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Hermann Tilke wehrt sich gegen Kritik an seinen F1-Strecken
Was Formel-1-Streckenarchitekt Hermann Tilke seinen Kritikern entgegnet und welche speziellen Hindernisse er in Abu Dhabi zu überwinden hatte
(Motorsport-Total.com) - Bieten die von Hermann Tilke entworfenen Formel-1-Rennstrecken weniger spannende Rennen als andere Kurse? Zumindest der Yas Marina Circuit in Abu Dhabi steht derzeit in der Kritik, und nicht erst nach dem Formel-1-Saisonfinale 2020. Doch dieser Kritik stellt sich Tilke im Gespräch mit 'Der Standard' und erklärt, warum nicht er alleine den Schwarzen Peter haben kann.

© Motorsport Images
Eine Tilke-Rennstrecke: Der Yas Marina Circuit in Abu Dhabi steht in der Kritik Zoom Download
Im Fall Abu Dhabi verweist Tilke konkret auf "äußere Zwänge", die dazu beigetragen hätten, dass die Rennstrecke so sei, wie sie ist. Und er nennt ein Beispiel: das Streckenhotel mitten im dritten Sektor.
"Das Yas-Hotel hatte 200 Zimmer. Ein Dreivierteljahr vor Bauende hieß es, es soll doppelt so groß werden. Dann haben wir das gleiche Hotel nochmals gebaut und davor ins Wasser gestellt", erklärt Tilke. Und solche kurzfristigen Planänderungen gäbe es immer wieder.
Äußere Faktoren machen Tilke das Leben schwer
Ebenfalls in Abu Dhabi hätte laut dem Formel-1-Streckenarchitekten "ein Stadtteil" in das Layout eingebettet werden sollen. "Dieser wurde aber nie verwirklicht", sagt Tilke. "Deshalb konnten wir auch nicht mit der Querneigung der Kurven spielen, die mehr Dynamik reingebracht hätte."
Äußere Faktoren wie diese tragen laut Tilke zum Endprodukt einer modernen Formel-1-Strecke bei. Genau wie in Sotschi, wo er "nicht viel Spielraum" gehabt habe, meint Tilke. "Die Olympischen Spiele 2014 hatten damals Priorität." Der Bau der Formel-1-Strecke sei daher "kein einfaches Projekt" für ihn gewesen, aufgrund der vielen Restriktionen.
Fotostrecke: Neue Formel-1-Strecken seit 2000
24.09.2000: Grand Prix der USA in Indianapolis. Das erste Premierenrennen der Formel 1 nach der Jahrtausendwende ist eigentlich keines. Einen Großen Preis der USA hatten schon mehrere Rennstrecken ausgerichtet, und zwischen 1950 und 1960 zählte das Indianapolis 500 zur Formel 1. Doch 2000 gingen die Piloten erstmals auf der 4,129 Kilometer langen Strecke an den Start, die das berühmte Oval mit einem Straßenkurs verbindet. Fotostrecke
Letztere seien für Beobachter von außen meist nicht zu durchschauen, sagt Tilke weiter. "Viele Kritiker wissen nichts davon. Ein Fahrer meinte einmal: 'Wenn du diese Kurve weiter gemacht hättest, wäre sie flüssiger zu fahren.' Ich sagte ihm: 'Ja, aber da war das Grundstück zu Ende.'"
Was Tilke mit seinen Layouts bezweckt
Grundsätzlich versuche er in seinen Entwürfen stets, Passagen einzubauen, "die Fehler provozieren", so erklärt Tilke. "Wenn der Hintermann keinen macht, kann er ranfahren oder vorbeikommen. Für die Formel 1 ist das aber schwierig, sie hat die besten Fahrer der Welt. Die machen am Freitag Fehler und am Sonntag so gut wie keine mehr."
Dazu trage auch die Technisierung der Rennserie bei, mit ihren vielen Analysemöglichkeiten und der Vorbereitung im Simulator. Hinzu komme außerdem die Formel-1-Aerodynamik, die ein Hinterherfahren erschwere.
Fotostrecke: Was wurde aus alten Formel-1-Strecken?
Der Formel-1-Kalender hat sich in den vergangenen 20 Jahren stark verändert. Viele Strecken sind gekommen, viele sind gegangen. Zur Saison 2018 verabschiedet sich mit Malaysia ein weiteres Rennen aus der Königsklasse. Doch was ist eigentlich aus den vielen anderen ehemaligen Formel-1-Kursen geworden? Wir liefern einen Überblick. Fotostrecke
Mit einer langen Gerade sowie einer scharfen Bremszone alleine sei es also nicht getan, sagt Tilke. Das sei "eine Möglichkeit, aber keine Garantie". Begründung: "Wenn die Kurven davor nicht erlauben, weit genug zum Vordermann aufzuschließen, nützt das nix. Diesen Rückstand können schnellere Autos auf der Geraden nicht mehr aufholen."
Der Vorwurf: "Tilke-Strecken sehen alle gleich aus!"
Und das sei zum Beispiel ein Thema in Abu Dhabi, meint Tilke. "Der Yas Marina Circuit leidet unter diesem Phänomen." Abhilfe schaffen könnte "vielleicht das neue Regelwerk" ab 2022, so sagt er.
Tilke stellt sich aber auch dem Vorwurf, seine Strecken würden sich teilweise frappierend ähnlich sehen. Sein Kommentar dazu: "Die langen Geraden und scharfen Kurven sind den Überholmöglichkeiten geschuldet. Wenn man es auf diese Elemente herunterbricht, ja."
Die Kurse in ihrer Gesamtheit jedoch seien jeweils individuell gestaltet und "vom Charakter her unterschiedlich", betont er. Und Tilke fügt hinzu: "Wir können nicht zehn Red-Bull-Ringe bauen, nur weil der gut funktioniert."
Am Neubau des Red-Bull-Rings hat Tilke mit seiner Firma übrigens genauso mitgewirkt wie seit dem Sepang Circuit 1999 praktisch an jeder neuen Formel-1-Rennstrecke, von Austin über Istanbul bis hin zum Yas Marina Circuit in Abu Dhabi. Auch bei der Verkürzung des Hockenheimrings nach dem Grand Prix 2001 war er involviert.