Wie Formel-1-Teams Upgrades tatsächlich produzieren: Die fünf Schritte
Das Design und die Weiterentwicklung eines Formel-1-Teams ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Teams - Doch wie entsteht eigentlich ein Upgrade?
(Motorsport-Total.com) - Wie entsteht bei einem Formel-1-Team im Jahr 2025 eigentlich ein Upgrade für das Auto? Während die Rennställe neue Frontflügel und Upgrades für den Großen Preis von Spanien in Barcelona vorbereiteten, durften wir bei Racing Bulls einen Blick hinter die Kulissen geworfen, um herauszufinden, wie die neuen Teile eigentlich entstehen.
Das aktuelle Reglement hat im Laufe der Zeit zu einem so engen Feld geführt wie nie zuvor. Ein kleines Upgrade kann heute den Unterschied zwischen WM-Punkten und einem Aus in Q1 ausmachen. In Kombination mit den anspruchsvollen Ground-Effect-Autos sowie strikten Budget- und Aero-Testbeschränkungen bedeutet das: Der Spielraum für Fehler in der Entwicklung ist minimal. Jeder Schritt muss sitzen - und jede Abteilung ist Teil des Prozesses.
Das gilt auch für das Team, das inzwischen unter dem Namen Racing Bulls antritt. In den vergangenen 18 Monaten war es mal auf der einen, mal auf der anderen Seite des Mittelfelds zu finden. Abgesehen von Antriebseinheit, Getriebe und Fahrwerk - die von Red Bull stammen - wird bei Racing Bulls alles in Eigenregie entwickelt. Über 500 Mitarbeitende in Faenza und weitere 200 am Standort in Milton Keynes sind an der Entwicklung beteiligt. Dort beginnt die fünfstufige Reise von der Aerodynamik-Idee bis zum Einsatz auf der Strecke.
Schritt 1: Aerodynamik
Jedes Aero-Upgrade beginnt mit einer Idee, entwickelt von den Aerodynamikern - bei Racing Bulls größtenteils am Standort Milton Keynes, der Zugang zum Red-Bull-Windkanal bietet. Dort werden auch im verkleinerten Maßstab (60 Prozent) die Windkanal-Modelle aller neuen Aero-Bauteile gebaut. Faenza bleibt ebenfalls Teil des Konzepts, dank eines neuen standortunabhängigen Arbeitsmodells.
Im Zeitalter des Budget-Caps müssen Teams disziplinierter mit Ideen umgehen - sowohl finanziell als auch wegen begrenzter CFD- und Windkanalkapazitäten. Die Lösung: präzisere und effizientere Entwicklungsmethoden.
"Der erste Schritt im Prozess ist die CFD-Bewertung", erklärt Matteo Piraccini, Operations-Director bei Racing Bulls, bei einem Rundgang durch das Werk in Faenza. "Wenn wir mit zehn Aeroformen starten, schaffen es zwei oder drei in den Windkanal. Am Ende sammeln wir alle Daten und entscheiden, welche Variante die beste ist."
Dabei arbeiten die Aero-Teams eng mit der Vehicle-Performance-Group (VPG) zusammen. Sie simulieren, ob ein Aero-Bauteil tatsächlich einen Netto-Performancegewinn auf der Strecke bringen könnte. Denn: Aero-Werte sind nur Zahlen - die Umsetzung auf der Strecke ist entscheidend. Streckencharakteristiken, Fahrzeugbalance und Bodenwellen wie in Barcelona fließen ebenfalls in die Entscheidung ein.
Abhängig vom Umfang des Updates wird die Entscheidung für die Umsetzung - der sogenannte "Aero-Release" - entweder von Performance-Managern oder bis hinauf zum technischen Direktor getroffen. Dieser Schritt aktiviert das Designbüro. Dabei geht es nicht nur um Performance, sondern auch um Timing: Für Monaco beispielsweise setzen Teams auf High-Downforce-Flügel, während in Baku Low-Downforce gefragt ist.
Schritt 2: Design
Die entworfenen Aeroformen gelangen aus Milton Keynes ins Designbüro in Faenza. Dort verwandeln Designer die Konzepte in fertige Bauteile - mit Hilfe von CAD-Tools und strukturellen Simulationsprogrammen. Zum Beispiel müssen für Barcelona neue, steifere Frontflügel entwickelt werden, um den verschärften Belastungstests des Automobil-Weltverbandes FIA standzuhalten.
"In der Design-Spezifikation stehen die Aero-Anforderungen, aber auch Vorgaben zur strukturellen Integrität und Reglementkonformität", erklärt Piraccini. "Karosserie ist einfacher - sie muss nur die legalen Maße einhalten. Bei strukturellen Teilen wie Flügeln und Böden muss die Konstruktion Belastungen standhalten und die FIA-Tests bestehen."
Zudem müssen im Designprozess Kühlsysteme, Kabelbäume und Sensoren (über 200 an der Zahl) berücksichtigt werden. Auch die Werkzeuge und Formen zur Herstellung der Carbon-Bauteile werden mitentwickelt - bei einem neuen Unterboden also auch die passende Negativform.
"Deshalb arbeiten unsere Designer in Echtzeit am virtuellen Mock-up des Autos", so Piraccini weiter. "Wenn ein Team am Unterboden arbeitet und ein anderes an der Karosserie, aber beide nicht synchronisiert sind, dann passt der Unterboden am Ende nicht zum Bodywork - und das kostet Effizienz."
Schritt 3: Produktion
Der Ablauf ist keineswegs linear. Die Produktion startet, bevor die finale Designspezifikation steht - ein essenzieller Punkt, um die sogenannte "Time-to-Race" zu verkürzen: die Zeit vom Aero-Konzept bis zum ersten Einsatz am Auto.
"Ein Frontflügel besteht aus mehreren Teilen. Wenn die Hauptplatte freigegeben ist, beginnen wir mit der Produktion, noch bevor alle Details fertig sind", sagt Piraccini. Die Produktionsleitung fungiert dabei wie ein Dirigent, der Informationen und Timing koordiniert.
Die Herstellung von Carbonteilen erfolgt im "Clean-Room": Dort werden Carbonfasermatten mit Harz laminiert, das sogenannte "Wet-Ply". Staub oder Partikel könnten im späteren Einsatz zu Rissen führen - absolute Sauberkeit ist Pflicht.
Danach wandert das Bauteil in den Autoklaven - einen Hochdruckofen mit Temperaturen zwischen 100 und 250 Grad und Druck von bis zu sieben Bar. Dort härtet das Material aus und erhält seine typischen Festigkeitseigenschaften. Anschließend folgt die erste Prüfung, bevor das Teil zugeschnitten und poliert wird.
Wie viele Ersatzteile produziert werden, hängt vom Risiko ab. "In Monaco wissen wir, dass es krachen kann - da bauen wir vier oder fünf Heckflügel. Bei anderen Strecken reichen ein oder zwei. In Barcelona ist es aber ein Pflicht-Upgrade - da darf nichts schiefgehen."
Schritt 4: Qualität
Im vierten Schritt prüft die Qualitätsabteilung die fertigen Bauteile. Neben der Maßhaltigkeit wird auch die strukturelle Integrität überprüft - entweder mit zerstörenden Tests (DVP), oder mit Non-Destructive-Testing (NDT). Jedes Teil muss vor dem Einsatz am Auto bestehen - etwa auch die neuen Frontflügel in Barcelona.
Doch auch hier ist der Ablauf nicht starr. "Die Qualitätsabteilung ist schon in der Produktionsphase involviert. Je früher wir ein Problem erkennen, desto besser. So vermeiden wir, dass wir von vorn beginnen müssen", sagt Piraccini. Auch im Betrieb wird regelmäßig geprüft - etwa nach gewisser Laufleistung, um sicherzustellen, dass äußere Einflüsse keine Schäden hinterlassen haben.
Schritt 5: Montage
Am Ende steht die Montage: Teilbaugruppen wie Fahrwerkseinheiten oder komplette Frontflügel werden zusammengesetzt. Während unseres Besuchs entsteht gerade der neue Imola-Unterboden, verkabelt und bereit für den Einsatz - Fotos verboten, versteht sich.
Anschließend wandern die Baugruppen in die Werkstatt, wo sie mit Lackierung und Sponsorlogos versehen werden. Meist werden Autos in Einzelteilen zur Strecke transportiert und dort final aufgebaut. Aber vor Imola - nur 20 Minuten von Faenza entfernt - werden die Boliden von Isack Hadjar und Liam Lawson schon komplett im Werk zusammengebaut. Ein Heimvorteil.
Wie sich der Prozess verändert hat
Deutlich wird: Der Entwicklungsprozess gleicht einer präzise abgestimmten Choreografie, bei der Zeit und Ressourcen auf ein Minimum reduziert werden. Möglich wird das durch straffere Kommunikation, Digitalisierung und die Verzahnung aller Bereiche - von CFD über Fertigung bis zur Montage.
Das Mantra ist das gleiche wie auf der Rennstrecke: Jede Millisekunde zählt.