• 07. Dezember 2020 · 08:45 Uhr

Andrew Shovlin: Mercedes-Boxencrew "hat keinen Fehler gemacht"

Andrew Shovlin erklärt: Wie ein Fehler in der Funksoftware dazu geführt hat, dass die Crew von George Russell eine Nachricht von Ron Meadows nicht hören konnte

(Motorsport-Total.com) - Neben der herausragenden Leistung von Hamilton-Ersatzmann George Russell und dem märchenhaften Sieg von Sergio Perez gibt es nach dem Grand Prix von Sachir in Bahrain (Fragen & Antworten zum Rennen!) vor allem ein Thema, das die Formel-1-Fans beschäftigt: Wie konnte der Doppelstopp des sonst so perfekt orchestrierten Mercedes-Teams in einem derartigen Chaos enden?

Foto zur News: Andrew Shovlin: Mercedes-Boxencrew "hat keinen Fehler gemacht"

Der Doppelstopp des Mercedes-Teams endete in einem einzigen Chaos Zoom Download

Vorweg: Ganz genau weiß das so kurz nach dem Rennen noch nicht einmal das Team selbst. Klar ist Stand Sonntagabend so viel: "Georges Seite der Garage hat die Nachricht für den Boxenstopp nicht gehört. Der Funk hat nicht funktioniert", erklärt Teamchef Toto Wolff. "Und dann kamen plötzlich die falschen Jungs mit den falschen Reifen raus."

Bei Russell wurden die falschen Vorderreifen montiert, nämlich die, die eigentlich für Valtteri Bottas, der direkt hinter ihm auf seinen Boxenstopp wartete, vorgesehen waren. Damit nahm das Chaos seinen Lauf.

"Als Valtteris Reifen nicht da waren, wurde uns sofort klar, dass die an Georges Auto sein müssen. Also haben wir Valtteri auf seinen gebrauchten Reifen gelassen, damit er zumindest wieder rausfahren kann. Und wir wussten, dass wir George noch einmal reinholen müssen", erklärt Wolff, der das Geschehen aus nächster Nähe beobachtete.

Shovlin erklärt: Wo lag der Fehler im System?

Aber die große Frage, die sich stellt, ist: Warum hat die Russell-Crew den Funkspruch von Sportdirektor Ron Meadows, dass die beiden Autos während der Safety-Car-Phase gleich zu einem Sicherheits-Doppelstopp reinkommen werden, nicht gehört?

"Wir hatten noch nicht genug Zeit, um mit absoluter Sicherheit zu verstehen, was da schiefgelaufen ist", gibt Andrew Shovlin, der Leitende Renningenieur des Teams, zu. Man habe aber inzwischen immerhin eine "smoking Gun", also einen entscheidenden Hinweis, gefunden.

"Das hat damit zu tun, wie unser Funksystem Nachrichten priorisiert", erklärt er. "Das System weiß normalerweise, dass es die Nachrichten von Ron priorisieren muss. Denn dass die Reifen bereitliegen, ist das Allerwichtigste - noch wichtiger als das, was vielleicht ein Fahrer oder wer anderer in der Crew in dem Moment gerade sagt."


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"Es gibt da eine Phase, in der das System entscheidet, die priorisierte Nachricht durchzulassen. Aber irgendwie ist ein entscheidender Teil der Nachricht nicht angekommen, und es sieht danach aus, dass die Hälfte der Jungs, die die Reifen bereitlegen, sie gar nicht bekommen hat, die andere Hälfte aber schon. Also kamen die Autos rein, als in der Box noch gar nicht alle Reifen bereitlagen."

Der erste Verdacht lautet also dahingehend, dass die Software, die bei Mercedes darüber entscheidet, welcher Funkspruch ans Intercom geht und welcher im Zweifel nicht ausgespielt wird, eine fehlerhafte Priorisierung getroffen hat. Zumindest kam der wichtigste Funkspruch in dem Moment, jener von Meadows, dass und wie sich die Crews bereitmachen sollen, nicht bei allen an.

"Wir haben eine 'smoking Gun' gefunden", sagt Shovlin. "Jetzt müssen wir alle Logdateien durchgehen, wie das genau abgelaufen ist. Wenn wir das vollständig verstehen und ein paar der Fragen beantwortet haben, die Stand jetzt noch offen sind, dann können wir uns überlegen, welche Lösung wir für Abu Dhabi implementieren müssen."

Shovlin: "Sieht so aus, als hätten wir keine Ahnung"

Dass nach dem Funk-Malheur Chaos in der Mercedes-Box herrschte, war eine unausweichliche Konsequenz. "Da sieht es so aus, als hätten wir keine Ahnung, was wir da tun", weiß Shovlin. "Aber letztendlich war die Ursache dafür, dass eine sehr wichtige Nachricht einfach nicht angekommen ist."

"Bei Valtteri haben die Reifen von einem Satz gefehlt", erklärt er. "Da entsteht dann ein anderes Problem, weil du einen Haufen Jungs hast, die nicht miteinander sprechen können, weil sie keine aktive Funkausrüstung mit sich tragen. Und wenn die dann in so einer Situation versuchen, irgendwie zu durchschauen, welche Reifen wo hingehören, haben sie keinerlei Möglichkeit, untereinander zu kommunizieren."


Toto Wolff: So hat er das Boxenstopp-Chaos erlebt

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"Letztendlich haben wir dann entschieden, es einfach sein zu lassen und die harten Reifen, auf denen Valtteri war, draufzulassen, damit er wenigstens aus der Box fahren kann", schildert Shovlin. Als Bottas mitgeteilt wurde, dass er immer noch auf dem gleichen Reifensatz ist, war er nicht begeistert, aber gefasst: "Warum?", fragte er nur, ganz sachlich im Ton. "Das besprechen wir später, Valtteri."

Davor hatte die Mercedes-Crew wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen gewirkt, ein bisschen wie Ferrari in seinen "besten" Zeiten. Shovlin muss fast grinsen, wenn er sagt: "Es war ein einziges Chaos. Wenn man es von außen sieht, ist es für ein Weltmeister-Team wirklich hart, sich das anschauen zu müssen. Fällt schwer, sich dabei nicht unwohl zu fühlen."

Was sicher nicht geholfen hat: "Es war sehr wenig Zeit zwischen dem Safety-Car-Call und dem Zeitpunkt, als George an die Box kam", unterstreicht Shovlin. Gleichzeitig hält er fest: "Die Boxencrew hat keinen Fehler gemacht. Wenn solche Nachrichten verloren gehen, kollabiert das System."

Der arme Bottas hatte zunächst keine Ahnung, wie ihm geschah, als ihm erst Mediums gegeben, die dann aber wieder auf seinen alten Hard-Satz zurückgewechselt wurden. Und weil die Standzeit so lange dauerte, begannen dabei auch noch seine Bremsen zu brennen. Das war aber das geringste Problem. Mit ein bisschen Fahrtwind hatte sich das erledigt.

Warum Mercedes den Stopp überhaupt gemacht hat

"Wie erklärst du das Gefühl, wenn du zu einem Boxenstopp kommst und nach dem Boxenstopp wieder mit dem gleichen gebrauchten Reifensatz rausfährst, den du davor schon hattest, und deswegen Positionen verlierst?", seufzt der Finne, der danach für seine Gegner mit frischeren Reifen Kanonenfutter war. "War ein schwerer Fehler vom Team, aus dem wir lernen werden."


George Russell: "Ich kann es nicht in Worte fassen"

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Die Ironie an der Geschichte ist: Mercedes hätte sich den chaotischen Doppelstopp auch einfach sparen können. Die Hards, die zu dem Zeitpunkt bei Russell und Bottas montiert waren, wären locker gut genug gewesen, um damit bis zum Ende durchzufahren. Und der Mercedes schnell genug, um sich gegen Konkurrenten mit frischeren Reifen zu verteidigen.

"Im Nachhinein ist man schlauer", räumt Shovlin ein. "Aber ein Rennteam sollte keine Angst davor haben, einen Boxenstopp einzulegen. Auch nicht unter Druck. Wir machen hunderte Boxenstopps in den Rennen, auch unter großem Druck, immer wieder. Auch Doppelstopps. Die gehen alle gut. Und die Qualität, solche Stopps hinzubekommen, hat schon oft Rennen für uns gewonnen."

"Der Stopp war eine reine Vorsichtsmaßnahme, um die besten Reifen im Feld zu haben. Das hätte die Führung konsolidiert, wenn es geklappt hätte. Im Nachhinein betrachtet wäre es toll gewesen, das Rennen mit den Reifen zu gewinnen, die wir ohnehin draufhatten. Aber wir müssen dazu in der Lage sein, solche Stopps ohne Probleme zu absolvieren."

"Das hätte uns in den vergangenen drei Jahren in jedem beliebigen Rennen passieren können. Oder auch im ersten Rennen nächstes Jahr. Da ist was, das steckt im System. Es war unheimlich bitter für die Fahrer, und besonders bitter für George, dass wir darauf gerade heute gestoßen sind. Aber es hätte uns auch zu einem anderen Zeitpunkt treffen können."

Jetzt hat Mercedes ein paar Tage Zeit, bis Abu Dhabi alle Informationen zu studieren und eine schnelle Lösung zu implementieren: "Wir müssen sicherstellen, dass wir das verstehen. Wie bei jeder anderen Fehlersuche werden wir uns auf die Ursache konzentrieren und nicht auf das ganze andere Chaos drumherum", betont Shovlin.

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