Warum Mercedes die Chancen auf einen erneuten Las-Vegas-Sieg herunterspielt
Im Vorjahr holte sich George Russell in Las Vegas sowohl die Pole als auch den Sieg - Warum Mercedes in dieser Saison trotzdem nicht mit einer Wiederholung rechnet
(Motorsport-Total.com) - Im vergangenen Jahr war Mercedes in Las Vegas das Maß der Dinge: George Russell sicherte sich am Samstag die Pole und führte am Sonntag einen souveränen Mercedes-Doppelsieg vor Teamkollege Lewis Hamilton an. Dennoch rät das Team davon ab, in der Zockermetropole erneut auf die Silberpfeile zu setzen.
Denn eine sichere Wette wäre es wohl kaum. "Ich habe gesagt: Lasst uns einfach genau das gleiche Auto wie letztes Jahr behalten, lasst es uns nicht verändern - aber leider ist das nicht mehr der Fall", erklärt Teamchef Toto Wolff, der aus diesem Grund nicht an eine Wiederholung des Vorjahreserfolgs glaubt.
"Also müssen wir sehr analytisch an die Frage herangehen, welches Auto wir für Las Vegas brauchen, wie die Umgebungstemperatur aussieht und ob wir diese Performance replizieren können. Aber ich bezweifle es", gibt der Österreicher zu. "Wir müssen mit einer offenen Herangehensweise dort hinfahren. Es ist ein neues Wochenende und hoffentlich können wir gut performen."
Warum Mercedes im Vorjahr so stark war
Die Zweifel an der eigenen Konkurrenzfähigkeit haben mehrere Ursachen, obwohl der Stadtkurs dem Mercedes im Vorjahr entgegenkam, vor allem dank der glatten Asphaltoberfläche und der niedrigen Temperaturen. Denn in der gesamten Ground-Effect-Ära rang Mercedes damit, eine stabile Balance in der Fahrwerksabstimmung zu finden.
Auf Strecken mit wenig Unebenheiten wie in Las Vegas und bei kühleren Bedingungen, die das Überhitzen der Reifen begrenzen, funktionierten die Autos allerdings spürbar besser. Die langen Geraden des Las Vegas Strip Circuit kühlen die Reifenoberflächen ab, und es fehlen schnelle, langgezogene Kurven, die eine thermische Belastung erzeugen würden.
Doch in diesem Jahr wurde der Rennstart um zwei Stunden vorverlegt (hier der komplette Zeitplan zum diesjährigen Las Vegas GP) und die Temperaturen dürften entsprechend höher sein. Und das ist nicht der einzige Grund für gebremste Erwartungen.
Mercedes W16 wurde grundlegend verändert
"Ich finde es sehr schwierig, eine realistische Leistungserwartung zu formulieren, denn wenn man letztes Jahr und dieses Jahr vergleicht: Wir haben zwischen dem vergangenen und diesem Jahr in allen möglichen Rennen gewonnen", sagte der stellvertretende Technikchef Simone Resta im Team-Debrief nach Brasilien.
"Es ist ziemlich schwierig, eine direkte Prognose abzugeben, wie wir letztes Jahr waren und wie es dieses Jahr sein wird. Wir gehen mit der gleichen Motivation in diese Rennen. Wir versuchen, uns bestmöglich vorzubereiten. Die Fahrer sind beide recht positiv, und wir versuchen, unsere Performance zu maximieren."
Hinzu kommt: Am diesjährigen W16 nahm Mercedes grundlegende Änderungen vor, mit zwei klaren Zielen: Zum einen sollte die Schwäche in langsamen Kurven beseitigt werden, wo frühere Modelle zu starkem Untersteuern neigten. Zum anderen wollte man einen konstanteren Abtrieb bei etwas höherer Bodenfreiheit erreichen.
Im vergangenen Jahr half die Fähigkeit, die Reifen in kalter Luft schnell auf Temperatur zu bringen, diese Untersteuertendenz auszugleichen. Das neue Konzept lieferte jedoch gemischte Ergebnisse: Die Hinterachsgeometrie, die erstmals in Imola getestet wurde, musste im Spätsommer wieder abgerüstet werden.
Mercedes unsicher, ob W16 in Las Vegas funktioniert
Das Performance-Fenster des W16 unterscheidet sich dennoch deutlich, und zwar so sehr, dass Mercedes noch immer unsicher ist, wo das Auto wirklich glänzen kann. "Ich hätte gesagt, Silverstone wäre eine große Chance", meint Wolff. "In Montreal haben wir gewonnen, aber in Silverstone überhaupt nicht - und in Spa ebenfalls nicht."
Tatsächlich wurde Spa, eigentlich aufgrund der glatten Oberfläche und meist kühlen Bedingungen als klassische Mercedes-Strecke gehandelt, zum Debakel: Kimi Antonelli schied im Sprint- wie im GP-Qualifying in Q1 aus, Russell holte im Sprint keine Punkte und wurde im Rennen am Sonntag unauffällig Fünfter.
"Also möchte ich unsere Erwartungen nicht auf das Ergebnis vom letzten Jahr stützen", ergänzt Mercedes-Teamchef Wolff, "denn wir sind schon zuvor geschlagen worden ... in Brasilien zum Beispiel: Ein Jahr haben wir dominiert, im nächsten waren wir nirgendwo ..."


