• 22. September 2025 · 06:18 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Oscar Piastri

Ob Oscar Piastri im Klappstuhl in Baku dran denken musste, wie sein Manager Mark Webber in Südkorea 2010 seine einzige Chance auf die Formel-1-WM versenkt hat?

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Oscar Piastri hat nach Baku immer noch 69 Punkte Vorsprung auf Max Verstappen Zoom Download

Oscar Piastri ist, das weiß man inzwischen, kein Mann der großen Worte. Als er seinen McLaren gleich in der ersten Runde des Grand Prix von Aserbaidschan versenkt hatte, fragte ihn sein Renningenieur am Boxenfunk: "Oscar, bist du okay?" Was der mit einem gelassenen "Yeah" beantwortete. Und schwupps, schon war er ausgestöpselt.

Aber: Dass er danach nicht direkt zum sogenannten TV-Pen marschierte, um sich dort den Fragen der Journalisten zu stellen, war ungewöhnlich. Vielleicht war es dann doch selbst dem coolen Piastri unangenehm, es derart vermasselt zu haben? Er schnappte sich einen Klappstuhl und ein Handy, machte es sich an der Unfallstelle hinter dem Zaun gemütlich, und schaute Max Verstappen dabei zu, wie dieser 25 Punkte von seinem Rückstand wegknabberte.

Bilder, von denen Piastri wahrscheinlich hofft, dass wir sie am Jahresende nicht als ikonisch bezeichnen werden. Weil wir das wohl nur tun werden, wenn er in Kurve 5 in Baku die Weltmeisterschaft verloren hat.

Erinnerungen an Südkorea 2010

Was ihm dort, hinter dem Zaun, wohl durch den Kopf gegangen sein mag? Ob er sich vielleicht an seinen Manager Mark Webber erinnert hat, der 2010 als WM-Führender zum drittletzten Grand Prix in Südkorea kam, sich aber an zweiter Stelle liegend im strömenden Regen drehte und dort wohl den Titel versenkte?

Es gibt einige Parallelen zwischen Piastri 2025 und Webber 2010. Etwa, dass beide zum ersten Mal in ihrer Karriere die Chance haben, Formel-1-Weltmeister zu werden. Und sowohl 2010 bei Red Bull als auch 2025 bei McLaren war eigentlich jeweils der andere Fahrer der, den die meisten Experten eher als denjenigen auf dem Zettel hatten, der es am Ende gewinnen soll. Sebastian Vettel damals, Lando Norris heute.

Aber es gibt auch einen ganz entscheidenden Unterschied: Vor 15 Jahren war Webber, heute Piastris Manager, auch deswegen Führender der Fahrer-WM, weil die Saison ein bisschen glücklicher für ihn gelaufen war. Auch wenn es Red-Bull-intern niemand so direkt aussprechen wollte, aber dass auf lange Sicht Vettel die erfolgreichere Karriere haben würde, war sowohl Christian Horner als auch Helmut Marko klar.

Zumindest ich finde, bei Piastri vs. Norris ist die Zukunft, wer als der Bessere in die Geschichte eingehen wird, noch nicht in Stein gemeißelt. Und Piastri bringt auch das Selbstvertrauen mit, sich auf seine eigene Stärke zu verlassen. Das hatte Webber seinerzeit offenbar nicht. Er forderte teamintern, dass man sich auf ihn konzentrieren sollte.

Das lehnte "Oberbulle" Dietrich Mateschitz aber ab: "Bei Red Bull gibt es keine Teamorder. Es soll und wird derjenige gewinnen, der weniger Fehler macht und der Schnellere ist." Und das war letztendlich eben dann doch nicht Webber, obwohl es zwischenzeitlich so schien, als habe er eine Hand schon am Pokal. Sondern Vettel. Der "Weltmeister"-Funkspruch vom dramatischen Saisonfinale in Abu Dhabi ist bis heute legendär.

Webber war nur die Nummer 1B

Ich erinnere mich noch gut an Red Bulls Weltmeister-Pressekonferenz am Hangar-7 am 16. November 2010. Für Vettel marschierte die Blasmusik auf, alles drehte sich nur um ihn, und selbst bei der offiziellen Fragerunde saß Webber zwar dabei, aber niemand interessierte sich für ihn. Ich saß im Publikum, und er tat mir fast ein bisschen leid.

Ich war dann der Erste, der ihm und nicht Vettel eine Frage stellte, weil nämlich im allgemeinen Vettel-Hype keinem Menschen aufgefallen war, dass Webber die entscheidenden Sekunden in der Phase der Boxenstopps ausgerechnet hinter Jaime Alguersuari im Schwesterteam Toro Rosso verloren hatte.


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Dass das überhaupt jemandem aufgefallen war, schien Webbers Laune kurzzeitig zu erhellen. Sonst wirkte er an jenem Tag aber wie ein Fremdkörper auf Vettels Party. Der Verdacht, dass Red Bull Vettel zwar nicht aktiv bevorteilt, aber insgeheim doch ein bisschen mehr liebt als ihn, war latent. Und die WM-Party am Hangar-7 trug wenig dazu bei, diesen zu entkräften.

Sollte Piastri sich insgeheim auch ein bisschen wie die insgeheime Nummer 1B von McLaren fühlen, dann versteckt er das bisher gut. Es wäre ihm nicht zu verdenken, hegen doch viele Fans den Verdacht, dass es McLaren-CEO Zak Brown ein kleines bisschen lieber wäre, wenn der bei McLaren groß gewordene Junior Norris am Ende Weltmeister werden sollte. Ohne zu behaupten, dass dem wirklich so ist.

Nur um das klarzustellen: Selbst wenn Brown insgeheim eine Präferenz haben sollte, spielt dies bei McLaren 2025 keine Rolle. Die "Papaya-Rules" und die operative Führung von Andrea Stella sind so professionell und klar, dass kein Raum für Bevorzugung und Benachteiligung bleibt. Und irgendwie liebt Zak dann ja wahrscheinlich doch alle "Men and Women of McLaren" gleich.

Wie Piastri das schwarze Wochenende wegsteckt

Piastri machte nach seinem Malheur von Baku nicht den Eindruck, als laufe er Gefahr, dass ein vermasseltes Wochenende seine psychologische Rüstung brechen könnte. Norris hatte sein Zandvoort (wenn auch nicht selbstverschuldet), er hat jetzt halt sein Baku. Abklopfen, weitermachen. "Es passiert mir selten, dass ich so viele Fehler mache", sagte er, als er dann doch irgendwann im TV-Pen eintrudelte. "Ich bin aber sehr darauf fokussiert, das hinter mir zu lassen."

Stellas Angst, dass Verstappen jetzt doch noch zur großen Gefahr werden könnte, teile ich übrigens nicht. 69 Punkte in der Fahrer-WM sind immer noch eine Menge Holz, bei nur sieben verbleibenden Rennwochenenden. Zumal der Red Bull zwar in Monza und Baku aus eigener Kraft voll siegfähig war, aber die Wahrscheinlichkeit, dass das auch in Singapur so weitergeht, auf einer ganz anders gestrickten Strecke, gering ist.

Verstappen kann die restlichen sieben Grands Prix also relaxt angehen. Er wird am kommenden Wochenende wieder am Nürburgring aufschlagen, um dort NLS zu fahren. Bei ihm ist kein Druck auf dem Kessel. Weltmeister war er schon mal, und wenn's 2025 nicht zum fünften Mal klappt, würde das niemand als verlorene Chance abspeichern. Er kann nur gewinnen. Dementsprechend locker und unbeschwert kann er die restlichen Rennen angehen.

Beginnen Piastris Nerven jetzt zu flattern?

Das freilich - und das ist die einzige Minichance, die Verstappen hat - ist bei McLaren ganz anders. Weder Norris noch Piastri wissen, wie das ist, wenn dann im Endstadium eines WM-Kampfs vielleicht doch die Nerven zu flattern beginnen. Wenn man mal weiter hinten steht, dann noch ein Fehler passiert, und man dann vielleicht crasht, weil man das Malheur schnell wieder gutmachen möchte.

Baku war ein Ausrutscher von Piastri. Zwei Crashs an einem Wochenende, und noch ein Frühstart zum Drüberstreuseln, das passiert dem 24-Jährigen normalerweise nicht. Aber lass in Singapur nochmal irgendwas sein (und das geht auf dem engen Stadtkurs schnell!), und schon beginnen die Nerven mächtig zu flattern.

69 Punkte sind ein beruhigendes Polster, solange man das schnellste Auto der Formel 1 hat. Aber ich wette: Bei 44 wittert dann auch Verstappen die Chance, eine historische Aufholjagd hinzulegen. Und Verstappen kann wie ein Rottweiler sein, mit einem ziemlich scharfen Gebiss, wenn er den Braten mal gerochen hat.

Heißt für Piastri: Er darf bei Verstappen und Red Bull gar nicht erst Hoffnung aufkeimen lassen, denn dann wird's tatsächlich gefährlich. Sondern muss diese gleich im Ansatz ersticken. Am besten mit einem Sieg in Singapur. Dann redet nämlich in zwei Wochen keiner mehr von Baku. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er seinem Manager am Saisonende eine gewonnene WM voraushaben wird, wäre dann sehr, sehr hoch.

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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