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Norris: Dilemma und Hoffnungen im Kampf mit "aggressivem" Verstappen
Die WM biegt auf die Zielgerade: Für Herausforderer Norris lauern einige Hindernisse und Stolpersteine im Endspurt, er hat aber auch Asse im Ärmel gegen Verstappen
(Motorsport-Total.com) - Zuletzt hieß der Sieger zweimal Ferrari - doch nicht nur im Ziel, genau genommen auch schon direkt nach den harten Zweikämpfen der beiden Titelrivalen Max Verstappen und Lando Norris.
© Motorsport Images
Verstappen vs. Norris: Der Titelkampf biegt ein in die heiße Phase Zoom Download
Am Start in Austin schlüpfte Charles Leclerc dadurch in Führung, auch in Mexiko ging der Monegasse am Duo vorbei, nachdem Verstappen Norris in Kurve sieben von der Strecke fuhr. Von der verlorenen Zeit, auch gegenüber dem anderen Ferrari von Carlos Sainz, ganz zu schweigen: Resultat waren zwei eher mühelose Triumphe für die Scuderia.
Streiten sich zwei, freut sich eben der Dritte: "Ich heiße Max' aggressive Fahrweise gegen Lando willkommen, denn mir hilft sie", kann sich Leclerc nach den Vorkommnissen in Mexiko einen süffisanten Kommentar nicht verkneifen, und auch Norris ist anhand des zuletzt Gesehenen bewusst: "Es ist klar, dass es nicht zählt, ob er gewinnt oder Zweiter wird, Max' einziger Job ist es, mich im Rennen zu schlagen. Dafür wird er sich auch selbst opfern."
An der extrem harten und auf Norris ausgerichteten Fahrweise wird sich auch in den letzten vier Rennen des Jahres nichts mehr ändern. Das ließ Verstappen sogar selbst durchblitzen, als er nach dem Rennen in Mexiko bei Sky angab, das Einzige, was er im Nachhinein gerne anders gemacht hätte, sei die 20 Strafsekunden vor dem Boxenstopp für einen Drink zu nutzen ...
Verstappen weiß, dass er mit Red Bulls aktuellem Paket kaum um Siege kämpfen kann, seine Taktik und Fahrweise hat er deshalb längst auf den einzig reell verbliebenen WM-Widersacher ausgerichtet. Doch was bedeutet das für Norris?
Der Brite muss sich zwangsläufig auch an die verschärfte Gangart seines Gegenübers anpassen, und tat das mit seinen Ausweichmanövern zuletzt in Mexiko auch schon. Denn Norris kann sich eine Kollision oder einen Ausfall viel weniger leisten als Verstappen.
Jäger Norris naturgemäß in schwächerer Position
Die Position des Briten ist dadurch natürlich nicht gerade gestärkt: Norris wird auch weiterhin derjenige sein, der Kollisionen vermeiden muss, will er seine Titelhoffnungen am Leben erhalten. Dabei macht sich Verstappen lediglich die uralten Gesetzmäßigkeiten eines jeden Titelkampfes in der Formel 1 zunutze, wobei dem Jäger hinten raus ganz einfach die Zeit davonrennt, während der Führende mehr Risiko eingehen kann.
Beispiele dafür, und für die Auswirkungen dieses Szenarios auf die Fahrweisen der einzelnen Protagonisten, gibt es in der reichen Historie der Königsklasse genügend: Wäre Michael Schumacher 1994 in Adelaide oder 1997 in Jerez etwa so gefahren, wäre er nicht mit einem Punktevorsprung in das WM-Finale gegangen? Oder Ayrton Senna 1990 in Suzuka? Wohl kaum.
Auch Norris ist sich in Bezug auf Verstappen deshalb bewusst: "Er ist in einer sehr mächtigen Position in der WM, er ist weit vorne, er hat nichts zu verlieren. Die Leute können sagen, dass es andersrum ist, dass er alles zu verlieren, und ich alles zu gewinnen hätte. Aber das ist nicht der Fall."
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Zumal Norris mit McLarens Führung in der Konstrukteurs-WM gleich noch einen anderen Hemmschuh hat: Sollte er im Kampf mit Verstappen so viele Punkte verspielen, dass auch hier Ferrari am Ende der lachende Dritte ist, gehen dem Team neben einem möglichen WM-Titel auch viele Millionen Dollar Preisgeld durch die Lappen.
Verstappen muss indes weit weniger Rücksicht nehmen: Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko schrieb die Konstrukteurs-WM unlängst bereits öffentlich ab, wohl wissend, dass dieses Ziel aufgrund der anhaltend schwachen Leistungen von Sergio Perez, und der zuletzt eher stumpfen Waffe RB20, ohnehin in weitere Ferne gerückt ist - und nahm Verstappen damit weiteren Druck und Verantwortung. Der Niederländer kann ohne zusätzliche Ablenkung befreit für sich selbst kämpfen.
McLaren-Star hat noch zwei Asse im Ärmel
Doch: Noch ist trotzdem nicht aller Tage Abend für Norris' Hoffnungen, denn zwei Asse hat der Brite im Titelkampf nach wie vor im Ärmel, beziehungsweise auf seiner Seite: Einerseits lassen sich mit dem MCL38, erst recht nach geglücktem Unterboden-Update zuletzt in Mexiko, weiterhin aus eigener Kraft Rennen gewinnen - was sich von Verstappens Red Bull aktuell nicht wirklich behaupten lässt.
Für Norris heißt das im Umkehrschluss: Gelingt es ihm von nun an, die Wochenenden perfekt zu exekutieren, entgeht er damit an der Spitze automatisch auch den andauernden Kämpfen mit Verstappen. Zwar reichen dem Briten Siege allein nicht zum Titel aus eigener Kraft, jedoch darf er vor dem Hintergrund von Red Bulls zuletzt gezeigtem Defizit bei der Rennpace gegenüber Ferarri durchaus auf Schützenhilfe hoffen.
Außerdem hat Norris, sollte es doch wieder zu direkten Duellen mit seinem Widersacher kommen, seit Mexiko den Vorteil, dass die FIA nun offenbar gewillt ist einzugreifen, wenn die Dinge erneut aus dem Ruder laufen.
Masken ab: Verstappen All-in, wie reagiert Norris?
Der WM-Leader steht unter Beobachtung, auch aus der Öffentlichkeit und den Medien ist nun extremer Druck auf der Sache, seitdem die Masken quasi abgelegt sind, und Verstappen aller Welt gezeigt hat, dass er bereit ist alles zu riskieren. Spätestens seit dem klaren Präzendenzfall in Mexiko erhält Norris für sein Herangehen an die Zweikampfführung mit Verstappen viel Rückendeckung, so wie er sie im eigenen Team sowieso schon immer hatte:
"Unsere Gespräche und internen Analysen waren immer sehr klar: 'Lando, wir mögen, wir befürworten, und wir bestätigen die Art und Weise wie du Rennen fährst. Aber es ist nicht an dir, da rauszugehen und selbst für Gerechtigkeit zu sorgen'", erklärt McLaren-Teamchef Andrea Stella den Appell an seinen Schützling:
"'Du fährst Rennen, fair und sportlich, wie du es magst - und dann muss es da eine dritte Partei geben, die Stewards, die sagen werden, ob einige Manöver korrekt sind oder nicht. Also verzweifele nicht, du musst nichts beweisen, fahre einfach sauber und fair Rennen.'"
Für den Italiener ist klar: "Ich denke, hartes Racing ist gut. Aber es kann nicht nur von den Fahrern auf der Strecke ausgemacht werden, es braucht auch die dritte Partei, die Obrigkeit." Und eben diese wähnen McLaren, Stella und Norris im Schlussspurt gegen Verstappens destruktive Fahrweise nun endlich auf ihrer Seite ...