• 09. Oktober 2022 · 15:07 Uhr

"Dann wäre ich jetzt tot": Kran-Zwischenfall erinnert Gasly an Bianchi

Die Begegnung mit einem Bergekran beim Formel-1-Rennen in Suzuka versetzt Pierre Gasly in Todesangst - FIA kündigt eine Untersuchung des Vorfalls an

(Motorsport-Total.com) - Auch Stunden nach der großen Schrecksekunde beim Rennen der Formel 1 zum Grand Prix von Japan in Suzuka hatte sich Pierre Gasly noch nicht richtig beruhigt. Wenn überhaupt überwog beim AlphaTauri-Piloten die Erleichterung darüber, dass die Begenung mit einem Bergekran in Runde zwei für ihn und alle Beteiligten ohne Folgen geblieben war.

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Pierre Gasly fürchtete in Suzuka um sein Leben Zoom Download

"Ich bin einfach extrem dankbar, dass ich noch stehe und heute Abend noch meine Familie und meine Lieben anrufen kann und nichts passiert ist", sagt der Franzose der englischsprachigen Ausgabe von 'Motorsport.com'. "Aber ich hoffe wirklich für uns Fahrer, dass dies das letzte Mal ist, dass wir einen Kran sehen und ein solch unnötiges Risiko eingehen."

Nachdem er in der ersten Runden des Rennens nach dem Unfall von Ferrari-Pilot Carlos Sainz mit seinem Auto eine Werbebande aufgesammelt und die Fahrzeugnase hatte wechseln lassen, versuchte Gasly während der zwischenzeitlich ausgerufenen Safety-Car-Phase Anschluss an das Feld herzustellen.

Bergekran nur um wenige Meter verpasst

In Höhe der Unfallstelle von Sainz wurde Gasly dann von einem Bergekran überrascht, der den verunfallten Ferrari abtransportieren wollte. Glücklicherweise passierte Gasly das Gefährt ohne Probleme, doch der Schreck saß bei ihm auch nach Rennende noch tief.


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"Wenn ich das Auto auf eine ähnliche Weise verloren hätte wie Carlos in der Runde zuvor... Ich bin 200 km/h gefahren, aber das ist nicht die Sache, selbst bei 100 km/h, wenn ich es verloren hätte und einen 12-Tonnen-Kran... wenn ich ihn getroffen hätte, wäre ich jetzt tot", ist der Franzose überzeugt.

Gasly verweist darauf, dass diese Stelle der Strecke in dem Knick vor Kurve elf insbesondere bei Regen schlecht einsehbar sei, sodass er den Kran viel zu spät erkannt habe. "Ich kam zwei Meter rechts vorbei, was ich als Rennfahrer nicht für akzeptabel halte."

Zu schnell unter Rot: Strafe für Gasly

Vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Rennen quasi in dem Moment, in dem er die Unfallstelle erreichte, mit der roten Flagge unterbrochen wurde. "Eine Minute später waren wir alle in der Boxengasse. Mein Leben für eine Minute zu riskieren, halte ich nicht für akzeptabel."

Allerdings verhielt sich auch Gasly selbst an diesem Sonntag nicht tadellos. Im weiteren Verlauf der Runde fuhr er nach Ansicht der Sportkommissare unter roter Flagge deutlich zu schnell, was eine 20-Sekunden-Strafe und zwei Strafpunkte nach sich zog.

Gasly argumentiert aber, dass er bis zum Erreichen der Unfallstelle und dem Zeigen der roten Flagge nicht schneller als erlaubt gefahren sei. "Wir haben eine Delta-Rundenzeit, die wir einhalten müssen, und ich war neun Sekunden langsamer als die Delta-Rundenzeit", sagt er. "Es gibt einen bestimmten Prozess, den wir unter dem Safety-Car befolgen müssen, ich habe ihn respektiert, und da war ein Kran auf der Rennstrecke."

Rückendeckung von Fahrerkollegen

Rückendeckung bekommt Gasly in diesem Punkt von seinen Fahrerkollegen. "Man muss sein SC-Delta respektieren, aber wenn man innerhalb des Deltas zehn Sekunden zu langsam ist, hat man das Recht, schneller zu fahren, um das Delta wieder auf Null zu bringen", erklärt Mercedes-Pilot George Russell.

"Und genau das tun die Fahrer, denn der einzige Weg, unsere Reifen aufzuwärmen, ist, zurückzufahren, das Delta positiv zu machen und dann ein bisschen schneller zu fahren, um Energie in die Reifen zu stecken", so der Mercedes-Pilot weiter.

Auch Fernando Alonso gibt Gasly Rückendeckung. "Wir sitzen im Auto, wir kennen die Geschwindigkeit, die wir fahren, wir wissen, wann wir die Kontrolle haben", sagt der Alpine-Pilot. "Was wir nicht erwarten, ist, einen Traktor auf der Strecke zu sehen, also ist das etwas, was man Pierre nicht vorwerfen kann."

Leidvolle Erinnerung an Jules Bianchis Schicksal

Auch viele andere Fahrer waren einhellig der Meinung, dass ein Kran auf der Rennstrecke unter Bedingungen wie den heutigen nicht akzeptabel sei. Dementsprechend fordern sie vom Automobil-Weltverband FIA Aufklärung darüber, wie es zu dem Zwischenfall kommen konnte. Denn im Artikel 2.6.1 des Anhangs H des Internationalen Sportgesetzes heißt es eindeutig: "Kein Streckenposten oder Fahrzeug darf die Rennstrecke ohne Erlaubnis der Rennleitung betreten."


Fotostrecke: Unfall von Jules Bianchi

Die Kritik der Fahrer stieß bei der FIA nicht auf taube Ohren. In einer Mitteilung kündigte der Verband eine Untersuchung an. Wörtlich heißt es dort: "Obwohl es üblich ist, Autos unter Safety-Car- und Rote-Flagge-Bedingungen zu bergen, hat die FIA aufgrund der besonderen Umstände und unter Berücksichtigung des Feedbacks einer Reihe von Fahrern eine gründliche Überprüfung der Ereignisse eingeleitet, die den Einsatz von Bergungsfahrzeugen während des Großen Preises von Japan betrafen."

Die emotionale Reaktion von Gasly und seinen Kollegen liegt letztlich auch darin begründet, dass der Zwischenfall frappierend an den Unfall von Jules Bianchi im Jahr 2014 erinnert. Ebenfalls in Suzuka und ebenfalls bei Regen war der Franzose von der Strecke abgekommen und mit einem Bergekran kollidiert. Bianchi hatte sich dabei schwere Kopfverletzungen zugezogen, an deren Folge er neun Monate später verstorben war.

"Ich verstehe nicht, wie wir acht Jahre später unter ähnlichen Bedingungen immer noch einen Kran sehen können, nicht einmal im Kiesbett, sondern auf der Rennstrecke", wundert sich Gasly. "Das ist einfach nicht respektvoll gegenüber Jules, seiner Familie, seinen Angehörigen und uns allen. Es war ein dramatischer Zwischenfall, und ich denke, wir haben an diesem Tag gelernt, dass wir bei solchen Bedingungen keine Traktoren sehen wollen."

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