Nervenflattern beim Boxenstopp: Als Hülkenbergs Podium kurz wackelte ...
Beim Restart kachelt Nico Hülkenberg fast Lance Stroll rein, dann patzt die Sauber-Crew beim Boxenstopp: Zweimal hing sein Podium in Silverstone am seidenen Faden!
(Motorsport-Total.com) - Am Ende durfte Nico Hülkenberg in Silverstone über sein erstes Podium in der Formel 1 jubeln - bevor es so weit war, mussten der Deutsche und sein Team jedoch die ein oder andere brenzlige Situation überstehen: Abgesehen von den stets schwierigen Bedingungen stachen dabei vor allem zwei Szenen raus, die das lang ersehnte Hülkenberg-Podest um ein Haar verhindert hätten:
Zum einen in Runde 17, als der Sauber-Fahrer durch den Ziehharmonika-Effekt vor dem Restart unter der Brücke auf der Hangar Straight fast Lance Stroll ins Heck gekachelt wäre, und ins Gras ausweichen musste - etwas, das er auch nach dem Rennen im Cooldown Room im Gespräch mit Oscar Piastri ansprach.
Wobei Hülkenberg irrtümlich davon ausging, dass der in der Anfangsphase taktgebende McLaren-Pilot für sein Verhalten bei jenem Restart bestraft wurde. Das war jedoch nicht der Fall, die FIA sanktionierte Piastri erst für den Restart in Runde 21, obwohl es bei diesem - mit Ausnahme von Verstappen - dahinter deutlich geordneter und ungefährlicher zuging...
Hülkenberg hat sich Stroll "sauber zurechtgelegt"
Dass Hülkenberg die Szenen später durcheinander brachte war wohl nicht nur seinem Freudentaumel geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass er über weite Strecken des Rennens hinter dem grünen Aston Martin von Stroll hing. Erst als beim Kanadier die Reifen nachließen, schnappte der Deutsche in Runde 35 zu und stürmte vor auf den dritten Rang. Für seine Geduld in dieser Phase gibt es anschließend großes Lob von Teamchef Jonathan Wheatley:
"Ich war heute erstaunlich ruhig an der Boxenmauer, denn ich hatte das Gefühl, dass Nico einfach Geduld hatte. Er hat verschiedene Linien ausprobiert, weil es nach wie vor sehr schwierig ist, einem anderen Auto wirklich dicht zu folgen, und er war oft genau dort hinter Lance, wo es besonders schwer ist, den Anschluss zu halten. Aber mit Hilfe des DRS hat er ihn sich dann sauber zurechtgelegt", erklärt der Brite.
Weil das jedoch kurze Zeit später auch Lewis Hamilton gelang, der ebenso am Aston-Martin-Piloten vorbeiging, entbrannte ein spannendes Duell zwischen Hülkenberg und dem Ferrari-Piloten um den letzten Platz auf dem Podium. Dabei bewiesen der Deutsche und seine Sauber-Truppe letzltich das glücklichere Händchen.
Wheatley: "Genau beobachtet, was die anderen machen"
Schon beim ersten Reifenwechsel von Intermediates auf Intermediates habe man in puncto Timing "absolut die richtige Entscheidung" getroffen, findet Wheatley: "Und ich denke, eine weitere wichtige Entscheidung - gerade mit Blick auf Lewis' Tempo - war der Zeitpunkt für den Wechsel auf Medium-Reifen danach. Wir haben gewartet, haben nicht als Erste gezuckt, sondern sehr genau beobachtet, was die anderen machen."
Und die stoppten in Runde 42, Ferrari wechselte bei Hamilton auf rote Reifen. Nicht so Sauber: "Wir haben mit Nico über die richtige Reifenwahl gesprochen. Und ehrlich gesagt haben wir eher zwischen Hard und Medium abgewogen - der Soft war für uns nur eine Option, falls es deutlich später im Rennen gewesen wäre", verrät Wheatley. Der nächste richtige Call, denn Hamilton tut sich mit seinen schneller abbauenden Pneus über die Distanz der letzten zehn Runden eher schwer.
Noch entscheidender war aber: Der Brite leistete sich auf seiner Outlap direkt nach der Boxenausfahrt einen Ausrutscher, verlor dadurch kostbare Zeit - die Sauber am Ende selbst bitter nötig hatte, weil auch die Boxencrew der Schweizer patzte, als Hülkenberg eine Runde später als Hamilton zum Service kam: Vorne links klemmte das Rad, was unterm Strich 4,6 Sekunden Standzeit bedeutete.
"Ehrlich gesagt gab es da heute ein bisschen Nervosität bei der Boxencrew", räumt auch Wheatley mit Blick auf die Szene ein, betont jedoch: "Ich möchte dabei nicht vergessen, dass wir ein noch junges Team sind. Wir lernen uns gegenseitig immer besser kennen, das Selbstvertrauen wächst." Als erfahrener Mann im Fahrerlager wisse er, dass es eben "ein wenig dauert, bis wirklich jeder sich sicher fühlt".
"Diese eine Runde hat am Ende den Unterschied gemacht"
Durch das deutliche bessere Timing des Stopps eine Runde später, blieb der kleine Schönheitsfehler jedoch folgenlos: Strategen und Fahrer sei Dank. "Genau deswegen war es so wichtig, zum richtigen Zeitpunkt auf die Trockenreifen zu wechseln und nicht zu früh. Lewis hat Druck gemacht, indem er zuerst reingefahren ist. Aber wir haben in aller Ruhe besprochen, wann der richtige Moment ist. Und ich glaube, diese eine Runde hat am Ende den Unterschied gemacht", sagt Wheatley mit Blick auf den Puffer.
"Ehrlich gesagt wollten einige von uns sogar noch eine Runde draußen bleiben. Das Gefühl an der Boxenmauer war, dass es eigentlich noch zu früh sei. Und genau deshalb bin ich heute so stolz auf das Team, auf die Strategen, die Renningenieure", sagt der Teamchef, der dann auch noch ein Extralob verteilt: "Auch Gabriels Renningenieur war weiter voll eingebunden, hat mit dem Team gearbeitet", verrät Wheatley.
Obwohl Hülkenberg-Teamkollege Bortoleto in Silverstone bereits früh ausschied, fieberte er genauso wie sein Ingenieur mit dem Rest der Truppe mit: "Er hat nicht einfach seinen Laptop zugeklappt und ist gegangen. Dieses Teamgefühl wächst immer weiter und wird von Woche zu Woche stärker", freut sich Wheatley über den Aufwärtstrend bei Sauber, für den sich das Team am Wochenende nun endlich auch mit einem großen Ergebnis belohnt hat.