Charles Leclerc: Set-up-Experiment in Baku war eine Schnapsidee
Nach starkem Start am Freitag erlebte Ferrari in Aserbaidschan ein Wochenende zum Vergessen: Ein Set-up-Poker scheitert, während man zudem das Reifenfenster verfehlt
(Motorsport-Total.com) - Charles Leclerc zahlte für seinen Samstagscrash und einen riskanten Set-up-Eingriff beim Großen Preis von Aserbaidschan: Aus einem Freitag mit Ferrari-Bestzeit und starker Long-Run-Pace wurde ein bitteres Wochenende und am Ende nur Platz neun. Leclerc zieht nach dem Rennen klare Schlüsse - und legt den Finger direkt in die Wunde.

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Charles Leclerc kam beim Großen Preis von Aserbaidschan nicht wirklich auf Touren Zoom Download
"Am Ende des Tages kann ich nur hart mit mir selbst sein und habe nicht so performt, wie ich hätte sollen gestern im Qualifying, offensichtlich mit einem Fehler in Q3. Es war bisher eine sehr starke Saison, aber an diesem Wochenende war ich nicht auf dem Level, auf dem ich sein sollte, und ja, dafür zahle ich heute den Preis."
Zudem erklärt er, dass er im Verlauf des Wochenendes bewusst ein anderes Set-up ausprobiert habe, das sich im Nachhinein nicht bewährt habe: "Ich habe an diesem Wochenende meinen Ansatz beim Set-up geändert. Wenn man bedenkt, wie stark ich in der Vergangenheit war, bin ich mir nicht sicher, was mich glauben ließ, dass das eine gute Idee sei."
"Aber dadurch habe ich den Rhythmus im Qualifying verloren. Ich habe dann zurückgestellt auf das, was ich normalerweise fahre, fühlte mich wieder wohler, aber dann passierte der Fehler, sodass ich es nicht zeigen konnte. Insgesamt war es ein sehr chaotisches Wochenende, und ich werde mir das genau anschauen, um die gleichen Fehler in Zukunft nicht zu wiederholen."
Powerunit-Problem: Zehn Runden im DRS und verlorene Chancen
Neben der Selbstkritik an der eigenen Entscheidung nennt Leclerc ein technisches Problem, das dem Rennverlauf zusätzlich schadete. Er spricht offen von einer Leistungseinbuße, die in einer kritischen Phase auftrat: "Leider hatte ich im ersten Stint für etwa zehn Runden ein ziemlich großes Problem mit der Powerunit, und wir wissen noch nicht, was der Grund dafür war."
"Es kam von einer Runde auf die andere und wir wissen nicht, was passiert ist. Ich brauche da noch mehr Informationen. Es war nicht das ganze Rennen über da, später war alles wieder normal. Aber genau in der Phase, in der wir die Chance gehabt hätten, Autos zu überholen, steckte ich im DRS fest und war auf der Geraden sehr langsam. Ich konnte in diesem Abschnitt nicht viel machen."
Teamchef Frédéric Vasseur ergänzt die Analyse: "Ich denke, die Pace war okay. Das Problem ist, dass es zwei verschiedene Situationen gab: Charles hatte ein Problem an der Motorenseite - es waren nicht fünf Zehntel pro Runde, aber es reichte, um die ganze Zeit hinter jemandem festzuhängen und nicht überholen zu können."
"Und der Preis ist nicht nur die zwei Zehntel, die du auf der Motorenseite verlierst, sondern die zwei Zehntel plus die Lücke zum Auto vor dir. Das war für Charles sehr viel. Aber am Ende des Tages ist die Schlussfolgerung - weil das gilt für uns, aber auch für Norris - dass wir gestern etwas verloren haben, nicht heute. Heute sind wir hinter Norris gestartet und haben hinter Norris beendet, so ist es nun mal."
Set-up-Experiment, Reifenfenster und Ausblick auf Singapur
Leclerc beschreibt, warum genau das gewählte Set-up auf Baku nicht funktionierte - und warum er daraus lernen will. Die entscheidende Erkenntnis: Die Abstimmung war für diesen Kurs ein Fehlgriff, nicht eine generelle Philosophie. Er sagt dazu: "Ich glaube nicht, dass das auf andere Strecken zutreffen wird. Es war mehr ein Ansatz speziell für hier, was das Set-up betrifft."
Er benennt außerdem das altbekannte Problem, das Ferrari diesem Wochenende plagte: das Reifenfenster. Wiederholt musste Leclerc Zickzack fahren, um die Seitenwand-Temperatur der Pneus zu erzeugen - eine Maßnahme, die er so erklärt: "Mit unserem Auto war es sehr schwierig, die Reifen im richtigen Fenster zu halten. Deshalb musste ich so stark Zickzack fahren."
Die Reifen könnten damit neben dem Set-up ein weiterer Faktor sein, warum Ferrari im Verlauf des Wochenendes an Pace verloren hat, denn der Freitag war noch der wärmste Tag, danach wurde es nur kühler und damit einhergehend immer schwerer, die Reifen auf Temperatur zu bekommen.
"Ich freue mich auf wärmere Bedingungen, das auf jeden Fall", so Leclerc. "Unser Auto hat große Probleme, wenn es kalt ist. Man hat gesehen, dass Mercedes in kühlen Bedingungen sehr stark ist. Sie waren eines der einzigen Autos, die im Q3 die Medium-Reifen zum Arbeiten gebracht haben, zusammen mit Williams. Beide Autos sind in kalten Bedingungen sehr stark. Wir sind stärker, wenn es heiß ist, und darauf hoffe ich in Singapur."