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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Max Verstappen
Max Verstappen ist nahe dran, der perfekte Formel-1-Fahrer zu sein - doch der Grand Prix von Spanien hat seine letzte verbliebene Schwäche aufgezeigt ...
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

© Fotomontage (ChatGPT)
Max Verstappen brennen die Sicherung durch: So karikiert ihn die KI ChatGPT Zoom Download
am späten Sonntagabend nach unserem Livestream auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de, und nachdem ich die wirklich köstlichen Vollkorn-Wraps mit HUPSI-Leberkas und Sriracha-Mayo verdrückt hatte (ANZEIGE: HUPSI-Leberkas im Glas jetzt mit fünf Prozent Rabatt bestellen und nach Hause liefern lassen!), erlaubte ich mir einen Spaß und gab bei ChatGPT folgenden Prompt ein: "Angenommen, man würde quasi in einem Labor den perfekten Formel-1-Fahrer künstlich erzeugen wollen, was käme wohl als Ergebnis dabei raus?"
Die Antwort, die ChatGPT mir gab, war: "Spannende Frage. Ein perfekter Formel-1-Fahrer aus dem Labor wäre eine idealisierte Mischung aus physischen, mentalen, technischen und sozialen Fähigkeiten", also "eine Art genetisch-psychologisch optimierte Synthese aus den Besten der Besten", oder "ein hybridisiertes Abbild aus Verstappen, Alonso, Hamilton, Senna und Vettel. Mit der analytischen Präzision eines Ingenieurs, der mentalen Stabilität eines Zen-Mönchs und dem Killerinstinkt eines Raubtiers."
Auf meine Nachfrage, welcher Fahrer der heutigen Generation am ehesten dem perfekten Fahrer entspricht, antwortete die KI: "Aktuell kommt Max Verstappen dem perfekten Formel-1-Fahrer am nächsten, wenn man die Kombination aus Fahrkönnen, Technikverständnis, mentaler Stärke und Konstanz betrachtet. Doch er ist nicht in allen Aspekten ideal."
ChatGPT nennt acht Schlüsselkriterien, die einen perfekten Formel-1-Fahrer ausmachen: Reaktionszeit, Strategieverständnis, Aggressivität, Fitness, Technik-Feedback, Charisma, Politikfähigkeit und Medienkompetenz. Ich persönlich bin der Meinung, Verstappen ist in all diesen Kategorien ganz vorne dabei.
Verstappens letzte verbliebene Schwäche
Aber der nahezu perfekte Formel-1-Fahrer, der in der jüngeren Vergangenheit hinlänglich bewiesen hat, warum er als Bester seiner Generation gehandelt wird, hat eine große Schwäche in all den Jahren noch nicht abgelegt: Wenn mal etwas nicht nach seinem Geschmack läuft, dann hat er eine ziemlich kurze Zündschnur. Wie der Grand Prix von Spanien in Barcelona eindrucksvoll bewiesen hat.
Die Theorie von Toto Wolff, dass Verstappen sich vielleicht nur in Stellung bringen wollte, um gleich nach Kurve 5 einen Konter gegen George Russell zu fahren und die Position direkt zurückzuholen, kann man vermutlich getrost in die Tonne klöppeln. Zumindest stützen die Telemetriedaten diese nicht.
Ausgangs Kurve 4 steigen zunächst sowohl Verstappen als auch Russell voll aufs Gas. Was an der Stelle auch dem üblichen Fahrverhalten entspricht. Doch dann nimmt Verstappen nicht nur den Fuß vom Gaspedal, sondern tritt sogar kurz auf die Bremse - was ziemlich eindeutig belegt, dass er zumindest für eine Millisekunde dem Ratschlag seines Renningenieurs Gianpiero Lambiase folgen wollte, Russell überholen zu lassen, um eine potenzielle Strafe zu vermeiden.
Was dann in Verstappens Kopf vorgegangen sein muss, bleibt ein Rätsel. Als Russell außen neben ihm war und selbst vom Gas ging, in Vorbereitung auf Kurve 5, drückte Verstappen seinen rechten Fuß plötzlich wieder voll durch. Und sein Lenkeinschlag sah aus der Helikopterperspektive verdächtig danach aus, als wollte er es auf die Kollision ankommen lassen.
"Wenn es so etwas wie 'Road-Rage' war - was ich mir nicht vorstellen kann, weil es zu offensichtlich wäre -, dann wäre das nicht gut", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Rennen. Er findet Verstappens Aktion "einfach unbegreiflich. Ich weiß aber nicht, was er sich dabei gedacht hat, und ich möchte nicht gleich draufhauen. Warten wir mal ab, was seine Argumente sind."
War es Absicht oder "nur" eine Affekthandlung?
Klar ist: Verstappen hat einen Fehler gemacht. Klar ist auch: Die Aktion in Kurve 5 war ein grobes Foul. Der springende Punkt ist aber: War es volle Absicht, Russell ins Auto zu fahren? Eine Affekthandlung in einem schwachen Moment? Oder doch einfach nur ein wahnsinnig unglücklicher, aber letztendlich unschuldiger Zufall?
Nicht nur Wolff, sondern die ganze Welt wollte am Sonntagabend von Verstappen hören, was er zu der Situation zu sagen hatte. Aber statt die Hand zu heben und einen Fehler einzugestehen, knurrte er in den Interviews nur kurz angebundene Antworten in die Mikros. Und die Frage aller Fragen, nämlich die, ob es nun Absicht war oder nicht, räumte er gleich mal trotzig ab: "Ist das nicht egal?"
Später meinte dann die Sky-Reporterin Rachel Brookes vor laufender Kamera, es sei "schrecklich" zu sehen, wie Verstappen seine eigene Strahlkraft als so unglaublicher Rennfahrer beschädige, worauf der nur meinte: "Ist das so?" Brookes fand schon, "für die Fans und für die Kinder, die zuschauen". Das war für Verstappen dann zu viel. Er pfauchte nur: "Gut, das ist dann deine Meinung." Und weg war er.
Unnötig Punkte in der WM weggeschmissen
Max Verstappen ist wahrscheinlich der beste Formel-1-Fahrer seiner Zeit. Er setzt Überholmanöver, die kein anderer kann. Er demoliert einen Teamkollegen nach dem anderen, fährt Poles, die ihm niemand zutrauen würde, und gewinnt Rennen mit einem unterlegenen Auto. Aber eins ist er nicht: ein guter Verlierer, der in Momenten der Niederlage Schadensbegrenzung betreiben und Fehler auch mal ehrlich zugeben kann.
Das, was gestern in Barcelona passiert ist, hat nicht nur seinem Ansehen geschadet, sondern auch seinem Punktekonto. Ohne die eiskalt-knallharte Racheaktion, die ihn letztendlich wegen der unvermeidlichen Zeitstrafe auf Platz 10 zurückgeworfen hat, wäre er mindestens Fünfter geworden, wahrscheinlich Vierter, und womöglich sogar Dritter. Und dann wäre sein Rückstand in der Fahrer-WM spürbar kleiner gewesen als die 49 Punkte, die er jetzt, nach neun von 24 Grands Prix, aufzuholen hat.
Dazu kommt: Mit elf Strafpunkten in den letzten zwölf Monaten ist er nur noch einen Schritt von einer Sperre entfernt. Die ersten beiden Strafpunkte verfallen am 30. Juni, also am Montag nach dem Grand Prix von Österreich. Oder, anders ausgedrückt: Passiert ihm zum Beispiel beim Red-Bull-Heimrennen in Spielberg am 29. Juni noch ein Malheur, muss er beim britischen Grand Prix in Silverstone zuschauen.
Vielleicht, flachsen manche, legt er es darauf ja sogar an. Spielberg ist immer eines der Highlights in Verstappens Rennkalender, wegen seiner "Orange Army", die Österreich als eine ihrer liebsten Partydestinationen für den Sommerurlaub auserkoren hat. Am Ende gewinnt dort meistens Verstappen, und danach fließt das Bier in Strömen, bevor sich hunderte Wohnwagen oft erst am Dienstag wieder in Richtung Holland bewegen.
Auf Silverstone ist Verstappen vermutlich weniger scharf. In der Heimat von Lewis Hamilton fliegen ihm die Herzen des Publikums nicht immer zu. Und statt Silverstone könnte er ja unter Umständen auf dem Nürburgring das NLS-Light-Vierstundenrennen fahren. Als Franz Hermann. Dass er 2025 noch eine realistische Chance hat, gegen die drückende McLaren-Übermacht Weltmeister zu werden, scheint er ja selbst nicht mehr zu glauben, wenn man einige seiner trotzigeren Interviews hört.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Verstappen letzte Nacht gut geschlafen hat. Sein Blutdruck war in Barcelona unüberhörbar erhöht, und ich halte es für wenig wahrscheinlich, dass er abends friedlich eingeschlummert ist, mit einem zufriedenen Gefühl und einem klaren Kopf.
Vielleicht ist es jetzt an Helmut Marko und Jos Verstappen, Max mal abkühlen zu lassen, ihn zur Seite zu nehmen und ihm zu erklären, dass er mit dem Rammstoß von Barcelona nicht in erster Linie George Russell geschadet hat (was womöglich Sinn der Sache war) - sondern letztendlich vor allem sich selbst.
Und vielleicht gelingt es so, auch die letzte verbliebene Schwäche abzulegen. Bis die KI meine eingangs formulierte Frage irgendwann damit beantwortet, dass ein perfekter Formel-1-Fahrer aus dem Labor einfach ein Abbild von Max Verstappen wäre.
Euer
Christian Nimmervoll
Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.