• 28. März 2022 · 12:51 Uhr

Boxenchaos bei Mercedes: Wie Lewis Hamilton beim VSC geschlafen hat

Nach seinem schlechtesten Saisonstart seit 2009 hat Lewis Hamilton mit seiner Ahnungslosigkeit am Boxenfunk bei vielen Fans ungewollt für Erheiterung gesorgt

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton hat nicht viel Erfahrung mit zehnten Plätzen. Seit er 2013 zu Mercedes gewechselt ist, war er nur zweimal schlechter platziert, wenn er die Zielflagge gesehen hat. In Barcelona 2013 wurde er vom P2 nach dem Qualifying auf P12 durchgereicht, wegen abbauender Reifen. Und in Baku 2021 unterlief ihm beim Neustart ein Fahrfehler beim Anbremsen der ersten Kurve, sodass er letztendlich als 15. gewertet wurde.

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Ernüchternd: Lewis Hamilton im Duell mit Kevin Magnussen im Haas Zoom Download

Als er am Sonntagabend in Saudi-Arabien über die Ziellinie fuhr, 1:14 Minuten hinter Sieger Max Verstappen und 9,6 Sekunden hinter Kevin Magnussen im Haas, informierte ihn sein Renningenieur Peter Bonnington: "Okay, Lewis, das ist P10. Sorry dafür. Ein scheiß Resultat angesichts all der harten Arbeit." Hamilton antwortete verwirrt: "Gibt's überhaupt einen Punkt für diese Position?"

15. Startplatz und dann Zehnter im Rennen, das sind Regionen, mit denen kennt sich ein siebenmaliger Weltmeister nicht gut aus. Das letzte Mal, dass er regelmäßig mit solchen Positionen zu tun hatte, war 2009, als McLaren-Mercedes im Jahr 1 von KERS hinterherfuhr. Gleich fünfmal kam Hamilton in jener Saison außerhalb der Top 10 ins Ziel.

Dabei war das Rennen in Dschidda nicht einer jener Sonntage, an denen alles schiefgeht und man deswegen weit hinten landet. "Das Ergebnis", sagt Hamilton, "war nicht so toll. Aber das Rennen ist richtig gut gelaufen. Die Balance war eigentlich sehr gut. Aber unser Paket ist nicht schnell genug. Im Moment kämpfen wir einfach nicht um die Spitze mit."

Start aus der Boxengasse war kein Thema

Hamilton gibt sich Mühe, die Situation tapfer zu ertragen, zumindest nach außen hin - und analysiert das Rennen so, als sei sein Abschneiden darin ganz normal. Vor dem Rennen wurde über einen möglichen Start aus der Boxengasse spekuliert. Das sei aber, sagt er, für ihn nie Thema gewesen: "Wir haben nur ein bisschen Flügel weggenommen. Waren ja sowieso nur 15."

Am Start war Hamilton einer von drei Fahrern, der es riskierte, mit dem harten C2 loszufahren, neben Kevin Magnussen und Nico Hülkenberg. Das Kalkül war klar: Eine Safety-Car-Phase sollte dabei helfen, "Trackposition" zu gewinnen, und im besten Fall ist der Speed dann trotzdem noch so gut, dass man sich irgendwie da vorn halten kann.

Dank Nicholas Latifi ging der erste Teil des Plans auf. Plötzlich lag Hamilton zu Halbzeit des Rennens 4,3 Sekunden hinter dem auf P6 gestarteten George Russell an sechster Stelle. Hamiltons Hards hatten um 16 Runden mehr auf dem Buckel als die von Russell, und trotzdem wuchs der Rückstand in den nächsten zwölf Runden nur um drei Sekunden an.

"Ich fühlte mich gut auf dem harten Reifen, konnte mit George mithalten. Die Zeiten waren gut, wenn man bedenkt, wie alt die Reifen waren", findet Hamilton. "Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten mit den Reifentemperaturen, aber das wurde immer besser, je länger der Stint dauerte. Als die Mediums der anderen abzubauen anfingen, konnte ich gut aufholen."

Hamilton lag rund sieben Sekunden vor dem Magnussen-Haas, als das Rennen ihm ein Geschenk machte und das virtuelle Safety-Car aktiviert wurde. Auf Esteban Ocon betrug sein Vorsprung sogar zwölf Sekunden. Das hätte locker gereicht, um die Position trotz des Boxenstopps zu halten, denn Magnussen musste ja auch noch einmal Reifen wechseln.


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Hamilton fuhr gerade durch Kurve 20, als sich sein Renningenieur bei ihm meldete: "Ricciardo ist unmittelbar vor der Boxeneinfahrt stehengeblieben. Ich erinnere dich daran, dass du im VSC- und Safety-Car-Fenster bist. Aber pass auf: Die Boxengasse könnte geschlossen werden." Was Hamilton zur Kenntnis nahm: "Lass mich dann wissen, Mann!"

Kurz darauf ging Hamilton vom Gas. Er fuhr gerade die letzte Kurve an, als ihn Bonnington aufforderte: "Hab ein Auge drauf." Und kurz darauf: "Box, Box. Box, Box. Hab ein Auge auf die Boxeneinfahrt." Dort stand Ricciardo. "Die Autos werden langsamer", funkte Hamilton - und stieg angesichts des grünen Lichtsignals nach der Ricciardo-Situation aufs Gas.

Das war ein Fehler: "Box, Box. Box, Box", funkte Bonnington erneut - und Hamilton ließ ihn nicht einmal aussprechen, als er schon raunzte: "Ah! Jetzt ist es zu spät." Magnussen und Hülkenberg fuhren hinter ihm zum Service. In der nächsten Runde war die Boxeneinfahrt dann schon geschlossen - und Hamilton musste für den Reifenwechsel den vollen Preis zahlen, als das Rennen wieder freigegeben war.

Toto Wolff: War klar, dass es schwierig wird

"Für Lewis sollte es von Anfang an von P15 aus ein schwieriger Nachmittag werden", sagt Toto Wolff. "Das erste Safety-Car kam zu früh, um das Rennen auf Medium zu Ende zu fahren, also blieben wir draußen. Dann verpassten wir die Gelegenheit, an die Box zu gehen, kurz bevor die Boxengasse unter dem VSC geschlossen wurde, was uns ein paar Positionen kostete."


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Hamilton fiel vom sechsten auf den zwölften Platz zurück, konnte aber mit frischen Mediumreifen Alexander Albon und Lance Stroll überholen und so noch einen Punkt retten. "Es ist ernüchternd, aber zumindest haben wir einen Punkt geholt. Und wir haben mit beiden Autos Punkte gesammelt", sagt er.

Dass er gegenüber Russell sowohl im Qualifying als auch im Rennen das Nachsehen hatte, führt Hamilton nicht auf äußere Umstände wie das unterschiedliche Set-up zurück. "Der gestrige Tag hat das Wochenende so viel schwieriger gestaltet, und das nehme ich auf meine Kappe", analysiert er selbstkritisch.

"Wir fühlen beide das Gleiche in diesem Auto. Er hat einfach im Qualifying und im Rennen den besseren Job gemacht", sagt Hamilton. Und er weiß: "Vor uns liegt eine Menge Arbeit, das steht fest. Aber ich weiß, dass wir ein großartiges Team haben. Wir müssen einfach ruhig bleiben und versuchen, uns zu verbessern."

"Seit dem letzten Rennen", meint er weiter, "hat sich nicht wahnsinnig viel geändert. Es waren ja auch nur ein paar Tage. Eins ist klar: Ich konnte am Ende nicht mit dem Haas mithalten. Die müssen ziemlich viel Leistung haben. Als ich Magnussen früher im Rennen einmal überholt habe, zog er sofort wieder an mir vorbei."

In der Weltmeisterschaft hat Hamilton nach zwei von 23 geplanten Rennen bereits 29 Punkte Rückstand auf den Gesamtführenden Charles Leclerc. Damit kann er beim Grand Prix von Australien nicht einmal rechnerisch in Führung gehen. Mit 16 Punkten liegt Hamilton auf P5. So schlecht ist er seit 2009 nicht mehr in eine Saison gestartet.

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