit Beginn des Skandals vor eineinhalb Jahren hat Red Bull seine Dominanz auf der Strecke eingebüßt, und alle Maßnahmen zur Rückkehr auf altes Niveau sind gescheitert. Ein zentrales Problem war die Unfähigkeit, ein Auto zu entwickeln, aus dem beide Fahrer regelmäßig das Maximum herausholen können.

Horner hat immer wieder heruntergespielt, dass diese Zeitachse mit Neweys Abgang zusammenfällt. Er stellte auch dessen Bedeutung fürs Projekt in Frage - eine Haltung, die bekanntlich ein Grund für Neweys Wunsch war, zu gehen.

Der Baum brennt, aber keiner riecht den Qualm

Wahrnehmung ist in der Politik wie in der Formel 1 entscheidend. Es wird immer schwerer, den Verbündeten zu verkaufen, dass alles gut läuft, wenn wichtige Leute das Team verlassen - neben Newey auch Sportdirektor Jonathan Wheatley und demnächst Strategiechef Will Courtenay, der zu McLaren wechselt -, das Auto schwankt, operative Fehler passieren (wie in Bahrain dieses Jahr) und der Starfahrer darüber lautstark motzt.

Dem zweiten Fahrer für alle Probleme die Schuld zu geben, war ebenfalls wenig überzeugend - Perez durch Liam Lawson zu ersetzen und Lawson dann nach zwei Rennen für Yuki Tsunoda fallen zu lassen, zeigte nur, wie unsinnig es ist, denselben gescheiterten Plan immer wieder zu wiederholen.

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Helmut Marko und Christian Horner in der Red-Bull-Garage Zoom Download

Vor diesem Hintergrund wurde Horners Position unhaltbar. Die Frage ist nun, ob Laurent Mekies wieder für Ordnung sorgen kann. Ein kluger Ansatz wäre, nicht dieselben Fehler zu wiederholen.

Was Mekies anders machen muss als Horner

Insider sagen, Horner sei überlastet gewesen, weil er zusätzlich zur Teamleitung auch noch das neue Motorenprojekt verantwortete und versuchte, seinen Einfluss auf die Technikabteilung auszuweiten.

Besser lief es, als er Wheatley das Team drillen ließ und Newey freie Hand für den technischen Umbau gab. Wenn ein Team unter deiner Leitung gewinnt, ist es leicht - egal wie viele Stunden du arbeitest - selbstgefällig zu werden und den Erfolg nur dir selbst zuzuschreiben.

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Doch wie Newey selbst oft über seine eigenen Autos gesagt hat, von denen einige nach seiner eigenen Einschätzung nicht gut waren: Wer den Ruhm für die Erfolge einheimsen will, muss auch die Verantwortung für die Misserfolge tragen. Diese acht Fahrertitel und sechs Konstrukteurstitel waren eine Teamleistung - und dieses Team ist nun zerbrochen.

Jetzt darf Mekies sein eigenes Kapitel in Red Bulls Geschichte schreiben. Und Horner wird wohl nicht lange ohne Job bleiben. Im Konzernumfeld ist es wie im Fußball: Führungskräfte kommen und gehen. Sie mögen das nicht gerne hören, aber sie sind nur Teile einer Maschine, die sich leicht austauschen lassen.

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