• 26. Mai 2025 · 02:57 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Frederic Vasseur

Welche Rolle der Ferrari-Teamchef bei der Einführung der Zweistoppregel gespielt hat und warum Platz 2 in Monaco nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur war ein Impulsgeber für die Monaco-Boxenregel Zoom Download

der Grand Prix von Monaco 2025 war einer, der niemanden kalt gelassen hat. Auf meiner Facebook-Seite Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll schrieb ein User am Sonntagabend etwa: "Vor dem Rennen habe ich die Idee mit zwei Pflichtstopps gutgeheißen. Aber wie sich das Rennen entwickelt hat, war eine Katastrophe für den Sport."

Ein ziemlich repräsentativer Kommentar unter vielen, die ein vernichtendes Gesamturteil ergeben. Ein anderer Fan schrieb, er fühle sich von der Formel 1 "eher verarscht", woanders fiel das Wort "Farce" und "katastrophal", und in einem Posting stand gar: "Ich schaue seit 29 Jahren Formel 1, aber das war wirklich kaum zu ertragen." Zumindest das Urteil der Hardcore-Fans scheint eindeutig zu sein.

Ob das auch bei den oftmals als "Netflix-Fans" bezeichneten Gelegenheitszuschauern so war, lässt sich viel schwieriger feststellen. Das ist die Zielgruppe, die nicht unmittelbar nach der Siegerehrung auf Social-Media-Plattformen den Meinungsaustausch sucht, sondern den Fernseher ausmacht und vermutlich frühestens am Samstag zum Qualifying in Barcelona wieder an die Formel 1 denkt.

Immerhin: Es war spannend bis zum Schluss

Ich selbst bin zwiegespalten. Als bekennender Traditionalist, sozialisiert geworden mit der Formel 1 der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre, bereitet es mir einerseits großes Unbehagen, wenn bei der sportlichen Entscheidung eines Grand Prix ähnlich viel Zufall mit im Spiel ist wie am Roulette-Tisch des legendären Casinos von Monaco.

Und es bereitet mir sogar noch größeres Unbehagen, wenn aufgrund des De-Facto-Überholverbots in den verwinkelten Straßen von Monte Carlo plötzlich Teamkollegen schmutzige Tricks ausspielen, um die Gegner auszubremsen und ihr eigenes Ergebnis zu maximieren. Nicht illegal, wohlgemerkt, aber schmutzig im sportlich-moralischen Sinn.

Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass - und das war anders als in vielen Monaco-Grands-Prix davor - bis zur vorletzten Runde ein gewisses Spannungsmoment vorhanden war. Zwar war jedem halbwegs fachkundigen Zuschauer völlig klar, dass Max Verstappen nur so lange draußen blieb, um auf das Geschenk einer späten roten Flagge zu hoffen, die ihm ziemlich sicher den Sieg beschert hätte. Aber so eine rote Flagge kann in Monaco eben jederzeit passieren, weswegen sich Lando Norris seiner Sache erst dann wirklich sicher sein konnte, als Verstappen in Runde 77 von 78 an die Box abbog. Spannung bis zum Schluss also. Genau das, was Rechteinhaber Liberty Media wollte.

Ein Grand Prix mit einigen Highlights

Es war, zugegeben, ein Nachmittag an der sonnigen Côte d'Azur, der seine Momente hatte. Das freche Manöver von Gabriel Bortoleto in der Loews-Haarnadel etwa (die inzwischen eigentlich Fairmont heißt), gleich in der ersten Runde außen vorbei an Kimi Antonelli - und der noch frechere Konter des Italieners im Mercedes in der Portier-Kurve ein paar Meter weiter, der für Bortoletos Sauber in der Leitplanke endete.

Ein Fight, der unmittelbar Erinnerungen weckte an 1998, als sich mein Landsmann Alexander Wurz, damals zumindest ein paar Wochen lang vermeintlich das "next big thing" in der Formel 1, an gleicher Stelle mit dem großen Michael Schumacher anlegte. Ein Duell, das für Wurz letztendlich nicht zum großen Durchbruch wurde, sondern mit Totalschaden an der Tunnelausfahrt endete.

Später dann roch es zumindest für eine Weile danach, als könne Isack Hadjar für eine faustdicke Überraschung sorgen, als der Racing-Bulls-Junior seine beiden Pflichtstopps schon absolviert hatte und dank tatkräftiger Schützenhilfe seines Teamkollegen Liam Lawson immer noch an sechster Stelle lag, obwohl vor ihm alle erst einmal gewechselt hatten.

Die Schlussphase, als Verstappen in Führung liegend mit völlig maroden Reifen zuerst Norris und dann auch Charles Leclerc und Oscar Piastri aufhielt, sah dann zwar von außen betrachtet spektakulär aus, war in Wahrheit aber eine reine Prozession. Dass man in Monaco niemanden überholen kann, der nicht überholt werden will, weiß man spätestens seit dem epischen Finish Senna-Mansell im Jahr 1992, das heute noch mein Herz schneller schlagen lässt, wenn ich die alten Videos von damals sehe.

Zwei Stopps in Monaco: Wer hatte eigentlich die Idee?

Irgendwann am frühen Montagmorgen stellte ich mir die Frage, wer die Idee mit der speziellen Monaco-Regel wohl eigentlich verbrochen hat, und wer letzte Nacht vermutlich ziemlich schlecht geschlafen haben muss, weil das alles doch nicht ganz so funktioniert hat, wie es eigentlich geplant war.

Entschieden wurde die Einführung der Monaco-Spezialregel im Februar 2025 bei einer Sitzung der Formel-1-Kommission. Zwar musste der Vorschlag danach noch durch Gremien wie das sogenannte Sporting Advisory Committee (SAC) und den Motorsport-Weltrat (WMSC) der FIA. Doch im Grunde genommen wurden im Rahmen der Kommission die Weichen gestellt.

Zu Beginn des Februar-Meetings knüpfte Formel-1-CEO Stefano Domenicali an die vorangegangenen Diskussionen an, was man in Zukunft mit Monaco anstellen könnte, um neben dem Qualifying am Samstag endlich auch das Rennen am Sonntag spannender zu machen. Und brachte dabei den alten Vorschlag wieder auf die Agenda, über Pflichtboxenstopps zumindest nachzudenken.

Zwischendurch wurde darüber gesprochen, ob man die Fahrer nicht einfach dazu verpflichten könnte, im Rennen alle drei Gummimischungen einzusetzen - bis dann Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur mit der Idee daherkam, stattdessen einfach zwei obligatorische Boxenstopps einzuführen, jeweils mit genauso obligatorischem Reifenwechsel.

Christian Horner war der Erste, der Vasseurs Vorschlag zustimmte, und das SAC klärte danach nur noch die Frage, ob es klüger wäre, drei Reifenmischungen oder zwei Boxenstopps vorzuschreiben, und wie man die neue Regel handhaben würde, wenn es regnen sollte und man die Fahrer schlecht dazu zwingen kann, auf nassem Asphalt auch noch die dritte Gummimischung Slicks zu fahren.

Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Vasseur ist sicher nicht der, der die Regel durchgeboxt hat. Das war schon die gesamte Kommission, und auch der Weltrat, der schließlich sein Veto einlegen hätte können, das aber nicht tat. Doch als Impulsgeber in der entscheidenden Sitzung schafft es Vasseur heute quasi aufs Cover dieser Kolumne.

Was Vasseur sonst noch beunruhigen könnte

Zumal es viele andere Gründe gibt, warum Vasseur letzte Nacht vielleicht nicht so gut geschlafen haben könnte. Zwar sieht der zweite Platz von Leclerc auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus. Doch Monaco ist eben Monaco, mit ganz eigenen Regeln, und die Realität beschreibt Leclerc so: "Auf Strecken wie dieser, mit so vielen Bodenwellen und Randsteinen, funktioniert unser Auto ganz gut. Das hilft. Aber leider wird es uns nur auf einer so extremen Strecke wie hier helfen."


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Nach 8 von 24 Rennwochenenden 2025 liegt Leclerc in der Fahrer-WM mit 79 Punkten an fünfter Stelle, weit abgeschlagen hinter WM-Leader Oscar Piastri (161). Und auch die Konstrukteurs-WM ist für Ferrari in weiter Ferne: McLaren führt mit sagenhaften 319 Punkten, und dahinter matchen sich Mercedes (147), Red Bull (143) und Ferrari (142) bestenfalls um Platz 2.

Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass sich das mit der ersten WM seit 2007 (Kimi Räikkönen) beziehungsweise 2008 (nur Konstrukteure) eher nicht mehr ausgehen wird - und das ist angesichts der enormen Erwartungshaltung, die in Italien nach der spektakulären Verpflichtung von Lewis Hamilton herrscht, letztendlich eine Enttäuschung.

Ferrari schien Ende 2024 eigentlich auf einem guten Weg zu sein, im Sog von McLaren drauf und dran, wieder auf die Überholspur der Formel 1 auszuscheren. Doch dann kamen die Ingenieure in Maranello auf die Idee, ein an und für sich funktionierendes technisches Konzept umzubauen und unter anderem die Radaufhängung völlig umzukrempeln. Das Ergebnis ist bekannt.

Und man muss auch kein Genie sein, um zu erahnen, dass die Luft für Vasseur irgendwann dünn werden könnte, sollte nicht spätestens 2026, wenn das neue Reglement kommt, der Turnaround gelingen. Erfolg aufzubauen, das dauert in der Formel 1. Aber dass nach Jahren der Mercedes- und Red-Bull-Dominanz jetzt nicht Ferrari dran ist, sondern McLaren, kann John Elkann, dem starken Mann bei Ferrari, unmöglich gefallen.

Monaco und Ferrari sind zwei große Mythen der Formel 1. Beide haben derzeit ein Problem. Und ich bin sicher, ich bin nicht der einzige glühende Anhänger des Grand-Prix-Sports, der sich wünscht, dass beides bald in Ordnung kommt. Aber mir scheint: Beides könnten ziemlich komplexe Unterfangen sein. Und beides könnte eine ganze Weile dauern ...

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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