McLaren-Debakel in Austin: Red Bull wittert Chance auf WM-Titel
Nach der Poleposition für Max Verstappen in Austin sowie dem McLaren-Doppelausfall im Sprintrennen hat Red Bull Lunte gerochen: WM-Titel noch möglich?
(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen meldet sich eindrucksvoll im WM-Kampf zurück. Beim Formel-1-Sprint in Austin gewann der Red-Bull-Pilot das Rennen souverän und profitiert dabei vom Doppelausfall der beiden McLaren-Fahrer. Dadurch verkürzt der Weltmeister seinen Rückstand in der Gesamtwertung um acht Punkte - und setzt nur Stunden später mit der Poleposition fürs Hauptrennen am Sonntag ein weiteres Ausrufezeichen.
Auf die Frage, ob dieser Tag seine WM-Hoffnungen wiederbelebe, bleibt Verstappen jedoch cool: "Es geht nicht ums Glauben", sagte er nach dem Sprint. "Ich nehme das Rennen für Rennen. Ich versuche einfach, das Beste zu geben. Heute war es perfekt für mich, die Punkte mitzunehmen. Das bringt mich natürlich näher heran - was schön ist, vielleicht nicht für die anderen, aber für alle, die zuschauen."
Ganz zufrieden ist er mit seiner eigenen Performance aber nicht: "Ich war mit dem Tempo im Rennen nicht ganz glücklich. Wenn wir morgen gewinnen wollen, müssen wir besser sein. Darauf werde ich mich konzentrieren."
Wenn du weiter gewinnst, ist das gut - Verstappen bleibt nüchtern
Im Gespräch mit Sky zeigt sich der Niederländer gewohnt unaufgeregt. Auf die Frage, wann er anfange zu rechnen, antwortet er trocken: "Wenn du weiter gewinnst, ist das natürlich gut. Aber heute - klar, wir haben den Sprint gewonnen - war das Tempo nicht da, wo ich es haben wollte. Wenn wir morgen gewinnen wollen, müssen wir definitiv stärker sein. Das analysieren wir jetzt."
Dass der Rückstand von 55 Punkten auf Oscar Piastri deutlich geschrumpft ist, kommentiert Verstappen mit Zurückhaltung. Für ihn zählt die Tagesform, nicht die Tabellenrechnung. "Wir werden sehen, was passiert", sagt er. "Ich kann leider nicht in die Zukunft schauen. Mit manchen Dingen wäre das schön, aber wir schauen jetzt erst mal, was wir im Qualifying machen können."
Helmut Marko warnt McLaren: "Wir müssen gewinnen"
Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko sieht die Lage etwas direkter. Bei Sky rechnet er vor: "Max liegt jetzt 55 Punkte hinter Oscar Piastri. Wir müssen gewinnen - nur mit acht oder drei Punkten reicht das nicht. Aber schauen wir mal: Es kommen noch einige spannende Rennen, wo die erste Kurve kritisch ist."
"Max fährt locker. Wir haben zwar was zu verlieren, aber der Druck ist nicht auf unserer Seite - das ist ein Vorteil." Gleichzeitig erkennt Marko erste Anzeichen von Nervosität beim Gegner: "Man sieht, dass Piastri Fehler macht - und das ist gut so", sagt er mit einem Grinsen.
Nach dem Qualifying, in dem Verstappen sich die Poleposition sichert, legt Marko nach: "Wir haben uns sukzessive gesteigert. Zum Schluss ist mit neuen Reifen keine zweite Runde mehr gegangen, weil die vor uns so getrödelt haben. Da muss die FIA etwas machen, wenn die Session so kurz ist. Aber es hat für die Pole gereicht. Was immer wir am Auto geändert haben, es hat gewirkt. Das Auto liegt jetzt ruhiger als im Sprint - wir sind fürs Rennen optimistischer."
McLaren unter Druck: Die Leichtigkeit ist weg
Timo Glock beobachtet die Situation bei McLaren kritisch. "Diese Lockerheit, die man lange hatte, ist weg", sagt der Sky-Experte. "Man sieht, sie sind nicht mehr in der Lage, so zu dominieren wie zuvor. Jetzt müssen sie reagieren - und das fällt ihnen schwer. Dazu kommt diese ganze Geschichte mit den sogenannten Papaya-Regeln, über die man das ganze Wochenende redet. Das erzeugt zusätzlichen Druck."
Die Folge: Fehler schleichen sich ein, Piastri und Norris verlieren die Kontrolle über den eigenen Rhythmus. "Das bringt sie in eine zwanghafte Situation", so Glock weiter. "Und irgendwann wird auch die Frage kommen, wann McLaren auf einen Fahrer setzt - nämlich auf Oscar Piastri, wenn er diesen Vorsprung noch hat. Mit all dem müssen sie sich jetzt beschäftigen. Und Max Verstappen beschäftigt sich damit, sie zu ärgern."
Toto Wolff: Irgendwann muss sich McLaren entscheiden
Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff blickt auf die Situation zwischen Red Bull und McLaren: "Insgesamt wird es natürlich jetzt haarig", glaubt der Österreicher. "Du siehst, da kommt mit großen Schritten der Max. Irgendwann einmal wird man vielleicht eine Entscheidung treffen müssen - je nachdem, wie die nächsten zwei Rennen gepunktet werden."
Für Wolff ist klar: Der Druck liegt nun ganz bei McLaren. Verstappen hingegen kann befreit auftrumpfen - und genau das nutzt er derzeit gnadenlos aus.
McLaren-Teamchef Andrea Stella versucht, die Spannung aus der Situation zu nehmen. Auf die Frage nach den WM-Implikationen antwortet er nüchtern: "Die Konsequenz ist das, was die Mathematik sagt. Wir haben mit beiden Fahrern acht Punkte verloren. Aber wir konzentrieren uns auf uns selbst. Wir wissen, dass wir ein sehr konkurrenzfähiges Auto und zwei starke Fahrer haben. Wenn wir normal Rennen fahren, wird sich die Punktebilanz von selbst regeln. Wir freuen uns einfach auf normale Rennen."
Ecclestone legt sich fest: Verstappen wird Weltmeister
Auch Formel-1-Urgestein Bernie Ecclestone schaltet sich ein - mit einer provokanten Einschätzung gegenüber der Bild: "Alle Zeichen bei McLaren sprechen dafür, dass Norris den Titel holen soll. Deshalb nehmen sich er als Zweitplatzierter und WM-Leader Piastri gegenseitig die Punkte weg - und Max macht's wieder."
Nach Verstappens Poleposition in Austin zeigt sich Helmut Marko weiter kämpferisch. "Wir sind immer noch rund 55 Punkte hinten - das ist viel", gibt er zu. "Aber ich habe mir intern ausgerechnet, hier müssen wir 15 Punkte aufholen. Und das schaut aus, als könnte sich das ausgehen."
Sollte Verstappen den Grand Prix am Sonntag gewinnen und McLaren auf den Startpositionen ins Ziel kommen, hätte der Niederländer weitere 17 Punkte auf WM-Leader Piastri gutgemacht und wäre damit nur noch 38 Punkte hinter der Spitze. Der WM-Kampf scheint endgültig wieder offen - ein Szenario, das noch vor wenigen Wochen kaum jemand erwartet hätte.