Was steckt hinter McLarens geheimnisvoller Upgrade-Taktik?
Updates, die nicht sofort auch im Rennen eingesetzt werden: Die besondere technische Strategie von McLaren und warum das Team damit erfolgreich ist
(Motorsport-Total.com) - McLaren hat bei mehreren Formel-1-Wochenenden technische Updates mitgebracht, ohne sie sofort im Rennen einzusetzen. Hinter dieser Strategie steckt mehr als bloß technisches Kalkül: Sie unterstreicht die komfortable Position, in der sich das Team derzeit befindet - besonders im Vergleich zur Konkurrenz.
Beispiel Silverstone: Dort brachte McLaren laut den technischen Unterlagen des Automobil-Weltverbands (FIA) einen komplett neuen Unterboden mit. Dieser wurde zwar im ersten Freien Training eingesetzt, aber wie Teamchef Andrea Stella betonte, war von Anfang an geplant, das neue Teil danach wieder zu demontieren.
Stella erklärte: "Der Plan war immer, dass der Unterboden nur ein Testteil ist, um frühzeitig Erkenntnisse über diese neue Spezifikation zu gewinnen."
Im zweiten Training setzte McLaren wieder auf die ältere Variante - mit der Lando Norris und Oscar Piastri schließlich im Rennen einen weiteren Doppelsieg einfuhren.
Das bedeutete jedoch keineswegs, dass der neue Unterboden enttäuschte - er war schlicht Teil eines langfristig angelegten Plans. Denn der neue Unterboden soll beim nächsten Rennen in Spa-Francorchamps im Qualifying und im Rennen zum Einsatz kommen.
"Das nächste Rennwochenende ist ein Sprint-Wochenende, bei dem es schwieriger ist, eine neue Spezifikation einzuführen und fundierte Vergleiche anzustellen", sagt Stella.
"Wir sind mit dem, was wir im Freien Training in Silverstone gesehen haben, sehr zufrieden. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wir dieses neue Teil bei den kommenden Rennen einsetzen werden."
McLaren in einer Luxusposition - anders als Red Bull
Diese Herangehensweise ist bei McLaren keine Ausnahme: Auch in Kanada brachte das Team eine neue Frontflügel-Spezifikation zunächst nur zum Testen mit, bevor sie erst in Österreich im Rennen verwendet wurde.
Ähnlich verhielt es sich mit dem Frontflügel für Barcelona, den Norris schon zuvor in Imola testete - ein Schritt, um sicherzustellen, dass die neue FIA-Direktive gegen sogenannte Flexi-Wings keine negativen Auswirkungen hatte.
In all diesen Fällen ging es McLaren nicht darum, Schwächen der neuen Teile zu kaschieren, sondern um eine gezielte Validierung: Die Korrelation zwischen Simulation und realer Streckenleistung sollte abgesichert werden. Das verhindert Probleme wie sie etwa Ferrari 2023 nach Einführung eines neuen Unterbodens in Barcelona hatte oder wie sie Red Bull durch seinen veralteten Windkanal regelmäßig zu schaffen machen.
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Was McLarens Taktik zudem verdeutlicht: Sie haben derzeit den Luxus, sich solche Testphasen leisten zu können. Wenn neue Teile potenziell eine Leistungssteigerung bringen und jede Zehntelsekunde zählt, warum dann nicht sofort einsetzen? Ganz einfach: McLaren kann es sich erlauben, vorsichtig zu agieren - ein Zeichen der momentanen Überlegenheit.
Während Red Bull gezwungen war, Upgrades wie die neuen Unterboden-Kanten schon ein Rennen früher in Österreich zu bringen (zumindest bei Max Verstappen), bleibt McLaren seinem schrittweisen Vorgehen treu.
Vorsprung durch Kontrolle statt Hektik
In einem engen Mittelfeld können sich andere Teams solche Verzögerungen nicht erlauben - da zählt jeder Fortschritt sofort. Doch McLarens Basis ist derzeit so stark, dass es wichtiger ist, diese zu bewahren, als auf Teufel komm raus ein paar Millisekunden früher herauszuholen.
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Dabei zeigt sich auch die strategische Raffinesse des Teams: Schon früh testete Norris die neue Flügel-Spezifikation, um auf mögliche Reglementänderungen vorbereitet zu sein - ein Vorgehen, das man sich nur mit einem gewissen Puffer leisten kann. Dennoch zeugt es von kluger Planung, maßgeblich beeinflusst von Technikchef Rob Marshall.
Spa als nächstes Upgrade-Ziel - Konkurrenz zieht nach
In Spa soll der getestete Unterboden endgültig zum Einsatz kommen. "Das Teil hat gut funktioniert. Wir sind sehr zufrieden mit den Daten und werden es an beide Autos montieren", sagt McLaren-Boss Zak Brown. Er sagt auch: "Da kommt noch mehr."
Gleichzeitig arbeiten auch andere Teams an Upgrades für Spa: Ferrari bringt eine neue Hinterradaufhängung, Red Bull laut Helmut Marko weitere Updates. Viele dieser Entwicklungen gehören zu den letzten größeren Maßnahmen der Saison, bevor der Fokus auf das neue Reglement 2026 übergeht.
Fazit: Kontrollierte Stärke als Erfolgsformel
Die durchdachte Update-Strategie von McLaren minimiert das Risiko von Fehlschlägen - ein Vorteil, den aktuell nur wenige Teams genießen. Diese Methodik, kombiniert mit technischer Kompetenz und einem starken Auto, verschafft dem Team aus Woking einen klaren Vorsprung und macht deutlich, wie sehr sich das Kräfteverhältnis in der Formel 1 verschoben hat.