• 07. Februar 2022 · 13:25 Uhr

Besseres Racing mit neuen Regeln: Diese Computerwaffe macht Mut

Vor der Saison 2022 stellen sich viele die Frage, ob die neuen Regeln das Racing wirklich verbessern: Doch die FIA hat eine Geheimwaffe als Vorteil

(Motorsport-Total.com) - Viele Formel-1-Fans sind schon gespannt auf die neuen Autos, die in den kommenden Tagen präsentiert werden. Doch ob das neue Reglement auch ein Erfolg ist, diese Antwort wird noch etwas auf sich warten lassen.

Foto zur News: Besseres Racing mit neuen Regeln: Diese Computerwaffe macht Mut

Die neuen Formel-1-Autos sollen das Racing besser machen Zoom Download

Schon Haas-Technikchef Simone Resta hatte am Freitag bei der Präsentation des VF-22 gesagt: "Bisher haben alle mit Modellen gespielt, ob es sich nun um ein maßstabsgetreues Windkanalmodell handelt oder um ein virtuelles Modell, einen Simulator, eine Simulation und so weiter. Es ist alles in der virtuellen Welt. Es gibt nichts auf der Strecke."

"Das Einzige, was zählt, ist die Leistung der Fahrer auf der Strecke. Wir müssen wirklich sehen, wie das Paket funktioniert, wie es mit den Reifen interagiert, wie es mit dem Set-up interagiert", so Resta.

"Wir können das erst beurteilen und das Hinterherfahren verbessern, wenn wir in der Lage sind, in einer schnellen Kurve eine Sekunde hinter einem anderen Auto zu bleiben und zu verstehen, wie es im Vergleich zu 2021 sein wird."

Restas Vorsicht beruht auf der Tatsache, dass die FIA und die Formel-1-Bosse immer wieder kühne Regeländerungen für ein besseres Spektakel durchgesetzt haben, diese dann im realen Rennbetrieb aber nicht zum Tragen kamen.

2009 hat nicht funktioniert

Ein berühmtes Beispiel dafür waren die Regeländerungen 2009, die darauf abzielten, die Aerodynamik der Boliden aufzuräumen, damit sie einander besser folgen können. Die Simulationen der FIA im Bereich der Luftturbulenzen ließen die Verantwortlichen hoffnungsvoll zurück, dass die Änderungen wirken würden.


Penis & Co.: So hässlich können F1-Autos sein!

Video wird geladen…

Immer dann, wenn die Formel 1 Regeln ändert, besteht die Gefahr, dass die Autos hässlich werden. Dieses Video zeigt besonders auffällige Beispiele. Weitere Formel-1-Videos

Am Ende aber machten die Teams alles zunichte, indem sie sich in ihrem Streben nach Performance über die Intention der Regeln hinwegsetzten. Die Aerodynamik der Teams störte die Strömung so, dass es für die Autos weiterhin schwierig war, einander zu folgen.

"Die Regeln enthielten so viele Freiheiten, dass wir innerhalb weniger Wochen mit Windkanaltests - und ich saß natürlich auf der anderen Seite - all die guten Dinge, die man sich ausgedacht hatte, völlig zunichte gemacht hatten", sagt FIA-Technikchef Nikolas Tombazis, der damals für Ferrari gearbeitet hatte.

Deutlich bessere Technologie als Vorteil

Doch mit einer noch größeren Regelnovelle als 2009 sind auch die Sportbosse zuversichtlicher, dass die Regeln ihren Zweck erfüllen werden. Denn die Formel 1 und die FIA haben härter denn je an der Aufstellung der Regeln gearbeitet.

Und was dabei wohl noch wichtiger war: Die Formel 1 konnte sich auf eine Technologie verlassen, die jener der Teams deutlich voraus und deutlich leistungsfähiger als alles war, was die Teams selbst benutzen dürfen. Anstatt sich darauf zu verlassen, dass Teams auf Zuruf in ihrer Freizeit aushelfen, war man der Zeit deutlich voraus und konnte seine eigene Arbeit umsetzen.


Fotostrecke: Das Formel-1-Auto 2022 in Bildern

Das lag auch an der Partnerschaft mit AWS, die mit ihrer Cloud-Technologie CFD-Simulationen durchführen konnten, bei denen die durchschnittliche Laufzeit so reduziert werden konnte, dass die Formel 1 und die FIA einen deutlichen Vorteil hatten.

"Es hat die Art und Weise, wie die FIA die Regeln schreiben konnte, gewissermaßen revolutioniert und verändert", betont Formel-1-Chefingenieur Rob Smedley gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Der Vorteil in Zahlen

Entscheidend bei den Nachforschungen war für die FIA und die Formel 1, dass man zwei Autos zusammen fahren lassen konnte. Denn nur so kann man die vollen Auswirkungen der Luftverwirbelungen analysieren und daran arbeiten, dass die Autos hintereinander herfahren können.

Die Komplexität und Verarbeitungsleistung dieser Simulationen überstieg die Möglichkeiten der Teams in einem realistischen Zeitrahmen. Darum hat sich die AWS-Lösung als absoluter Game-Changer erwiesen.


Mike Elliott erklärt, was sich 2022 technisch ändert

Video wird geladen…

Wie sehr unterscheiden sich die neuen technischen Regeln für die Formel 1 2022 vom Vorjahr? Mike Elliott, Technikchef bei Mercedes, gibt Antworten. Weitere Formel-1-Videos

"Die wichtigste technologische Hürde war, dass wir eine CFD-Simulation mit zwei Autos benötigten", sagt Smedley. "Wenn man eine CFD-Simulation mit einem Auto unter den aerodynamischen Testbeschränkungen des Teams durchführt, dann dauert ein 50-Prozent-Auto mit etwa 200 Rechenkernen etwa fünf Stunden."

"Und nur mal so am Rande: Das sind etwa 100 Millionen Zellen in dieser Simulation. Bei einem kompletten Auto kommt man auf etwa 200 bis 250 Millionen Zellen. Wenn man also die 192 Kerne der Simulation des Teams verwendet, kommt man bei einem kompletten Auto auf 14 Stunden", so Smedley.

"Wenn wir dieselbe Technologie und Rechenleistung der Teams nutzen wollten, kämen wir bei einer Simulation mit zwei Fahrzeugen und der doppelten Anzahl von Zellen auf 550 bis 600 Millionen Zellen - und das würde vier Tage dauern."

Wie AWS der Formel 1 hilft

"Als wir uns zum ersten Mal die Reise begonnen haben, haben wir vier Tage für eine einzige Iteration gebraucht. Das ist unerschwinglich. Es ist ein Hindernis für die notwendige Forschung und Entwicklung", so der Ingenieur.

Die Formel 1 wusste, dass sie eine andere Lösung finden musste: Und deshalb erwies sich das AWS-Angebot als so vorteilhaft, weil es die Zeit für die Durchführung von Runs drastisch verkürzte.

"Ich glaube, die erste Iteration lief in ihrem EC2-Service mit 1000/1100 Kernen, und in der zweiten Version sind wir bei etwa 2500 Kernen angelangt", betont Smedley weiter. "Das hat eine Design-Iteration von vier Tagen auf sechs bis acht Stunden verkürzt."


Haas-Launch: F1-Präsentation 2022

"Wir waren wieder in der Situation der Teams, wenn sie ein halbes Auto verwenden, und wir haben Simulationen mit zwei kompletten Autos durchgeführt", sagt er. "Der Fortschritt in Sachen Technik war enorm. Ermöglicht wurde dies durch unsere Partnerschaft mit AWS, und sie waren die wirklichen Ermöglicher und die Schlüsselkomponente, damit das funktioniert."

"Aber der Punkt war, dass wir die Simulationen und Iterationen schnell genug durchführen mussten. Diese Designschleife war so schnell wie möglich, damit wir mithalten und die Regeln so schreiben konnten, wie wir es getan haben."

Wiederholung von 2009 ausgeschlossen?

Kann also eine Wiederholung von 2009 komplett ausgeschlossen werden, als die Teams die Intention der Regeln komplett zerstört haben?

Smedley, der selbst lange bei Ferrari und Williams gearbeitet hat, weiß genau, dass die Teams die Regeln mit einem völlig anderen Mindset angehen als die Regelhüter. Daher ist ihm auch klar, dass sie versuchen werden, Grauzonen auszuloten. Und das könnte die besten Absichten der Formel 1 zunichtemachen. Aber er glaubt nicht, dass das passieren wird.


Formel-1-Technik 2022 in 3D: Alles, was du wissen musst

Video wird geladen…

Trotz einer Verschiebung von 2021 auf 2022 steht das technische Update der Formel 1 vor der Tür. Mit völlig neuen Autodesigns, verbesserten Reifen, neuen Flügeln und einem neuartigen Venturi-Tunnel-Unterboden verspricht das Jahr 2022 ein bahnbrechendes Jahr für die Formel 1 zu werden. Aber nicht nur das: Jake Boxall-Legge wirft auch einen Blick darauf, was im Laufe des Jahres zu erwarten ist, was die Ziele für 2022 sind und ob all die neuen Änderungen an den Autos funktionieren werden. Weitere Formel-1-Videos

"Das Konzept, die aerodynamische Architektur, die wir hier mit einem halben Ground-Effect-Auto und einer Aufwärtsströmung zu schaffen versuchen, ist zweifellos die Richtung, die wir einschlagen mussten, wenn wir die Wirkung der Strömung auf das nachfolgende Auto reduzieren wollten", sagt Smedley.

"Aus theoretischer oder wissenschaftlicher Sicht besteht also kein Zweifel daran, dass das Konzept grundlegend solide ist."

Smedley gibt sich optimistisch

Er weiß aber auch: "Die grundlegende Wahrheit ist, dass die Teams so schnell wie möglich nach Performance jagen werden, in welche Richtung auch immer, und es ist natürlich möglich, dass sie Performance finden, die für das nachfolgende Auto nicht hilfreich ist - und sie werden das nicht verhindern."

Da nicht vorhersehbar ist, wie die Teams mit dem Reglement umgehen und möglicherweise die besten Absichten der Formel 1 zunichtemachen werden, kann Smedley nicht garantieren, dass die Regeln 2022 perfekt funktionieren werden. Aber er sagt, dass es für den Ausgangspunkt Zuversicht gibt, und dass die Formel 1 antworten kann, sollten Verbesserungen notwendig sein.

Foto zur News: Besseres Racing mit neuen Regeln: Diese Computerwaffe macht Mut

Rob Smedley hat jahrelange Erfahrung in der Formel 1 Zoom Download

"Ich denke, das ist das Schöne an der Formel 1. Wenn man jetzt alle Antworten wüsste und wir uns hinsetzen und alles ausarbeiten würden, wäre die Formel 1 für mich und Leute wie mich sicherlich ziemlich langweilig", sagt Smedley. "Wie Ross Brawn immer sagt: Wir können nicht darauf bauen, es gleich richtig hinzubekommen. Aber schauen wir mal, dass wir einen Schritt nach vorne gemacht haben."

"Und wenn wir einen Schritt nach vorne gemacht haben und nach einem Lernjahr 2022 weitere grundlegende Schritte unternehmen können, ist das großartig. Lasst uns so weitermachen und einen besseren Sport aufbauen."

Aktuelles Top-Video
Foto zur News: Stroll & Seargant fahren F1, Mick nicht: Ist das unfair, Ralf Schumacher?
Stroll & Seargant fahren F1, Mick nicht: Ist das unfair, Ralf Schumacher?

Die "Silly Season" in der Formel 1 ist im Frühjahr 2024 "sillier" als je zuvor.

Fotos & Fotostrecken
Foto zur News: Formel-1-Mittelfeld-WM: So spannend wäre es  2024 ohne die fünf Topteams ...
Formel-1-Mittelfeld-WM: So spannend wäre es 2024 ohne die fünf Topteams ...
Foto zur News: Schanghai: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion
Schanghai: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion

Foto zur News: Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1
Alle Sieger von Sprintrennen in der Formel 1

Foto zur News: F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
F1: Grand Prix von China (Schanghai) 2024
Samstag

Foto zur News: Formel-1-Qualifying: Modus im Wandel der Zeit
Formel-1-Qualifying: Modus im Wandel der Zeit
Folge Formel1.de
Videos
Foto zur News: Stroll & Seargant fahren F1, Mick nicht: Ist das unfair, Ralf Schumacher?
Stroll & Seargant fahren F1, Mick nicht: Ist das unfair, Ralf Schumacher?
Foto zur News: Charlie Wurz: Der nächste Österreicher in der Formel 1?
Charlie Wurz: Der nächste Österreicher in der Formel 1?

Foto zur News: Würde Red Bull auch mit dem 2023er-Auto gewinnen?
Würde Red Bull auch mit dem 2023er-Auto gewinnen?

Foto zur News: Danner: "Was Toto sehr fehlt, ist Niki Lauda"
Danner: "Was Toto sehr fehlt, ist Niki Lauda"
Top-Motorsport-News
Foto zur News: WRC Rallye Kroatien 2024: Reifenpoker - Neuville führt knapp vor Evans
WRC - WRC Rallye Kroatien 2024: Reifenpoker - Neuville führt knapp vor Evans

Foto zur News: Remy Gardner beste Yamaha: Warum das erste WSBK-Podium so spät kam
WSBK - Remy Gardner beste Yamaha: Warum das erste WSBK-Podium so spät kam

Foto zur News: Türkischer Sim-Racer Cem Bölükbasi bekommt Chance in der Formel 2
F2 - Türkischer Sim-Racer Cem Bölükbasi bekommt Chance in der Formel 2

Foto zur News: mcchip-dkr kriegt kein GT3-Auto: "Fühle mich verarscht"
NR24 - mcchip-dkr kriegt kein GT3-Auto: "Fühle mich verarscht"
Formel-1-Datenbank
Formel-1-Datenbank: Ergebnisse und Statistiken seit 1950
Formel-1-Datenbank:
Ergebnisse und Statistiken seit 1950

Jetzt unzählige Statistiken entdecken & eigene Abfragen erstellen!

Formel1.de auf YouTube