• 24. März 2022 · 14:41 Uhr

Damon Hill: Monza 2021 war wie Adelaide 1994

'Sky'-Experte Damon Hill erklärt, welche Parallelen er sieht zwischen dem WM-Titelkampf 2021 und seinen Erfahrungen mit Michael Schumacher in den 1990ern

(Motorsport-Total.com) - Damon Hill kennt sich aus mit umstrittenen WM-Entscheidungen. Er hat eine davon sogar selbst erlebt: In der Formel-1-Saison 1994 kämpfte Hill im Williams im letzten Rennen gegen Michael Schumacher im Benetton um die Meisterschaft, und es kam zur Kollision, Schumacher holte den Titel.

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WM-Finale mit Crash: Michael Schumacher und Damon Hill 1994 in Adelaide Zoom Download

Ob das kontroverse Finale 2021 in Abu Dhabi als eine Parallele dazu gelten kann? 'Sky'-Experte Hill winkt ab: "Wenn man die Ereignisse auf der Strecke vergleicht, würde ich sagen, Monza war wie Adelaide 1994. Das war für mich der Adelaide-Moment des Jahres."

Beim Italien-Grand-Prix 2021 hatte Max Verstappen im Red Bull vor Kurve 1 auf der Außenbahn attackiert, doch innen hielt Lewis Hamilton im Mercedes dagegen. Auch in diesem Fall gab es eine Kollision, beide Fahrer schieden sofort aus.

Was Monza 2021 für Abu Dhabi 2021 bewirkt hat

Laut Hill hat dieser Zwischenfall die Alarmsirenen schrillen lassen in der Formel 1 und Rennleiter Michael Masi vor dem Finalrennen 2021 zu drastischen Maßnahmen gezwungen. "Er stellte klar, es würde eine Strafe geben, falls jemand eine Kollision auslöst."

"Das hat sicher eine Rolle gespielt bei Lewis' Fahrt in diesem Rennen. Er wusste: Er darf sich nicht in eine Position bringen, in der er verwundbar sein würde", meint Hill. "So gesehen war der Schaden in Monza angerichtet worden. Lewis hätte dieses Rennen gewinnen können, wenn es die Berührung nicht gegeben hätte."

Auch Hill wäre ohne die Kollision mit Schumacher 1994 vielleicht Weltmeister geworden: Der Benetton von Schumacher hatte kurz zuvor einen "Mauerkuss" gehabt, der Williams von Hill war in dieser Phase des Rennens das schnellere Auto.

Hill: Ausgangslage 1994 eine völlig andere

Doch von einem Direktvergleich zu Hamilton und Verstappen will Hill gar nicht reden, weil die Situationen "sehr unterschiedlich" gewesen seien: "Lewis stand kurz vor dem achten Titelgewinn. Das hätte bedeutet, er wäre unbestritten der beste Fahrer überhaupt gewesen. Und auf der anderen Seite stehen ich und Michael, die wir davor noch nie einen Titel gewonnen hatten."


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Er selbst habe sich nach Adelaide 1994 auch "nicht geschlagen" gefühlt, sagt Hill. "Ich dachte, ich kriege vielleicht ein anderes Mal wieder eine Titelchance." Was sich später bewahrheitete: Nach einer erneuten WM-Niederlage gegen Schumacher 1995 folgte 1996 das große Jahr von Hill im Williams und er wurde Weltmeister.

Wie das Finale 2021 wahrgenommen wurde

2021 ging der Titel an Verstappen. Aber hat es sich die Formel 1 aufgrund der Ereignisse kurz vor Schluss im Rennen nicht mit ihren Fans verscherzt? Hill zeigt sich hier "nicht sicher" und meint: "Ich glaube, es gibt viele Gelegenheitszuschauer, denen das Finale 2021 wirklich gefallen hat."

"Vielleicht waren sie amüsiert und irritiert, aber sicherlich gut unterhalten. Das war auch die Formulierung, die ich nach Abu Dhabi verwendet habe. Ich sagte: Man kann nicht sagen, dass es nicht unterhaltsam war. Denn das war es. Es war Unterhaltung. Die Frage ist, ob die sportliche Integrität bewahrt wurde oder nicht. Das ist uns wichtig und auch den Fans."

Man dürfe Abu Dhabi aber nicht isoliert betrachten, erklärt Hill. Der 'Sky'-Experte erkennt Punkte in der Saison 2021, die sich auf das Finalrennen und dessen Umstände ausgewirkt hätten, wie er meint.

Hill: Mercedes-Dominanz "von oben" beendet?

Hills These: "Der Unterhaltungsfaktor wurde über richtig und falsch gestellt, immer wieder, nicht nur einmal. Ich will hier sicher nicht [nur] eine Person beschuldigen. Sofern meine Theorie stimmt, wollte jeder die Show maximal aufpeppen."

Nach so vielen Jahren der Mercedes-Dominanz, sagt Hill, habe man "vielleicht" versucht, neue Konkurrenz zu schaffen. "Wenn man die Unterboden-Modifizierungen bedenkt: Es hieß zu Saisonbeginn, dass das Mercedes mehr treffen würde als Red Bull. Es scheint, als hätten sich alle darauf verständigt, mehr Entertainment bieten zu wollen, mehr Spannung, mehr Racing."


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Das sei grundsätzlich "in Ordnung", meint Hill, und er stehe auch "zu hundert Prozent" hinter diesem Ansatz. "Was man aber nicht will, sind inkonsistente Entscheidungen, bei denen man auch mal ein Auge zudrückt, wenn es zweckdienlich ist."

Warum Hill um Nachsicht wirbt bei der FIA

Insofern habe das Finale in Abu Dhabi sowohl das Ansehen der Formel 1 als auch den Titelgewinn von Verstappen geschmälert. "Und manche vertreten die Ansicht, dass man Lewis einen Titel gestohlen hat, der rechtmäßig ihm gehören sollte", sagt Hill.

"Ich glaube, es ist klar, dass wir gerne ein anderes Ende gesehen hätten. Und damit meine ich nicht, dass Lewis gewinnt. Ich meine vielmehr, es hätte [auf der Strecke] anders zu Ende gehen sollen als in der Realität."

Letzteres habe dem neuen FIA-Präsidenten Mohammed Bin Sulayem das "denkbar größte Problem direkt vor die Nase gesetzt", weil dieser sein Amt unmittelbar in dieser Aufregung um Abu Dhabi angetreten habe. "Der arme Kerl hatte nicht mal Zeit, um sich in seine neue Rolle einzuarbeiten." Deshalb wirbt Hill für "Nachsicht" bei Bin Sulayems Aufarbeitung der Ereignisse.

Kritik am Rauswurf von Michael Masi

Gleichwohl übt Hill auch Kritik an den Änderungen, die der neue FIA-Chef angestoßen hat: Denn Michael Masi als bisheriger Rennleiter ist raus und es gibt viel mehr Unterstützung für die neuen leitenden Personen, unter anderem eine virtuelle Assistenz, wie man sie aus dem Fußball kennt.


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Stattdessen hätte sich 'Sky'-Experte Hill mehr Unterstützung für Masi gewünscht. "Er hat sein Bestes versucht, aber man kann eben nicht alle happy machen. Und wenn du so unter Druck gesetzt wirst, muss jemand aus dem Hintergrund vortreten und sagen: Wir stehen zu hundert Prozent hinter dir, Michael, wenn du eine Entscheidung triffst, die auf unseren Prinzipien und auf sportlicher Fairness basiert."

Und mit Masis Absetzung gäbe es noch ein weiteres "Problem", sagt Hill: "Es befeuert die These, wonach das Ergebnis falsch ist und er falsch gehandelt hat. Ich sage nicht, dass es richtig war. Doch vor dem Hintergrund, dass man ein Rennen als Rennen zu Ende bringen will und nicht hinter dem Safety-Car, kann man es ihm vielleicht nachsehen, unter Druck eingeknickt zu sein."

"Denn im Sport geht es auch um Druck auf den Entscheidern, die die Regeln anwenden. Das gehört dazu. Ob es jetzt ein Schiedsrichter ist, der zum falschen Zeitpunkt pfeift oder was auch immer. Das passiert. Solche Situationen sind unheimlich hart und können manchmal Karrieren ruinieren, aber [Offizielle] machen nun mal Fehler, genau wie Fahrer."

Rückblickend müsse man sich einfach eingestehen, dass die neuen Formel-1-Rennleiter ein Umfeld bekämen, wie es Masi nie hatte. "Sie können ihre Arbeit ohne zu viel Einmischung und Druck machen", sagt Hill. "Denn vergangenes Jahr ist deutlich geworden: Dieser Druck wurde taktisch eingesetzt." Auch das habe zum Ausgang des Formel-1-Finals in Abu Dhabi beigetragen.

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