Longruns Spanien: Norris und Verstappen vorn, Hülkenberg mit Mega-Pace
McLaren gegen Red Bull: In den Barcelona-Longruns deutet sich ein Duell auf Augenhöhe an, doch Nico Hülkenberg sorgt für eine faustdicke Überraschung
(Motorsport-Total.com) - Oscar Piastri setzte im Freitagstraining in Spanien mit einer Zeit von 1:12,760 die klare Tagesbestzeit. Doch in den Longruns zum Ende des zweiten freien Trainings bestimmten vor allem sein McLaren-Teamkollege Lando Norris sowie Weltmeister Max Verstappen das Geschehen - das zeigen die Daten unseres Technologiepartners PACETEQ.
Bereinigt man die Longrun-Zeiten aller Fahrer um unterschiedliche Reifenmischungen und Stintlängen, war Norris im Schnitt der schnellste Pilot - mit einem Vorsprung von 0,24 Sekunden pro Runde auf Verstappen im Red Bull. Ein Blick auf die Reifendaten legt jedoch nahe, dass Verstappen dabei möglicherweise unter Wert geschlagen wurde - dazu gleich mehr.
Auf Rang drei im Longrun-Ranking folgt überraschend Sauber-Pilot Nico Hülkenberg (+0,31 Sekunden), der einen starken Stint auf Medium-Reifen fuhr. Dahinter reihen sich Lewis Hamilton (+0,41), Liam Lawson (+0,46) und Pierre Gasly (+0,55) ein. Oscar Piastri hatte hingegen mit seiner Longrun-Pace zu kämpfen und belegte nur Rang acht (+0,68).
Reifenflüsterer Verstappen: Ist McLaren am Sonntag schlagbar?
Betrachten wir zunächst das direkte Duell zwischen Norris und Verstappen: Zwar spricht die reine Longrun-Pace für McLaren - insbesondere Norris' zweiter Medium-Stint war stark - doch bei der Analyse des Reifenverschleißes hatte Verstappen klar die Nase vorn.
Während Norris einen durchschnittlichen, reifenbereinigten Abbau von 0,136 Sekunden pro Runde verzeichnete, lag dieser bei Verstappen lediglich bei 0,051 Sekunden. Das ist insofern bemerkenswert, da Longrunstints im Training selten so lange gefahren werden wie im Rennen - der Reifenabbau wirkt sich also erst über längere Distanzen spürbar aus.
Das bedeutet: Mit zunehmender Stintdauer hätten Norris' Zeiten stärker einbrechen können, während Verstappen noch mehr Spielraum zum Pushen gehabt hätte. Unterm Strich könnten McLaren und Red Bull also - zumindest hinsichtlich der Rennpace - auf ähnlichem Niveau agieren, gemessen am Stand vom Freitag.
Auch interessant: In den Geschwindigkeitsmessungen zeigte sich, dass Red Bull diesmal offenbar nicht wie sonst mit reduzierter Motorleistung fuhr. Auf der langen Start-Ziel-Geraden fehlten im Schnitt nur 2,8 km/h auf McLaren - in dieser Saison waren es zuvor teils mehr als 10 km/h. Das spricht dafür, dass Red Bull in Sachen Power gleichauf mit McLaren unterwegs gewesen sein könnte.
Mercedes und Ferrari im Niemandsland
Was die Rennpace betrifft, haben sich Ferrari (+0,41 Sekunden) und Mercedes (+0,62 Sekunden) einen gewissen Abstand zur Spitze eingehandelt. Mercedes dürfte dabei etwas unter Wert geschlagen worden sein: Sowohl George Russell als auch Andrea Kimi Antonelli absolvierten mit 19 beziehungsweise 17 Runden vollständige Longruns, die realistisch für einen Rennstint am Sonntag sind.
Beim Reifenverschleiß präsentierte sich Mercedes solide mit einem durchschnittlichen Abbau von rund einer Zehntelsekunde pro Runde. Anders sieht es bei Ferrari aus: Leclerc und Hamilton fuhren kürzere Stints und zeigten dabei mit 0,16 Sekunden pro Runde einen höheren Verschleiß.
Hochgerechnet könnte Mercedes also leicht vor Ferrari liegen - zumal die Silberpfeile im Qualifying tendenziell die bessere Pace zeigen. Beim Topspeed bewegten sich beide Teams auf ähnlichem Niveau, etwa 4,5 km/h hinter McLaren.
Mega-Longrun: Wie realistisch ist Hülkenbergs Pace?
Dass der Circuit de Barcelona-Catalunya Sauber entgegenkommt, war im Vorfeld absehbar. Die Rennpace-Daten der vergangenen drei Jahre zeigen, dass das Team hier im Schnitt sieben Zehntel schneller ist als auf anderen Strecken.
Nico Hülkenberg sicherte sich nicht nur einen soliden zwölften Platz in den Qualifyingsimulationen, sondern beeindruckte auch mit einer Longrun-Pace, die im Mittelfeld für Aufsehen sorgte: Nur drei Zehntel langsamer als Norris - bei gleichzeitig starkem Reifenmanagement. Sein durchschnittlicher Reifenabbau lag bei lediglich 0,042 Sekunden pro Runde - der niedrigste Wert im gesamten Feld.
Das deutet darauf hin, dass Hülkenberg nicht einmal extrem für diese Pace pushen musste. Auch die Topspeed-Daten sprechen nicht dafür, dass Sauber mit übermäßiger Motorleistung unterwegs war. Vielleicht sind Punkte am Sonntag also erstmals aus eigener Kraft möglich?
Im Mittelfeld muss sich Sauber aber auf Konkurrenz einstellen - insbesondere von Racing Bulls und Alpine. Beide Teams überzeugten mit guter Longrun-Pace, wobei Racing Bulls den Reifenverschleiß besser im Griff hatten. Alpine hingegen scheint im Longrun deutlich stärker gepusht zu haben.
Reifenstrategie: Zwei Stopps ohne harte C1-Mischung wahrscheinlich
Die Longrun-Daten vom Freitag zeigen einen durchschnittlichen Reifenverschleiß von 0,141 Sekunden pro Runde über alle Mischungen hinweg - im Vorjahr lag dieser Wert im Rennen noch bei 0,096 Sekunden. Da die Teams in den Trainings meist aggressiver pushen, um den Verschleiß zu evaluieren, und sich die Gripverhältnisse über das Wochenende verbessern, ist auch diesmal mit einem Zweistopprennen zu rechnen.
Die harte C1-Mischung ist dabei mit einem Rückstand von rund drei Zehnteln pro Runde zu langsam. Schon im Vorjahr entschieden sich viele Teams für die Strategie Soft-Soft-Medium - und auch 2025 deutet alles auf dieses Modell hin. Laut PACETEQ-Daten wäre diese Variante mit Boxenstopps um Runde 20 und 40 auch diesmal die schnellste. Eine Einstoppstrategie erscheint angesichts des hohen Verschleißes wenig realistisch - sie wäre rund 15 Sekunden langsamer.