Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Isack Hadjar
Isack Hadjars Podium in Zandvoort war eine wahrlich herausragende Vorstellung, und zwar eine, die Helmut Marko ganz sicher nicht entgangen ist ...
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

© Getty Images Europe
Isack Hadjar: Geht Zandvoort 2025 als Geburt eines Champions in die Geschichte ein? Zoom Download
Isack Hadjar ist kein typischer Formel-1-Fahrer. Er tritt nach Qualifyings oder Rennen oft vor die Medien, ohne die maximale Leistung abgerufen zu haben - und sucht keine Ausreden. Er antwortet knapp, blickt seinem Gegenüber direkt in die Augen und sagt Sätze, die so hart gegen ihn selbst gerichtet sind, dass Journalisten manchmal fast in die Rolle fallen, ihn aufmuntern zu wollen.
"Du bist der einzige Fahrer, der in diesem Jahr noch nie in Q1 ausgeschieden ist. Das ist doch nicht schlecht, oder? Ein Grund, zumindest ein bisschen zu lächeln", hielt man ihm in Ungarn vor, kurz nachdem er sich auf Startplatz 10 qualifiziert hatte. "Ja", entgegnete Hadjar - und schwieg. Auch der Hinweis, dass Q3 für einen Rookie durchaus beachtlich sei, hellte sein Gemüt nicht auf.
"Ich bin hinter meinem Teamkollegen", sagte er nur. Mehr musste er nicht hinzufügen. So ist er eben.
Hadjars Manager: Erinnerungen an die Anfänge
Jeremy Satis, einst französischer Journalist und heute Teil der Managementagentur The Grid, die Hadjar betreut, erinnert sich an sein erstes Treffen mit ihm: "Das war in Zandvoort, damals noch in der Französischen Formel 4. Er hatte kein gutes Rennen gefahren. Ich fragte seinen Coach, ob ich ihn interviewen könne. Der sagte nur: 'Vielleicht wartest du eine Stunde. Er ist gerade wütend auf sich selbst.'"
"Und Isack lief auf und ab, schimpfte über sich selbst: 'Wie kann ich nur so fahren?', 'All die Opfer, die meine Eltern bringen ...' Er hörte gar nicht mehr auf. Ich kann dir sagen: 90 Prozent der Jungs schieben es aufs Auto oder die Bedingungen. Er machte sich selbst für alles verantwortlich."
Dass er dieses Jahr ins Formel-1-Cockpit rutschte, war auch ein Stück weit Glück - Sergio Perez' Formkrise öffnete dafür die Tür. Und so recht wirkte es nicht, als hätte Red Bull nur auf den Moment gewartet, Hadjar aus den Nachwuchsformeln in die große Königsklasse zu befördern.
Für die einen zu arrogant, für die anderen zu naiv ...
Die Eindrücke im Unterbau der Formel 1 waren gemischt: für die einen zu arrogant, für die anderen zu naiv. Immer wieder betonte Hadjar in Interviews, dass er es in die Formel 1 schaffen werde, selbst wenn die Resultate dagegen sprachen. Auch am Funk war er hitzig. Material, das in den sozialen Medien schnell Verbreitung fand.
Und selbst als er es dann geschafft hatte, wirkte er im Fahrerlager manchmal deplatziert. Ohne Teamkleidung hätte man ihn leicht für einen Fan halten können, der Autogramme sammelt - besonders, wenn er schwärmerisch über Lewis Hamilton sprach. Und dann war da noch Melbourne.
Alles in allem ergibt sich ein Bild voller Kontraste: Der Junge lebt seinen Kindheitstraum - aber das allein ist ihm nicht genug. Er verlangt stets mehr von sich selbst.
Unerschütterlicher Glaube an sich selbst
Nicht in die Formel 1 zu kommen, war für ihn nie eine Option. Seine Mutter Randa, die Architektin seiner Karriere, prägte diesen Gedanken. Er brauchte keinen Helmut Marko, der ihn morgens um 6:00 Uhr nach einem schlechten Rennen anrief. Das, was Marko gesagt hätte, sagte er sich selbst.
Mit diesem unerschütterlichen Glauben an den eigenen Weg gab es für Hadjar keine Alternative.
"Ich erinnere mich, wie er in der Formel 3 bei Hitech fuhr, ohne realistische Titelchancen", erzählt Satis. "Und er sagte ständig: 'Wenn ich in der Formel 1 bin ...' Ich fragte ihn: 'Sagst du das, weil es cool klingt?' Er antwortete: 'Nein, Mann. Ich habe keine Wahl. Ich werde in der Formel 1 fahren.' Und er sagte das genauso vor Leuten, die später Sponsoren wurden. Klar, jeder Fahrer sagt das. Aber die meisten glauben es nicht wirklich. Bei ihm hast du gespürt: Er glaubt es."
Spätestens Zandvoort hat wohl die Frage beantwortet, wer der Rookie des Jahres 2025 ist. Ein Podium mit den Racing Bulls ist nicht dasselbe wie eines mit Mercedes. Und in der Formel 1 zählt für Neulinge vor allem: erst die Ausreißerleistungen, dann die Konstanz.
Warum Hadjar bei Helmut Marko hoch im Kurs steht
Hadjars Saison war nicht fehlerlos. Seit Spanien hatte er nur einen Punkt geholt und ließ Liam Lawson bis zur Sommerpause im WM-Stand fast gleichziehen. Schnell war er, aber er brachte selten alles zusammen. Frag ihn selbst, und er listet dir gnadenlos auf, was er alles falsch gemacht hat. Doch das wird nicht das Bild seiner Rookiesaison prägen. Das Podium in Zandvoort wird es. Weil es sein Potenzial zeigt.
So oder so war es beeindruckend: eine aus dem Nichts kommende Runde in Q3 für Startplatz 4, das Abwehren der Ferraris und Mercedes in den ersten Runden, drei Neustarts überstehen, keinen Fehler bis ins Ziel - und fast das gesamte Rennen im Windschatten von Max Verstappen.
Genau das liebt Marko. Der Österreicher verpflichtet gern Fahrer nach herausragenden Einzelleistungen. Kritiker würden sagen: ebenso gern, wie er sie wieder fallen lässt. So auch bei Hadjar, nach seinem FRECA-Sieg 2021 in Monaco. Marko rief ihn kurzerhand im Hotel an und bot einen Vertrag an.
Mit Markos Gespür für Schlagzeilen-Ergebnisse könnte Hadjars Zandvoort-Glanz nun die Weichen stellen - vielleicht sogar in Richtung Stammcockpit bei Red Bull Racing. Vor allem, da Yuki Tsunodas Durchhänger anhalten. So eine Vorstellung zu toppen, wird für den Japaner extrem schwierig.
Ob Red Bull Racing für Hadjar selbst überhaupt die beste Lösung wäre, sei dahingestellt. Der Platz neben Verstappen ist schließlich einer der härtesten in der Formel 1. Doch das ist eine Frage für einen anderen Tag.
Euer
Oleg Karpow