• 14. Februar 2023 · 11:08 Uhr

Die feine Klinge der Diplomatie: Das sagt Domenicali über Sulayem

Stefano Domenicali ist es gelungen, FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem einzufangen, und das mit einem bedacht formulierten Interview ohne Krawall

(Motorsport-Total.com) - Für Stefano Domenicali ist klar: "Ich bin kein Mann mit großem Ego. Das Ego ist mir egal. (...) Es wäre total falsch, große Schlösser zu bauen, damit wir messen können, wer der Beste von uns ist." Und er unterstreicht: "Ich werde mich nie dazu verleiten lassen, irgendwelche Grabenkämpfe zu führen. Das ist nicht meine Aufgabe. Da stehe ich drüber."

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Stefano Domenicali und Mohammed bin Sulayem bei der FIA-Gala in Bologna 2022 Zoom Download

Domenicali sagt diese Worte in einem kürzlich aufgezeichneten Interview mit Martin Brundle, das von 'Sky' in Großbritannien veröffentlicht wurde. Und der Formel-1-CEO bezieht sich damit auf die Rolle von Mohammed bin Sulayem, den umstrittenen Präsidenten des Automobil-Weltverbandes FIA.

Vergangene Woche hat Sulayem erklärt, sich nach etwas mehr als einem Jahr im Amt aus dem Tagesgeschäft der Formel 1 zurückzuziehen. Offiziell freiwillig; inoffiziell auf starken Druck von vielen Seiten hin.

Es gab viele Kritikpunkte am mächtigen Mann in der FIA. Dass er sich (anders als die meisten seiner Vorgänger) auf fast jedes Podium drängt, das wurde von den meisten Teilnehmern noch augenzwinkernd belächelt. Dass die Fahrer bei der Siegerehrung seit 2022 auch Medaillen erhalten, die ihnen natürlich der Präsident höchstpersönlich überreicht, das soll auch Sulayems Idee gewesen sein.

Dann war da noch der bizarre Auftritt Sulayems bei der FIA-Gala in Bologna, bei dem er sich für das Regelchaos in Suzuka rechtfertigte, bei dem die Welt zuerst nicht wusste, ob Max Verstappen nun schon Weltmeister ist oder noch nicht. Wobei dort nicht die Regelauslegung selbst ein Fehler der FIA war, sondern eher die Kommunikation schiefgegangen ist.

Formel 1: Suzuka 2022 darf sich nicht wiederholen

Domenicali hat zu Suzuka eine klare Meinung: "So etwas darf nicht passieren. Und um den Wert des Sports zu schützen, müssen wir sicherstellen, dass jeder seine Aufgabe zufriedenstellend erledigt." Was impliziert: Die FIA, als Schiedsrichter der Formel 1 in Sulayems Verantwortungsbereich, habe in Suzuka 2022 versagt.

Nicht zu vergessen der "Maulkorb", den die FIA den Fahrern verpasst hat. Dass die laut nachgeschärften FIA-Staturen in ihrer freien Meinungsäußerung eingeschränkt werden sollen, das kommt bei Lewis Hamilton & Co. gar nicht gut an.

Im Januar twitterte Sulayem dann auch noch, dass die Formel 1 in seinen Augen keine 20 Milliarden US-Dollar wert ist, nach einem angeblichen Angebot für die Vermarktungsrechte aus Saudi-Arabien. Darüber war der derzeitige Rechteinhaber Liberty Media natürlich erzürnt. Sulayem hatte sich in der Öffentlichkeit geschäftsschädigend geäußert.

Da versteht ein börsennotiertes Unternehmen wie Liberty Media keinen Spaß. Das wurde dem FIA-Präsidenten in einem Brief erklärt, der (wohl nicht ganz zufällig) seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. "Es war wichtig, unsere Aufgaben einmal zu definieren", sagt Domenicali. Damit war klar, dass Sulayem als omnipräsenter FIA-Präsident in der Formel 1 nicht mehr zu halten ist.

Domenicalis Interview mit Brundle wurde offenbar aufgesetzt, um Liberty Medias Sicht der Dinge zu verbreiten. Doch Domenicali wäre nicht Domenicali, würde er dabei auf Krawall machen. Ganz im Gegenteil: Der Formel-1-CEO drückt sich gewählt aus - formuliert seine Antworten aber so, dass die, die sich im Sport auskennen, die Kritik an Sulayem gut herauslesen können.

Was Domenicali konkret über Sulayem sagt

Wenn ein FIA-Präsident neu in die Formel 1 komme, sagt er zum Beispiel, "dann ist normalerweise klar, dass es ein Manifest gibt, das er zu respektieren hat. Das ist schließlich auch das, was er den FIA-Mitgliedsverbänden, die für ihn gestimmt haben, versprochen hat."

Es sei ein "Schlüssel zum Erfolg" der Formel 1 als Sport und Business, dass alle Beteiligten ihre Aufgaben erledigen - und: "Jede Art von Selbstdarstellung ist dafür nicht hilfreich." Es ist die ganz feine Klinge der Diplomatie: Domenicali wirft nicht Sulayem direkt vor, sich zu sehr inszeniert zu haben. Doch wen sollte er mit dieser Aussage sonst meinen?

Auch Sulayems Rückzug aus dem Tagesgeschäft der Formel 1 kommentiert Domenicali ohne Häme: "Wir haben mit Mohammed darüber gesprochen. FIA-Präsident zu sein, ist eine große Aufgabe, mit vielen Meisterschaften und dem großen Thema Mobilität." Das, findet Domenicali, solle der Präsident auf strategischer Ebene steuern.

Unausgesprochen: Bitte halte dich von der Formel 1 fern!

Aber im Subtext schwingt auch die unausgesprochene Aussage mit: Bitte halte dich von der Formel 1 fern! Ausgesprochen wird diese nicht, wenn Domenicali sagt: "Ich gehe davon aus, dass wir weiter in Kontakt bleiben werden, um die Zukunft des Sports zu diskutieren."

Doch hinter den Kulissen wurden Maßnahmen in die Wege geleitet, um der FIA operative Kontrolle über die Formel 1 zu entziehen. Sulayem konnte dazu überredet werden, die Formel 1 ruhen zu lassen und sich anderen Themen innerhalb der FIA zu widmen. Gleichzeitig wechselt Steve Nielsen von der Formel 1 zur FIA. Er wird künftig unter Nikolas Tombazis FIA-Sportdirektor sein.

Ob Sulayem 2023 tatsächlicher weniger omnipräsent sein wird in der Formel 1, das werden wohl erst die nächsten Monate zeigen. Eins ist aber jetzt schon klar: Domenicali ist es gelungen, die Vorstellungen von Liberty Media in dieser Diskussion durchzusetzen. Und das, ohne dabei einen Mordskrawall zu machen.

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