Brawn über Traditionsrennen: "Wir werden nicht kampflos aufgeben"
Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn im Gespräch über Verträge mit Traditionsrennstrecken und mögliche Änderungen am Wochenendformat
(Motorsport-Total.com) - Fünf Grand-Prix-Veranstalter haben derzeit noch keinen Vertrag für ein Rennen 2020, darunter allesamt altehrwürdige Strecken: Monza, Hockenheim, Silverstone, Mexiko und Barcelona. 'Motorsport-Total.com' hat Formel-1-Sportchef Ross Brawn damit konfrontiert und hinterfragt, wie die Chancen auf eine Verlängerung der Verträge stehen. Müssen die Fans etwa um die Rennen in Kernmärkten wie Großbritannien, Italien oder Deutschland fürchten?
"Wenn man nur daran denkt, welche Verträge wir in den letzten 18 Monaten verlängert haben", beginnt Brawn das Formel-1-Management (FOM) zu verteidigen. Mit Vietnam hat man außerdem einen neuen Grand Prix in den Kalender aufgenommen. "Viele Rennen haben wieder unterschrieben." Allerdings ist dem ehemaligen Mercedes-Teamchef auch bewusst, dass die Formel 1 vor allem in ihren Kernmärkten existiert.
"Es stimmt, es gibt eine Gruppe von Rennen, die für die Formel 1 sehr wichtig ist. Das sind historische Rennen, die wollen wir kampflos auf keinen Fall verlieren. Wir werden versuchen, Lösungen zu finden. Aber wie man weiß, ändern sich die Umstände der Promoter und denen kann man nicht immer gerecht werden", gibt der Brite zu bedenken. Als Beispiel zählt er den spanischen Kurs in Barcelona auf, dort sei die Lage "schwierig".
Wochenendformat: Liberty will Trainings am Freitag halten
"Das haben wir uns nicht ausgesucht und wir versuchen, uns daran anzupassen." Allerdings müsse Liberty auch fair allen anderen Veranstaltern gegenüber handeln, vor allem was den Betrag angeht, den ein Land zahlen muss. Während sich viele Promoter erst zu Jahresbeginn kritisch über die neuen Rechteinhaber geäußert haben, versucht Brawn, Optimismus zu verbreiten. "Ich glaube, wir werden Lösungen finden, aber wir müssen alle hart zusammenarbeiten."
Fotostrecke: Neue Formel-1-Strecken seit 2000
24.09.2000: Grand Prix der USA in Indianapolis. Das erste Premierenrennen der Formel 1 nach der Jahrtausendwende ist eigentlich keines. Einen Großen Preis der USA hatten schon mehrere Rennstrecken ausgerichtet, und zwischen 1950 und 1960 zählte das Indianapolis 500 zur Formel 1. Doch 2000 gingen die Piloten erstmals auf der 4,129 Kilometer langen Strecke an den Start, die das berühmte Oval mit einem Straßenkurs verbindet. Fotostrecke
Nicht nur die Austragungsorte, sondern auch das Format des Rennwochenendes an sich wurde in der Vergangenheit heftig diskutiert - von Sprintrennen bis hin zu Zweitageswochenenden. Feststeht, dass Liberty an "kleineren" Änderungen arbeitet, wie Brawn bestätigt. Diese wolle man "sukzessive" einführen. Allerdings vergleicht der Offizielle die Änderungen eher mit einer Evolution als mit einer Revolution.
"Es gibt ein paar sehr gute Dinge, die wir einführen können, die dann einen schonenden Übergang in die richtige Richtung darstellen werden. Wir arbeiten unter anderem daran, das Wochenende für die Teams effizienter zu gestalten. Denn sie kommen am Dienstag oder Mittwoch an, um alles vorzubereiten. Ich denke da gibt es Möglichkeiten, das Wochenende zu kürzen, ohne die wahre Laufzeit auf der Strecke zu kürzen", bringt Brawn ein Beispiel. Denn Liberty macht deutlich, dass man an den Trainings am Freitag und Samstag festhalten möchte.
Brawn will Arbeitszeit der Teams beschränken
Allerdings wird man sich anschauen, ob die Arbeitszeit der Teams beschränkt werden kann. "Etwa die Parc-ferme-Regelung erweitern oder die Nachtruhe, oder aber auch die Zeit der Teams beschränken, in der sie zur Strecke kommen können. Das würde alles effizienter machen", zählt Brawn auf. Hintergedanke dabei ist, dass die Arbeitslast der Teams am Rennwochenende verringert wird, um insgesamt mehr Rennwochenenden abhalten zu können.
"Ich glaube also, wir können ein paar Dinge verbessern, in der Art und Weise wie die Teams operieren. Und das unterstützen auch alle, solange man vernünftige Argumente dafür hat", betont der 64-Jährige. "Wir werden diese Änderungen nicht morgen umsetzen, da die Teams aufgrund ihrer Struktur eben Zeit brauchen, um sich zu entwickeln."
Der ehemalige Ferrari-Technikchef und Brawn-Eigentümer erinnert sich noch an die Einführung der Parc-ferme-Regelung. "Leute haben behauptet, dass Fahrer getötet werden würden. Das war eine so emotionale Debatte. Aber ich denke, wir alle haben daraus gelernt. Das hat die Autos sogar noch zuverlässiger gemacht." Brawn setzt daher auf "sanfte Verbesserungen", wie er die Änderungen nennt. "Ich kann nicht viel sagen darüber, aber man wird diese in den nächsten 18 Monaten sehen."