• 23. Juni 2014 · 19:28 Uhr

Mateschitz schließt eigenen Formel-1-Motor aus

Warum ein eigener Red-Bull-Antrieb für die Formel 1 keinen Sinn ergibt und welcher ehemalige Schweizer Motorenbauer damit in Verbindung gebracht wird

(Motorsport-Total.com) - In Spielberg kamen am vergangenen Wochenende Gerüchte auf, wonach Red Bull künftig einen eigenen Formel-1-Antrieb entwickeln könnte. Denn mit dem aktuellen Partner Renault ist man höchst unzufrieden, Mercedes und Ferrari werden sicher nicht so dumm sein, ihren schärfsten Konkurrenten zu stärken, und Honda ist zumindest bis Ende 2015 exklusiv an McLaren gebunden. Also kam die Idee auf, dass Red Bull das Projekt Antrieb selbst in die Hand nehmen könnte, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Firma AVL aus Graz, die auf Simulations- und Antriebstechnologien spezialisiert ist und jede Menge Motorsport-Know-how vorweisen kann.

Foto zur News: Mateschitz schließt eigenen Formel-1-Motor aus

Dietrich Mateschitz hat keine Pläne, in die Automobilbranche einzusteigen Zoom Download

Tatsächlich waren AVL-Chef Helmut List und sein Motorsport-Beauftragter Peter Schöggl am vergangenen Wochenende in Spielberg. Doch die ursprünglich von 'auto motor und sport' ins Rollen gebrachte Geschichte wird wohl weniger heiß gegessen, als sie gekocht wurde. Denn auch wenn Motorsportkonsulent Helmut Marko geschickt mit diesen Gerüchten kokettiert (womöglich um Renault unter Druck zu setzen), wischt "Oberbulle" Dietrich Mateschitz diese nun erstmals dezidiert vom Tisch.

Zwar findet er es eigentlich nicht die Mühe wert, die Gerüchte zu dementieren, aber er stellt gegenüber den 'Salzburger Nachrichten' dann doch klar: "Wegen eines Formel-1-Motors werden wir nicht auch noch zum Autobauer." Zuvor hatte Marko den Medienberichten freien Lauf gelassen und diese sogar noch angeheizt, indem er im britischen Fernsehen erklärte, es sei grundsätzlich alles möglich. Bei Renault ist man sich der Loyalität von Red Bull seither jedenfalls nicht mehr sicher.

Mateschitz verlangt volles Engagement von Renault

Wahrscheinlich zu Unrecht: "Unsere Probleme liegen außerhalb unseres Einflussbereichs", sagt Mateschitz zwar, versucht aber, bei aller berechtigten Kritik fair mit dem unter Beschuss stehenden Antriebshersteller aus Frankreich umzugehen: "Wir haben mit Renault die vergangenen vier Jahre die WM gewonnen und stehen loyal zu unserem Motorenpartner. Aber die Lage ist ernst. Der Motorenentwicklung muss endlich Priorität gegeben werden."

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Der Renault-Antriebsstrang ist momentan wohl der schlechteste in der Formel 1 Zoom Download

Red Bulls Vertrag mit Renault läuft bis Ende 2016, und auch aus technologischer Sicht könnte ein eigener Formel-1-Antrieb frühestens zum Saisonbeginn 2017 fertig sein. Dafür müsste jetzt der Startknopf gedrückt werden. Denn AVL könnte so ein Projekt theoretisch in der sensationellen Zeit von zweieinhalb Jahren stemmen, doch dafür müsste Personal aufgestockt werden. Am Mercedes-Antrieb arbeiten in Brixworth beispielsweise 400 Mann.

Die Idee, einen Red-Bull-Antrieb von Mario Illien in Großbritannien bauen zu lassen, kam gestern bei den Kollegen von 'Sky Sports F1' auf. Der Schweizer Motorenbauer soll schon rudimentäre Pläne für einen V6-Turbo in der Schublade haben. Theoretisch könnte ihn Adrian Newey als übergeordneter Koordinator in einem Innovationszentrum in Milton Keynes mit AVL-Know-how zusammenspannen. Zwischen der Red-Bull- und Illiens Fabrik liegen nur 45 Fahrminuten.

Newey & Illien: Man kennt sich...

Hinzu kommt, dass sich Newey und Illien aus gemeinsamen McLaren-Mercedes-Jahren gut kennen und großen Respekt voreinander haben - ihre Lebensläufe überschneiden sich zwischen 1997 und 2005, mit die erfolgreichsten Jahre der Silberpfeil-Vorläufer. Newey festigte damals seinen Ruf als bester Aerodynamiker der Formel 1, während Illien Geistesblitze wie etwa das sündteure, aber extrem leichte Material Beryllium für den Motorenbau hatte.

Gegen einen Red-Bull-Motor - mit welchem Partner auch immer - spricht freilich die schiere Dimension eines solchen Projekts. Geht man von mindestens 250 Ingenieuren mit einem Jahresgehalt von durchschnittlich je 100.000 Euro aus, kostet alleine das Personal in der Aufbauzeit mehr als 60 Millionen Euro. Und da sind noch keine sonstigen Kosten für Forschung, Entwicklung, Simulation und Tests eingerechnet.

Gesamtkosten nicht unter 150 Millionen Euro

Sprich: Macht man es richtig - und nur dann wäre ein solches Projekt für Red Bull sinnvoll -, muss man mit Gesamtkosten von rund 200 Millionen Euro rechnen. Das ist für jemanden wie Dietrich Mateschitz nicht unfinanzierbar, aber trotzdem eine Menge Geld. Und man geht das Risiko ein, erst recht wieder hinterherzufahren, weil man selbst 2017 mit einem brandneuen Antrieb starten müsste, während alle anderen schon drei Jahre Vorsprung haben.

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Sebastian Vettel blieb in dieser Saison schon einige Male technisch bedingt stehen Zoom Download

Hinzu kommt: Während Renault jetzt noch alle Möglichkeiten hat, die Schwachstellen zumindest für 2015 auszumerzen, weil über den Winter nur acht Prozent der Antriebsstrang-Teile homologiert sind, werden für den Winter 2017/18 laut festgeschriebenem Zeitplan der FIA schon 35 Prozent der Antriebseinheit "eingefroren". Oder, in einfachen Worten: Je länger man wartet, desto schwieriger wird es - und früher als 2017 zu kommen, ist selbst für Red Bull nicht möglich.

Wahrscheinlicher als ein eigener Red-Bull-Motor ist also, dass die aktuellen Gerüchte vor allem ihren Zweck erfüllen sollen, nämlich Renault mächtig unter Druck zu setzen. Das ergibt gerade jetzt, in der heißesten Phase der Entwicklung des neuen 2015er-Antriebs, Sinn - und ist auch der Grund dafür, weshalb Renault bei Red Bull ausgerechnet nach Spielberg einen sogenannten "Abschlussbericht" vorlegen musste. Die Franzosen tanzen nach Red Bulls Pfeife.

Was kann "Professor" Prost retten?

Und ziehen nun auch noch Markenbotschafter Alain Prost zurate, der offen zugibt, dass die Renault-Schwäche in der Saison 2014 "irgendwie schon" absehbar war: "Dass Mercedes gute Arbeit geleistet hat, war offensichtlich. Die pushen hart und investieren viel - und es ist etwas anderes, wenn man nur Partner ist und mehr über kommerzielle Dinge spricht." Denn während bei Mercedes alles unter dem Dach eines Konzerns entsteht, sind Red Bull und Renault eigenständige Partner.

"Es muss sich etwas ändern", räumt Prost ein. "Als viermaliger Weltmeister mit Red Bull tut es weh, was gerade passiert - das sollten wir nicht auf uns sitzen lassen. Selbst wenn man manchmal unweigerlich verlieren muss, darf man es nicht auf diese Weise tun." Und der "Professor" kündigt gegenüber 'Sky Sports F1' an, dass er sich künftig "ein bisschen" einmischen könnte. Genau das wollte Red Bull wohl erreichen: dass Renault endlich aufwacht...

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