Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Max Verstappen
Mit seinem ersten "Doppelsieg" seit Sommer 2024 hat Max Verstappen das Fahrerlager aufhorchen lassen: Hat er doch noch eine Chance auf den WM-Titel 2025?
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
Er weiß es einfach, nicht wahr?
Man kann es Ego nennen, man kann es Selbstvertrauen nennen. Aber Max Verstappen weiß schlicht, dass er der beste Fahrer der Welt ist. Kaum jemand würde dem ernsthaft widersprechen. Manche würden es versuchen, doch nichts auf diesem Planeten erschüttert seine Überzeugung von seiner eigenen Überlegenheit. Es gibt viele sehr gute, ja sogar exzellente Fahrer in der Formel 1. Aber es gibt nur einen Max Verstappen.
"So richtig in einen Rhythmus bist du nicht gekommen. Vielleicht war das am Ende das Gute dran, dass niemand wirklich in einen Rhythmus gekommen ist", bemerkte er am Samstag mit einem leichten Lächeln, als er nach dem Qualifying in Baku vor die Medien trat.
Könnte Baku zur Wende in der WM werden?
Den Gedanken kann man für ihn vollenden: Je chaotischer es wird, desto mehr sticht seine Brillanz hervor. Je schwerer es für die anderen ist, desto leichter fällt es ihm, den Unterschied zu machen. Man denke nur an Brasilien vergangenes Jahr - das Rennen, das ihn in greifbare Nähe seines vierten Titels brachte. Alle anderen müssen tief durchatmen, wenn sie morgens am Hotelzimmerfenster den Regen sehen. Verstappen dagegen sieht darin die perfekte Bühne für einen weiteren Glanzauftritt.
Baku heißt nicht umsonst Stadt der Winde. Wer am Samstag fast zwei Stunden im Medienbereich wartete, während Garagenwände ächzten, Mülltonnen kippten und Schirme durch die Böen flogen, der spürte die unberechenbaren Kräfte dieses Ortes. Sechs Unfälle, sechs rote Flaggen, ständige Unterbrechungen - es war unmöglich, einen Rhythmus zu finden. Doch Verstappen braucht keinen Rhythmus. Er ist vom ersten Run eines Freien Trainings bis zur letzten Runde eines Rennens präsent, und so war es keine Überraschung, dass er am Ende nach einem Fehlerfestival die wichtigste Runde des Tages hinlegte.
Andrea Stella sprach am Samstagabend von einem "sehr ernstzunehmenden" WM-Kandidaten, als er Red Bulls Wiedererstarken kommentierte. Auf Nachfrage scherzte er sogar, man solle "JA" in Großbuchstaben schreiben. Und doch: Die Mathematik sagt nach dem Sieg am Sonntag noch immer "Nein, eigentlich nicht". Zu groß scheint der Rückstand, zu sicher wirkt McLarens Vormacht. Aber Verstappen sollte man niemals abschreiben.
Seine Saison war keineswegs makellos. Nach gutem Start fiel er zurück, und in Barcelona ließ er in einem unkontrollierten Wutausbruch gegen George Russell wertvolle Punkte liegen. Viele glaubten da, dass der Titelzug für ihn abgefahren sei.
Ist das Verstappens einzige Schwäche?
Doch Verstappens einzige wirkliche Schwäche ist vielleicht nur die Kehrseite seines Talents: dass er manchmal nicht akzeptieren kann, wenn seine Fähigkeiten allein nicht reichen. Seine extreme Überzeugung treibt ihn dazu, das Team anzuschreien, wenn es nicht mit seinem Tempo Schritt hält, oder sein Auto als "Monster" zu beschimpfen, wenn es schlicht zu langsam ist.
Doch ob 2025 oder später: Verstappen wird wieder Weltmeister werden. Denn es sind nicht nur Fans, die ihn für den Besten halten. Auch Rivalen und Teamchefs wie Toto Wolff. Der Mercedes-Boss würde Russells Loyalität sofort gegen die kleinste Chance eintauschen, Verstappen unter Vertrag zu nehmen.
Sogar Russell selbst erklärte schon in Bahrain: "Jedes Team will die beste Fahrerpaarung haben, und im Moment ist Max der beste Fahrer im Feld. Wenn irgendein Team die Chance hätte, Max zu verpflichten, es würde sie zu 100 Prozent ergreifen."
Verstappens Zukunft liegt damit allein in seinen Händen. Verträge hin oder her - am Ende entscheidet er selbst, wo er fährt. Sein Manager Raymond Vermeulen bestätigte in Baku lediglich das Offensichtliche: Red Bull muss ihn überzeugen, damit er bleibt. Spätestens 2027 wird Verstappen entscheiden, wo er fährt. Vielleicht sogar zeitweise in der Langstrecke, wenn die Formel 1 ihm nicht attraktiv genug erscheint.
Im Moment jongliert er beides: Am Freitag vor dem Qualifying telefonierte er noch mit den GT-Piloten seines Verstappen.com-Racing-Teams, anstatt akribisch Daten zu studieren. Später lachte er darüber, dass das lange Qualifying ihn davon abgehalten hatte, deren Sieg in Valencia zu sehen. Man traut Red Bull inzwischen fast zu, ihm nächstes Jahr Livestreams auf das Lenkrad-Display zu spielen. Nur, um ihn bei Laune zu halten.
Team Verstappen auf P2 in der Konstrukteurs-WM?
Auch wenn der WM-Titel wohl außer Reichweite ist: Verstappen kann Red Bull fast im Alleingang noch auf Platz 2 der Konstrukteurswertung hieven. Mercedes, Ferrari und Red Bull liegen eng beieinander. Und Verstappen ist das Pfund, das den Unterschied machen kann.
George Russell formulierte es am Sonntag unbedacht, vielleicht absichtlich: "Im Moment ist die Chance, dass Max uns schlägt, mindestens genauso groß wie die von Ferrari." Worauf Verstappen trocken korrigierte: "Red Bull, oder?" - "Ja, Team Verstappen!", lachte Russell. Ein Versprecher, der die Wahrheit trifft: Ohne Verstappen wäre Red Bull nichts.
Denn er ist es, der die Runden fährt, die Set-ups prägt, die Strategie-Entscheidungen durchdrückt. Er ist es, der den Unterschied macht, wenn andere wie Lando Norris Chancen liegen lassen.
Tage wie die in Baku bestätigen immer wieder: Verstappen liegt richtig, wenn er sich selbst für den Besten hält. Und er bleibt gelassen, selbst wenn 69 Punkte Rückstand bei sieben verbleibenden Rennen wohl zu viel sind, um den Titel zu verteidigen. Denn er weiß, dass er bald wieder Weltmeister sein wird.
Ob mit Red Bull oder einem anderen Team - Verstappen hält alle Karten in der Hand. Einfach, weil er ist, wer er ist: der beste Fahrer der Welt.
Euer Oleg Karpow