Piastri hilft Norris: Kommt irgendwann noch ein "Mercedes-Moment"?
Obwohl Oscar Piastri und Lando Norris gegeneinander um den WM-Titel kämpfen, hat der Australier seinem Teamkollegen im Monza-Qualifying sogar geholfen
(Motorsport-Total.com) - Es ist nie eine leichte Situation, wenn zwei Teamkollegen in der Formel 1 gegeneinander um den WM-Titel kämpfen. Denn häufig sind die Interessen des Teams in so einer Konstellation nicht unbedingt mit denen der beiden Piloten vereinbar.

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Oscar Piastri half Lando Norris im Monza-Qualifying mit einem Windschatten Zoom Download
So auch am Samstag im Qualifying in Monza, als Lando Norris in Q2 überraschend vor dem Aus stand, nachdem er seine erste schnelle Runde mit einem Fehler in der ersten Kurve in den Sand gesetzt hatte. Der zweite Run musste also sitzen.
Und genau in dieser entscheidenden Situation half Oscar Piastri seinem Teamkollegen mit einem Windschatten - obwohl es für seine eigenen Chancen in der Fahrer-WM natürlich deutlich besser gewesen wäre, wenn Norris in Q2 ausgeschieden wäre.
"Sobald [Renningenieur] Tom [Stallard] Oscar darum gebeten hatte, wusste ich, dass Oscar es tun würde", verrät Andrea Stella, der trotz der für Piastri kniffligen Situation keine Zweifel daran hatte, dass der Australier die Interessen des Teams über seine eigenen stellen würde.
"Wenn es das letzte Rennen in Abu Dhabi wäre, würden wir das Gleiche sehen? Ich kann es nicht sagen, aber im Moment bin ich einfach nur sehr stolz darauf, dass solche Dinge passieren, dass Lando und Oscar so Rennen fahren, wie sie es tun", lobt der Teamchef.
Kippt die Beziehung der Fahrer irgendwann noch?
So eine Situation zeige die "Qualität unserer Fahrer und die Qualität der Menschen hinter den Fahrern, die wir bei McLaren haben", sagt Stella und betont: "Das ist die Art und Weise, wie die Leute bei McLaren, das Team, wollen, dass die Fahrer Rennen fahren, und ich bin mir sicher, dass auch die Fans wollen, dass wir so Rennen fahren."
Selbstverständlich ist das nicht, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. In der Saison 2016 kam es zwischen den damaligen Mercedes-Teamkollegen Lewis Hamilton und Nico Rosberg im WM-Duell beispielsweise gleich mehrfach zu Unfällen.
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1950: Die erste Saison in der Geschichte der Formel-1-Weltmeisterschaft sieht auch gleich das erste Duell zweier Teamkollegen um den WM-Titel. Die beiden Alfa-Romeo-Piloten Juan Manuel Fangio und Giuseppe Farina gewinnen von den sieben Saisonläufen je drei. Als nach dem Finalrennen in Monza zusammengezählt wird, ist der Italiener Farina mit drei Punkten Vorsprung auf den Argentinier Fangio der erste Formel-1-Weltmeister der Geschichte. Fotostrecke
Zwar kollidierten Piastri und Norris in diesem Jahr in Kanada auch schon einmal, doch den dortigen Crash nahm Norris sofort auf seine Kappe und die Beziehung der beiden ist bis heute gut. Bei Mercedes dagegen herrschte irgendwann Eiszeit zwischen Hamilton und Rosberg.
Beim Saisonfinale 2016 in Abu Dhabi eskalierte die Situation bis zu dem Punkt, an dem sich Hamilton bewusst einer Anweisung des Teams widersetzte, das komplette Feld hinter sich einbremste und damit einen eigentlich sicheren Doppelsieg des Teams aufs Spiel setzte.
Stella: Windschatten "war kein entscheidender Faktor"
Konkret im Hinblick auf die gestrige Szene betont Stella: "Der Windschatten, den Oscar Lando gegeben hat, war kein entscheidender Faktor dafür, dass Lando in Q3 kam." Der Brite schaffte den Sprung in die Top 10 im zweiten Run noch, hätte Q3 laut Stella aber auch aus eigener Kraft erreicht.
"Aber an sich ist es eine nette Geste der Fairness und Sportlichkeit", lobt der Teamchef. Spannend ist allerdings die Frage, ob diese Fairness auch bis zum Ende des Jahres weiterhin Bestand haben wird, falls sich das WM-Duell in den kommenden Wochen noch weiter zuspitzen sollte.
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Auf die Frage, ob er es akzeptieren würde, wenn ein Fahrer dem anderen in so einer Situation irgendwann die Hilfe verweigern würde, antwortet Stella etwas ausweichend: "Es liegt im Recht des Fahrers, der den Windschatten gibt, zu sagen: 'Dieses Mal mache ich das nicht.'"
"Ich würde das relativ gesehen als nicht unbedingt die eleganteste Vorgehensweise betrachten, aber manchmal erfordert der Rennsport nicht unbedingt Eleganz, solange man sich an die Grundsätze und Regeln des Teams hält", so der Teamchef.
Heißt: Im Zweifel würde man es bei McLaren wohl akzeptieren (müssen), wenn es im WM-Duell zwischen Piastri und Norris irgendwann etwas härter zugehen sollte. Aktuell ist dieser Punkt aber noch nicht gekommen.