• 01. September 2025 · 02:02 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Lando Norris

Es wäre "wirklich tragisch", würde ein Defekt die WM entscheiden, findet Ralf Schumacher - aber Christian Nimmervoll schreibt Lando Norris noch nicht ab ...

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

Foto zur News: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Lando Norris

Enttäuscht, aber nicht hoffnungslos: Lando Norris nach dem Ausfall in Zandvoort Zoom Download

da saß er also, wie ein Häufchen Elend, in den Dünen von Zandvoort, zog sich die Knieschützer von den Beinen und sah Oscar Piastri dabei zu, wie dieser den Grand Prix der Niederlande 2025 gewann: Lando Norris, daran besteht kein Zweifel, muss am Montagmorgen der Fahrer sein, der als Verlierer des Wochenendes am schlechtesten geschlafen hat.

Als der McLaren in Runde 65 von 72 sein Leben aushauchte, dämmerte Ralf Schumacher im Live-Kommentar von Sky sofort: "Das wäre tragisch, wenn das die WM entscheidet. Wirklich tragisch." Denn Norris' Rückstand war mit einem Schlag von neun auf 34 Punkte angewachsen.

Ein Rückstand, wie er in der Geschichte der Formel 1 schon einmal erfolgreich aufgeholt wurde: 2012, als Sebastian Vettel auf Red Bull zwischenzeitlich 44 Punkte hinter Fernando Alonso auf Ferrari lag - und am Ende trotzdem Weltmeister wurde.

Noch in Spa hatte McLaren-Teamchef Andrea Stella erklärt: "Wir als Team werden versuchen, sicherzustellen, dass wir sowohl in puncto Zuverlässigkeit als auch in puncto Teamwork so gut wie möglich sind, sodass am Ende die Fahrer selbst über ihr Ergebnis im Kampf um die Fahrer-WM entscheiden."

Ausfallursache: Verlust von Öldruck

Diesbezüglich hat McLaren am Sonntagnachmittag in Zandvoort eindeutig versagt. Oder vielleicht auch Powerunit-Partner Mercedes? Tatsache ist: Alle Mercedes-Teams außer McLaren hatten 2025 schon technische Probleme im Motorumfeld. Nur McLaren nicht. Möglich, dass der Ölverlust, der Norris außer Gefecht setzte, eher auf Mercedes- als auf McLaren-Seite angesiedelt ist. Letztendlich macht das aber keinen Unterschied. Chassis und Motor, das betrachte man als ein Team, stellt Stella klar, ohne den Finger in Richtung Brixworth zu heben.

Als Norris am Boxenfunk meldete, er bemerke Rauchentwicklung im Cockpit und rieche "something funny", da griff sich Stella am Kommandostand bereits nachdenklich an die Nase. "Riecht nicht gut", funkte Norris hinterher, und spätestens jetzt dürften Stella & Co. in den Daten erkannt haben, dass der Öldruck rapide absinkt. Norris fuhr noch ein paar hundert Meter weiter, aber da war seinen Ingenieuren schon klar, dass er die Zielflagge nicht sehen würde.

"Kannst du das Auto noch zurückbringen?", wollte Renningenieur Will Joseph wissen. "Nein, nein. Das ist hinüber", antwortete Norris mit erstaunlich gefasster Stimme. "Fuck. Tut mir leid", schob Joseph entschuldigend hinterher, und: "Kumpel, du warst heute schnell. Du warst richtig schnell."

Aber Norris hatte sich selbst im ersten Schock soweit im Griff, seinem Team keine Vorwürfe zu machen, die Kolumnen wie diese am Montag sicher schlagzeilenträchtig aufgegriffen hätten. Er sagte: "Das war Pech, Jungs." Und bewahrte selbst in einer seiner schwierigsten Stunden ein "konstruktives Mindset", wie Stella lobt.

Parallelen zu Hamiltons Ausfall in Malaysia 2016

Als Lewis Hamiltons Mercedes-Motor in Malaysia 2016 in Flammen aufging (und damit wahrscheinlich auch seine WM-Chancen im Duell gegen Nico Rosberg), war der damals erst dreimalige Weltmeister viel weniger entspannt. "Oh no, no", heulte er dramatisch in den Boxenfunk - und danach, so erzählt Toto Wolff die Geschichte heute, herrschte wochenlang Funkstille zwischen Hamilton und seinem Team.

Norris hingegen redete schon in den ersten TV-Interviews im Paddock davon, dass er jetzt halt versuchen müsse, alle Rennen zu gewinnen, und stellte sich lächelnd zum McLaren-Siegerfoto, auf dem diesmal ein Pokal fehlte, nämlich seiner für Platz 2 im niederländischen Grand Prix. Man hatte den Eindruck: Es war kein aufgesetztes Lächeln, mit dem er in die Kameras strahlte, sondern ein ehrliches.

Denn auch wenn in einer Umfrage auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de Stand Mitternacht 79 Prozent der Fans glauben, dass Norris 2025 nicht Weltmeister wird, und viele Medien in ihrer Nachberichterstattung von einer Vorentscheidung für Piastri schreiben, gibt es durchaus Gründe, die dagegen sprechen, dass Norris ab sofort an akuter Schlaflosigkeit leiden muss. Zum Beispiel ein paar Rechenspiele (ausführlich besprochen in unserem Formel-1-Livestream am Sonntagabend).


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Erstens: Wenn Norris von jetzt an wirklich alle zwölf verbleibenden Rennen (darunter drei F1-Sprints) gewinnt und Piastri jedes Mal Zweiter wird (was so freilich sicher nicht eintreten wird), würde er auf Piastri nicht nur die notwendigen 34, sondern sogar 66 Punkte gutmachen. Insgesamt sind 2025 noch 249 Punkte zu vergeben. Da klingen 34 dann plötzlich gar nicht mehr nach so viel.

Zweitens: Allein in Melbourne und Monaco hat Norris um 33 Punkte mehr gesammelt als Piastri. Das sind, zugegeben, extreme Ausreißer aus der Norm des Jahres 2025. Aber es ist zumindest ein Indiz dafür, dass mit 34 Punkten Rückstand noch nicht alles verloren sein muss. Zumal Norris drei der letzten fünf Grands Prix gewonnen hat und seine Formkurve zuletzt eigentlich nach oben zeigte. Zandvoort-Wochenende eingeschlossen, zumindest bis zur hauchdünnen Niederlage im Qualifying.

In der Formel 1 wurden schon größere Rückstände aufgeholt

Und drittens: In der Geschichte der Formel 1 wurden bereits viel größere Rückstände aufgeholt. Vettel 2012 wurde in diesem Kontext bereits genannt.


Spektakuläre Aufholjagden im F1-Titelkampf

Noch beeindruckender sind eigentlich die 26 Punkte Rückstand, die Kimi Räikkönen (damals auf Ferrari) 2007 auf Lewis Hamilton (McLaren) aufgeholt hat. Denn damals gab es in der Formel 1 nur zehn statt 25 Punkte für einen Sieg, und mit dem Faktor 2,5 multipliziert entsprechen 26 Punkte 2007 umgerechnet 65 Punkten 2025. Plus: Räikkönen hatte damals nur noch sieben statt neun Grands Prix für seine Aufholjagd, und keine drei F1-Sprints on top.

Ich bin durchaus bei Stella, der am Sonntagabend davon sprach, dass Norris jetzt womöglich noch stärker zurückschlagen könnte. Norris' Verhalten nach seinem Ausfall hatte charakterlich Größe. Es wäre ihm und dieser WM zu wünschen, dass er jetzt auch sportlich Größe an den Tag legen und die Saison noch einmal spannend machen kann. Auch wenn nicht mehr viele an ihn glauben.

Die Saison 2025 braucht endlich Drama und Kontroverse

Sehr wahrscheinlich war Norris am Sonntagabend, als er seinen Burger verdrückt hatte und er nicht mehr von Kameras verfolgt wurde, auch mal richtig gepisst. Vermutlich hat er sich bei Papa Adam am Abend richtig ausgekotzt, vermutlich hat er nicht besonders ruhig und friedlich geschlafen. Und das ist auch in Ordnung so.

Diese WM, mit von McLaren erstaunlich unkontrovers vorgetragenen "Papaya-Rules", braucht im Sinne eines für Netflix vermarktbaren Dramas dringend eine aufregende Story. Und welche Story könnte aufregender sein als die des Underdogs, den alle schon abgeschrieben haben - und der es am Ende doch allen zeigt?

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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