Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!
Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Nico Hülkenberg
Was lange währt, wird endlich gut: Nico Hülkenberg holt sich in Silverstone endlich sein langersehntes Podium - und fast das ganze F1-Fahrerlager freut sich mit ihm
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
Lando Norris gewinnt in Silverstone - mit einer Prise Glück - sein Heimrennen, doch zum "Fahrer des Tages" wählen die Fans Nico Hülkenberg - und nicht nur die: Es gibt kaum jemanden im Fahrerlager, der dem Deutschen den langersehnten Podiumsbesuch in der Formel 1 nicht gönnt!
Das zeigt sich etwa an den anderen Teams, wie Aston Martin oder Mercedes, die dem nicht auf eine Party vorbereiteten Sauber-Team extra ein paar Schampusflaschen vorbeibringen, damit man Hülkenberg gebührend abfeiern kann. Oder die Fahrerkollegen, die voll des Lobes sind für den drittältesten Fahrer im Feld: Kein Hauch von Neid, einfach nur ehrliche Freude und Anerkennung für den 37-Jährigen, der seiner langen Karriere am Sonntag ein noch fehlendes Highlight hinzugefügt hat.
"Für mich war er immer einer der Top-5-Fahrer im Grid, wann immer er in der Formel 1 war", lobt etwa Ex-Teamkollege Carlos Sainz, mit dem Hülkenberg gemeinsam bei Renault fuhr: "Ich bin so froh, dass er endlich sein Podium hat - und nun alle die Klappe halten, die jemals an ihm gezweifelt haben. Ich habe das nie."
Alonso: "Einer der besten Fahrer in der Startaufstellung"
Auch die lebende Motorsport-Legende Fernando Alonso macht spätestens seit Hülkenbergs Le-Mans-Sieg 2015 mit Porsche keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den Deutschen: "Einer der besten Fahrer in der Startaufstellung, der nie die Chance hatte, ein anständiges Auto unter sich zu haben. Also ja, ich bin sehr, sehr glücklich für ihn", gratuliert der Spanier - und spricht aus, was viele denken:
Denn die Tatsache, dass Hülkenberg bis zum 239. Rennen in der Formel 1 warten musste, um erstmals mit rauf zur Siegerehrung zu dürfen, die ist vielen langjährigen Beobachtern der Szene tatsächlich ein Rätsel. Schließlich kam mit dem Jungen aus Emmerich einer durch die Nachwuchskategorien marschiert, der dem Anschein nach die Visitenkarte eines zukünftigen Weltmeisters mit sich brachte - und das lag weniger an Michael Schumachers Ex-Manager Willi Weber, als an den sportlichen Erfolgen:
Titel im Kartsport und in der Formel BMW, die Meisterschaft in der A1GP-Serie, dann auch in der Formel-3-Euroserie und schließlich im Formel-2-Vorgänger GP2: Hülkenberg war nicht weniger als ein großes Versprechen, machte im Juniorbereich alles platt: Folgerichtig gab es für 2010 ein Formel-1-Cockpit bei Williams - obwohl das Team hinter den eigenen Ansprüchen blieb, konnte der Rookie mit einer sensationellen Pole in Sao Paulo für ein Ausrufezeichen sorgen.
Der "Hulk" macht Interlagos und Hockenheim vergessen
Doch weil der klamme Traditionsrennstall aus Grove fürs Folgejahr lieber auf die Sponsorenmillionen von Pastor Maldonado setzte, fand sich Hülkenberg plötzlich ohne Platz wieder, musste erstmal als Ersatzfahrer bei Force India anheuern. Ein Jahr später dann das Comeback in der Königsklasse - und erneut eine Galavorstellung in Interlagos...
"Das hätte schon vor 13 Jahren passieren sollen", erinnert sich am Sonntag in Silverstone auch Ex-Weltmeister Jenson Button mit Blick auf Hülkenbergs Podium: "Er hat den Großen Preis von Brasilien damals angeführt - und er ist mit dem Kerl gecrasht, der ihn heute im Rennen am Ende gejagt hat: Lewis Hamilton", muss Button, an jenem Tag Nutznießer und Sieger des Rennens in Sao Paulo, ob der historischen Zusammenhänge schmunzeln.
Nichtsahnend steht Hülkenberg damals jedoch erst am Beginn seiner langen Wartezeit auf diesen einen Pokal in der Formel 1: Während Deutschland - erst mit Sebastian Vettel, später dann auch mit Nico Rosberg - andere Rennhelden hat, dümpelt Hülkenberg im grauen Mittelfeld rum, muss deutlich kleinere Brötchen backen als seine fast gleichaltrigen Landsmänner. Nach einem ersten, einjährigen Gastspiel bei Sauber 2013, folgen drei weitere Jahre Force India, anschließend drei beim Werksteam von Renault.
Endlich ein Podium! Die schönsten Jubelbilder von Nico Hülkenberg
Nico Hülkenberg ist am Ziel: 2025 in Silverstone beendet er erstmals ein Formel-1-Rennen in den Top 3 ... Fotostrecke
Mehrmals ist der Deutsche ganz knapp dran am Podium, vor allem im Regen von Hockenheim 2019. Ob er daran während des Rennens denn nochmal gedacht hätte, an diese vergebene Chance, will am Sonntag in Silverstone in der Pressekonferenz dann ein französischer Journalistenkollege wissen? "Nö", winkt Hülkenberg ganz entspannt ab. Genau diese entspannte und unverkrampfte Art im zweiten Teil seiner Karriere, quasi der Zugabe, ist vielleicht auch der Schlüssel zu seinem späten Erfolg.
Hülkenberg 2.0: Erst Feuerwehrmann, dann Haas-Comeback
Denn eigentlich ist der Deutsche Ende 2019 raus aus der Formel 1, nach dem Ende seines Vertrages bei Renault sieht es so aus, als wäre die vergebene Chance von Hockenheim wohl die letzte auf ein Podium in der Königsklasse gewesen. In der Corona-Saison 2020 ist Hülkenberg ohne Cockpit, und doch ist es das Virus, das ihn als Ersatzmann für den erkrankten Sergio Perez bei Racing Point zurück in eben jenes hievt.
Ausgerechnet in Silverstone kann der Einspringer dabei schon einmal auf ganzer Linie überzeugen, schafft es bei seinem zweiten Einsatz im Qualifying auf den grandiosen dritten Rang und holt als Siebter Punkte. Ein Kunststück, das er bei einem weiteren Einsatz, diesmal anstelle von Lance Stroll, auf dem Nürburgring als Achter wiederholt.
2021 stehen für Hülkenberg, der als TV-Experte für ServusTV zwischenzeitlich auch mal vom Lenkrad hinters Mikro wechselt, dann jedoch erst einmal Höhepunkte privater Natur an: Er heiratet seine Frau Egle, ein halbes Jahr später kommt Tochter Noemi Sky zur Welt - die am Sonntag in Silverstone über den Account ihrer Mutter mal wieder viral geht, nachdem sie zuhause vor dem Fernseher freudig quiekend ihrem Papa zuwinkt, während dieser erstmals vom Podium grüßt...
Reaktionen zum ersten Formel-1-Podium von Nico Hülkenberg
Jonathan Wheatley (Sauber-Teamchef): "Nico ist heute ein herausragendes Rennen gefahren. Eines der besten, das ich je in Silverstone gesehen habe. Eines der besten, das ich je von einem Fahrer gesehen habe." Fotostrecke
Für Aston Martin spielt Hülkenberg anno 2022 erneut zweimal Feuerwehrmann, ehe ihm Günther Steiner und Teambesitzer Gene Haas ein Vollzeit-Comeback beim gleichnamigen US-Rennstall für 2023 anbieten, wo er Landsmann Mick Schumacher ersetzt. Die Rückkehr wird zumindest für Hülkenberg eine Erfolgsgeschichte, der Routinier erweist sich als starker Qualifyer und in der zweiten gemeinsamen Saison auch als verlässlicher Punktelieferant, wann immer das Auto es zulässt.
Grün als Farbe der Hoffnung: Sauber-Sause in Silverstone
Mit frischem Wind unter den Flügeln seiner Karriere heuert Hülkenberg deshalb im Zuge des nahenden Audi-Einstiegs für 2025 mit einem mehrjährigen Vertrag bei Sauber an - mit dem Ziel, eines Tages, wenn die Transformation der Ingolstädter in das erhoffte Top-Team abgeschlossen ist, vielleicht doch mal auf dem Podest zu stehen.
"Das war das am meisten überfällige Podium in der Geschichte der Formel 1", sagt Saubers neuer Teamchef Jonathan Wheatley am Sonntag zum, wie er es beschreibt, "Meisterstück von Nico". Für die neu formierte Schweizer Truppe um Wheatley und Ex-Ferrari-Mann Mattia Binotto indes, da scheint dieses fast noch ein bisschen früh, kommt der Premium-Partner doch erst nächste Saison so richtig hochoffiziell mit an Bord.
Dass der "Hulk" auf die Ankunft der vier Ringe jedoch nicht mehr warten wollte, sondern die Gelegenheit gleich beim Schopfe packte, als sie ihm sich am Sonntag endlich bot, das kann ihm nun wahrlich keiner verübeln - nach 15 Jahren und langen 239 Rennen Wartezeit. Der Rekord für die meisten Grand-Prix-Starts ohne Podium wandert damit übrigens wieder zurück zu Adrian Sutil - und sind wir mal ehrlich: Dem steht er irgendwie auch deutlich besser als Hülkenberg, der sich nun nie wieder mit dieser leidigen Statistik befassen muss...
Euer Frederik Hackbarth