Kommentar: Elkanns "Abrechnung" macht es nur schlimmer
Warum John Elkann Ferrari mit seinen Aussagen keinen Gefallen getan hat und wieso er wohl noch nicht verstanden hat, wie man mit Lewis Hamilton umgehen muss
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
es hat sich offenbar etwas aufgestaut bei Ferrari. Dass der Wechsel von Lewis Hamilton zur Scuderia bislang nicht die ganz große Erfolgsgeschichte ist, das ist kein Geheimnis. Trotzdem waren beide Seiten stets bemüht, Ruhe zu bewahren - bis jetzt.
Nach dem 21. Rennen der Saison 2025 - dem 21., bei dem Hamilton wieder nicht auf dem Podium stand - platzte Ferrari-Präsident John Elkann der Kragen. Und es liegt die Vermutung nahe, dass ein Hamilton-Interview mit den britischen Kollegen von Sky der Auslöser dafür gewesen sein könnte.
Hamilton bezeichnete seine vergangenen Wochen und Monate bei der Scuderia als "Albtraum", was mein Kollege Norman Fischer gestern bereits zum Anlass genommen hat, den Briten nach dem Brasilien-Grand-Prix "schlecht schlafen" zu lassen. Soweit nichts Neues.
Im Laufe des Montags folgte dann allerdings die mutmaßliche Reaktion von Elkann - und die hatte sich gewaschen. "Sicher haben wir Fahrer, die sich mehr aufs Fahren konzentrieren und weniger reden sollten", so Elkann gegenüber den italienischen Kollegen von Sky. Rumms!
Während Hamilton, Teamkollege Charles Leclerc und Teamchef Frederic Vasseur in dieser Saison immer wieder bemüht waren, ihre Einigkeit zu betonen und diese auch öffentlich zu demonstrieren, packt der Ferrari-Präsident nun einmal den verbalen Dampfhammer aus.
Was genau das Fass zum Überlaufen brachte, ist für Außenstehende nicht sicher zu beurteilen. Es liegt allerdings nahe, dass Hamiltons Aussagen am Sonntagabend zumindest eine Rolle gespielt haben könnten. Namentlich hat Elkann den Rekordchampion zwar nicht erwähnt.
Und auch Teamkollege Leclerc traf in der Vergangenheit einige kritische Aussagen, die bei den Ferrari-Bossen vermutlich nicht so gut angekommen sind. Dass Elkann aber ausgerechnet nach Brasilien "zurückschießt", könnte kein Zufall sein.
Hat Hamilton Ferrari wirklich zu hart kritisiert?
So ist es kein Geheimnis, dass man in Maranello noch nie Spaß verstanden hat, wenn es öffentliche Kritik am Auto oder sogar am Team selbst gab. Am plakativsten ist hier vermutlich das Beispiel Alain Prost.
1991 wurde der damals dreimalige Weltmeister von der Scuderia ein Rennen vor Saisonende vor die Tür gesetzt, nachdem er das Fahrverhalten des Autos mit einem LKW verglichen hatte. Niemand ist bei Ferrari größer als das Team, und im Ernstfall macht man in Maranello auch vor großen Namen nicht halt.
Hamiltons "Albtraum"-Aussage wird ihn sicher nicht den Job kosten, doch womöglich war sie genug, damit Elkann eine rote Linie zieht. Womöglich - aber das ist reine Spekulation - nervt es den 49-Jährigen inzwischen auch ein bisschen, dass die Hamilton-Verpflichtung nicht der große Coup ist, den er sich erhofft hatte. Zumindest bis jetzt nicht.
Wichtig bei der ganzen Geschichte ist allerdings auch, dass Hamiltons Interview mit den Sky-Kollegen keinesfalls eine Abrechnung mit Ferrari war. Im gleichen Gespräch betonte er nämlich auch, dass es ein "Traum" sei, "für dieses großartige Team" zu fahren.
Der "Albtraum", so Hamilton, seien vor allem die Ergebnisse, die man einfahre. Zudem betonte er in einem weiteren Interview mit Viaplay: "Ich glaube nach wie vor fest an dieses Team und daran, was wir gemeinsam erreichen können."
Toto Wolff hat Hamilton verstanden
Was auch immer nun der Auslöser war: Ich glaube, dass John Elkann dem Team mit seiner Aussage keinen Gefallen getan hat. Denn Lewis Hamilton ist ein Fahrer, der dann am besten "funktioniert", wenn er sich wohlfühlt und den vollen Rückhalt des Teams spürt. Dazu dürften Elkanns Aussagen nicht beigetragen haben.
In der Hochphase seines Schaffens gewann Hamilton zwischen 2014 und 2020 mit Mercedes in sieben Jahren sechsmal die Fahrer-WM. Es ist kein Zufall, dass das einzige Jahr, in dem er nicht Weltmeister wurde, die Saison 2016 war, als die interne Stimmung bei den Silberpfeilen auf dem Tiefpunkt war.
Das Duell mit Teamkollege Nico Rosberg schaukelte sich damals so weit hoch, dass ein Riss durchs Team ging - und Hamilton selbst sogar seine Zukunft bei den Silberpfeilen hinterfragte, bevor er sich im Winter nach der Saison 2016 mit Toto Wolff in dessen Küche zusammensetzte und anschließend stärker als je zuvor zurückkehrte.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte Wolff verstanden, wie man mit dem Fahrer und dem Menschen Hamilton umgehen muss, um das Beste aus ihm herauszuholen. Auch das freundschaftliche Verhältnis der beiden war ein Faktor dafür, dass Hamilton anschließend vier WM-Titel in Serie gewann.
Bei Ferrari erhoffte sich Hamilton zu Teamchef Frederic Vasseur, den er noch aus gemeinsamen Zeiten in den Nachwuchsklassen kennt, vermutlich ein ähnlich gutes Verhältnis. Mag sein, dass dieses auch existiert. Doch Ferrari ist eben nicht Mercedes.
Dass die Scuderia anders als "normale" Formel-1-Teams funktioniert, das haben bereits viele andere Piloten erfahren. Bislang war es für Ferrari-Verhältnisse in diesem Jahr eigentlich sogar überraschend ruhig, was Kommentare "von der Seitenlinie" angeht. Das hat sich am Montag geändert.
Hat Elkann das Vertrauen in Hamilton verloren?
Mein Kollege Christian Nimmervoll hat bereits im März 2024, also vor mehr als anderthalb Jahren, eine Kolumne geschrieben, in der er die Vermutung aufstellte, dass Lewis Hamilton nicht der ganz große Wurf werden könnte, den sich Elkann bei seiner Verpflichtung erhofft hatte.
Möglicherweise fürchtet inzwischen auch Elkann selbst, dass er für das Geld, das er in Hamilton investiert hat, nicht die Leistung zurückbekommt, die dafür angemessen wäre. Als inzwischen fast letzte Hoffnung bleibt noch, dass dem siebenmaligen Weltmeister das neue Reglement ab 2026 besser liegen könnte.
Sollte das aber auch nicht der Fall sein, werden die kritischen Stimmen sicher noch lauter werden - offenbar auch aus den eigenen Reihen. Spannenderweise sagte Hamilton selbst erst am Brasilien-Donnerstag, dass er bei Ferrari noch "einen ziemlich langen Vertrag" habe.
Offiziell hat die Scuderia nie kommuniziert, wie lange Hamilton in Maranello unterschrieben hat. Es war lediglich von einem mehrjährigen Vertrag die Rede. Hamilton selbst deutete nun aber an, dass sein Kontrakt mindestens noch bis zum Ende der Saison 2027 läuft.
Nicht wenige glauben mittlerweile aber, dass der Brite die Scuderia bereits früher verlassen wird. Zumal es auch unterschiedliche Gerüchte darüber gibt, wie genau sein Vertrag tatsächlich aussieht. Die Gazzetta dello Sport meldet beispielsweise, es handele sich eigentlich um einen Vertrag bis Ende 2026 - mit der Option auf eine weitere Saison.
So oder so: Die jüngsten Aussagen von Elkann sind ein gefundenes Fressen für diejenigen, die davon ausgehen, dass sich die Wege von Ferrari und Lewis Hamilton bereits Ende 2026 trennen könnten - oder womöglich sogar noch ein bisschen früher.
Wenn man jetzt ganz tief in die Verschwörungskiste greifen möchte, könnte man die Theorie aufstellen, dass Elkann genau das bezwecken will. Denn sollte Hamilton selbst die Brocken hinwerfen, wäre das die günstigste Variante, aus einem teuren Vertrag herauszukommen, den man eigentlich gar nicht mehr haben möchte ...
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Euer
Ruben Zimmermann



