• 06. Juli 2025 · 19:11 Uhr

59,2 PSI Bremsdruck kosten Piastri den Silverstone-Sieg

Oscar Piastri wird beim Grand Prix von Großbritannien für ein Bremsmanöver beim Safety-Car-Restart bestraft - Strafen-Begründung und erste Reaktionen

(Motorsport-Total.com) - 59,2 PSI - dieser Bremsdruck kostete Oscar Piastri beim Grand Prix von Großbritannien den Sieg. Der McLaren-Pilot wurde nach dem Rennen mit einer 10-Sekunden-Zeitstrafe belegt, weil er beim letzten Safety-Car-Restart auf der Hangar-Geraden plötzlich stark verzögerte, als die Lichter am Führungsfahrzeug bereits ausgeschaltet waren.

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Die Vollbremsung von Oscar Piastri gefährdete die nachfolgenden Autos Zoom Download

Die Sportkommissare werten das Manöver als Verstoß gegen Artikel 55.15 des Sportlichen Reglements der Formel 1 und Artikel 2.10.15 anhang H zum Internationalen Sportgesetz der FIA. Piastri wird zudem mit zwei Strafpunkten belegt und steht nun bei sechs innerhalb von zwölf Monaten - bei zwölf Punkten würde eine Rennsperre greifen.

Interessant: Noch vor zwei Rennen hatte George Russell in Kanada mit 30 PSI (2,067 bar) gebremst, war aber straffrei geblieben. Piastris deutlich höherer Wert von 59,2 PSI (4,079 bar) reichten diesmal zur Strafe als Präzedenzfall. Damit steht fest: Die Grenze zum "erratischen Bremsen" liegt also irgendwo zwischen diesen beiden Werten.

"Plötzlich hart abgebremst": Die Urteilsbegründung im Wortlaut

"Als der Rennleiter erklärte, dass das Safety-Car in dieser Runde reinkommen würde und die Lichter ausgeschaltet wurden, bremste Fahrzeug #81 plötzlich hart ab (59,2 PSI Bremsdruck) und verringerte seine Geschwindigkeit mitten auf der Geraden zwischen Kurve 14 [Chapel] und 15 [Stowe] von 218 auf 52 km/h", heißt es in der offiziellen Urteilsbegründung.

"Das sorgte dafür, dass Fahrzeug #1 [Max Verstappen] ausweichen musste, um eine Kollision zu verhindern. Dadurch überholte Fahrzeug #1 Fahrzeug #81 kurzzeitig und gab die Position unverzüglich zurück."

Die Sportkommissare berufen sich dabei ausdrücklich auf folgenden Regeltext, der an beiden relevanten Stellen (55.15 des Sportliches Reglement und 2.10.15 Internationales Sportgesetz) identisch lautet:

"Um die Wahrscheinlichkeit von Unfällen zu vermeiden, bevor das Safety-Car in die Box zurückkehrt, müssen die Fahrer ab dem Zeitpunkt, an dem die Lichter des [Safety-] Cars ausgeschaltet sind, mit einer Geschwindigkeit weiterfahren, die kein unberechenbares Beschleunigen und Bremsen oder jedwedes Manöver beinhaltet, das andere Fahrer gefährdet oder den Neustart behindert."

Die FIA stützt ihr Urteil auf Positionsdaten, Onboard-Aufnahmen, Teamfunk, Telemetrie sowie Videoauswertung. Das Bremsmanöver wertet sie als klaren Regelverstoß. Abschließend heißt es: "In Übereinstimmung mit dem Strafenkatalog haben wir eine 10-Sekunden-Zeitstrafe gegen Fahrzeug #81 verhängt."

Piastri reagiert zurückhaltend

Oscar Piastri selbst übt sich in Zurückhaltung. Insbesondere seit der besonders strengen Auslegung des "Fluch-Paragraphen" durch FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem müssen die Fahrer ihre Worte in Interviews vorsichtig wählen.

Ein paar Worte lässt sich der sichtlich angefressene Tabellenführer aber doch noch entlocken: "Wie es aussieht, kann man hinter dem Safety-Car nicht mehr abbremsen. Ich meine, ich habe das fünf Runden lang vorher gemacht. Aber ich möchte nicht zu viel sagen, weil ich mich nur in Schwierigkeiten bringen würde."

Was Piastri mit den wenigen Worten aber indirekt zugibt, ist, dass er den Sachverhalt offenbar nicht ganz verstanden hat. Denn das "Bremsverbot" gilt erst ab dem Moment, ab dem die Lichter am Safety-Car ausgeschaltet sind, nicht für die fünf Runden zuvor. Die Lichter werden am Ende des zweiten Sektors ausgeschaltet, wo die zweite Zwischenzeit genommen wird. Diese Linie liegt ein paar Meter hinter der Chapel-Kurve.

In der Pressekonferenz spricht er davon, dass die Lichter am Safety-Car zu spät ausgegangen seien: "Ich bin auf die Bremse gegangen - genau in dem Moment, als die Lichter des Safety-Cars ausgingen, was auch extrem spät war."

"Ich habe dann natürlich nicht beschleunigt, weil ich ab dem Moment das Tempo kontrollieren darf. Ja, und dann haben wir das Ergebnis gesehen. Ich habe aber nichts anders gemacht als beim ersten Restart. Ich bin nicht langsamer gefahren, habe nichts verändert. Deshalb: Sehr schade."

Tatsächlich bremste Piastri beim ersten Safety-Car-Restart das Feld ähnlich stark ein. Allerdings tat er das ein paar Meter weiter hinten auf der Strecke, noch weit vor der Brücke, als die Lichter am Safety-Car noch an waren. Beim zweiten Restart erfolgte die Bremsung hinter der Brücke. Da waren die Lichter schon aus und solche Bremsmanöver sind dann nicht mehr erlaubt.

Dass er mit den Kommissaren noch einmal darüber sprechen werde, glaubt er nicht: "Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass das im Moment besonders sinnvoll wäre. Ich bin mir nicht sicher, ob das konstruktiv wäre - also, mal sehen. Aber im Moment ist mir das ehrlich gesagt egal."

"Es tut natürlich weh. Aber auf eine andere Art [als bei anderen Rückschlägen] - weil ich weiß, dass ich heute viel mehr verdient gehabt hätte als das, was am Ende dabei herauskam. Ich finde, ich bin ein richtig starkes Rennen gefahren. Und wenn man dann nicht das Ergebnis bekommt, das man verdient, vor allem wenn es außerhalb der eigenen Kontrolle liegt, dann ist das besonders schmerzhaft."

Brown: Sah wilder aus, als es war

McLaren-Teamchef Zak Brown kann die Strafe nicht nachvollziehen. Im Interview mit Sky UK sagt er: "Das Safety-Car wurde meiner Meinung nach etwas spät reingerufen. Der Führende gibt das Tempo vor, Max hat beschleunigt, Oscar gebremst - dadurch sah es dramatischer aus, als es laut Telemetrie tatsächlich war. Was man da auf dem Bildschirm gesehen hat, entsprach nicht unbedingt den Daten."

Auf die 60 PSI Bremsdruck angesprochen, lacht er nur: "Bei solchen Strafen spielt immer auch ein gewisser Interpretationsspielraum eine Rolle. Wenn die Fahrer richtig bremsen, liegt der Druck bei 130, 140 PSI [8,957 bis 9,646 bar]. In dem Fall ging es aber darum, Temperatur in die Reifen zu bringen. Es war nass, der Abruf des Safety-Cars kam spät. Es war eine knappe Kiste."

Die Strafe wirft einen Schatten auf einen ansonsten perfekten Tag für McLaren, die allen Gegnern eine halbe Minute einschenkten. Ich könnte nicht glücklicher für Lando sein - und fürs ganze Team" sagt Brown. "Aber klar, ich bin auch enttäuscht für Oscar. Er ist ein überragendes Rennen gefahren. Aber so ist das eben mit Strafen: Manche sind eindeutig, manche sind umstritten, manche falsch - das gehört leider dazu.


Fotos: F1: Grand Prix von Großbritannien (Silverstone) 2025


Für Piastris Stimmung hat er absolutes Verständnis: "Das ist absolut verständlich. Er ist diesbezüglich sehr ehrlich. Und mir würde es an seiner Stelle genauso gehen. Aber er wird darüber hinwegkommen. Und es sind noch viele Rennen zu fahren."

Stella unterstellt Verstappen theatralisches Abbremsen

McLaren-Teamchef Andrea Stella sieht es ähnlich. Er sah sich extra noch einmal vor dem Interviewtermin die Daten und Videoaufnahmen und und kam daher sogar leicht verspätet zur Presserunde.

"Nach dem ersten Eindruck während des Rennens muss ich aber sagen: Die Strafe erscheint uns nach wie vor sehr hart. Es gibt einige Faktoren, die wir gerne berücksichtigt gesehen hätten", sagt er nach dem Studium der Daten.

"Zum einen wurde das Safety-Car sehr spät hereingerufen - der Führende hatte kaum Zeit, um das Rennen in Gang zu bringen. Gleichzeitig gehen bei diesen Bedingungen Reifentemperatur und Bremsentemperatur verloren - das galt für alle."

Auch die 59,2 PSI angesprochen, bezieht sich auch Stella ähnlich wie Piastri auf den normalen Safety-Car-Betrieb, um den es aber gar nicht geht: "Das sind Werte, die unter Safety-Car-Bedingungen beim Wechselspiel von Bremsen und Beschleunigen ganz normal auftreten."

Tatsächlich sieht er die Schuld für die dramatischen Bilder eher bei Verstappen als bei Piastri: "Wir würden auch gerne sehen, ob nicht manche Konkurrenten die Situation dramatischer erscheinen ließen, als sie tatsächlich war. Wir wissen, dass das ein Teil der 'Racecraft' mancher Fahrer ist, andere so aussehen zu lassen, als hätten sie einen groben Regelverstoß begangen."

"Nur weil wir heute als Team der Meinung sind, dass die Strafe für Oscar hart war, ändert das nichts an unserem grundsätzlichen Vertrauen in die FIA und die Sportkommissare. Sie haben einen schwierigen Job und geben aus unserer Sicht ihr Bestes, auch in Sachen Konsistenz."

"Die Szenarien sind sehr vielfältig, oft entscheiden Kleinigkeiten. Das ist bei der FIA nicht anders als bei den Teams: Es ist nie einfach, die richtige Entscheidung zu treffen. Wichtig ist, dass wir im Dialog bleiben. Ich denke, wir werden ein gutes Gespräch mit der FIA und den Kommissaren führen - und sehen, wie man diese Situation vielleicht auch anders hätte interpretieren können."

Weiter möchte er sich nicht äußern, da er erst eine Nachbesprechung abwarten wolle, inklusive einer Einschätzung der beteiligten Fahrer und warum die Message "Safety in this lap" so spät kam.

Anders sieht es Sky-Experte Ralf Schumacher: "Die Strafe war auf jeden Fall verdient. Ich glaube, er wollte zeigen: Hier Max, ich kann das auch. Aber es war ein bisschen zu viel. Ich würde nicht sagen dreckig, aber schmutzig war es auf jeden Fall. Und dann besteht natürlich auch die Gefahr, dass dann Unfälle passieren. Deshalb war die Strafe absolut gerechtfertigt. Da muss er sich im Zaun halten."

Platztausch wurde diskutiert

Natürlich gab es noch die Möglichkeit, McLaren-intern die Plätze nach Absitzen der Strafe wieder zu tauschen. Tatsächlich wurde dies von Piastri beantragt: Ich denke nicht, dass diese Strafe fair war. Wenn ihr dasselbe denkt, sollten wir die Plätze tauschen und es auf der Strecke ausmachen."

Das Szenario wurde offenbar ernsthaft erwogen, denn die Antwort folgte er fünf Minuten später: "Oscar, wir machen keine Stallregie, es sind nur noch fünf Runden zu fahren." Danach war diese Diskussion beendet.

Piastri gibt zu, dass er selbst nicht dran geglaubt habe: "Ja, ich habe die Frage gestellt. Ich wusste natürlich schon vorher, wie die Antwort lauten würde, aber ich wollte zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass es vielleicht doch geht. Aber nein - ich wusste, dass es nicht passieren würde."

Auf Nachfrage von Motorsport.com Global, der englischsprachigen Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network, antwortet Piastri: "Ich sehe da kein Problem. Lando hat nichts falsch gemacht, also wäre es nicht besonders fair gewesen, die Plätze zu tauschen. Aber ich dachte, ich versuche es wenigstens mal."

Und wie sieht es Max Verstappen als unmittelbar Beteiligter? Zunächst regte er sich am Funk auf: "Whoa, Kollege, verdammt! Der hat einfach wieder abgebremst!" Nur wenige Meter weiter hatte der amtierende Weltmeister seinen Dreher und brachte sich damit selbst in ganz andere Probleme.

Nach dem Rennen sagt er: "Ich habe von der Strafe erst nach dem Rennen erfahren, während des Rennens hat es mir keiner erzählt. Diese Sache ist mir ja nun schon einige Male widerfahren. Ich finde es seltsam. Plötzlich ist Oscar derjenige, der zuerst eine Strafe erhält."

Auf die Frage, ob es keinen Unterschied zu Russell in Kanada gegeben habe, antwortet er: "Für die Sportkommissare ist es scheinbar unklar." Auch will er seinen Dreher nicht darauf zurückführen: "Nein, das glaube ich nicht. Ich bin einfach aufs Gas gegangen und das Auto war plötzlich weg."

Piastri zieht ebenfalls den Vergleich zu Kanada: "Ich denke nicht, dass Max mir wirklich ausweichen musste. Er hat es beim ersten Mal ja auch geschafft. Und ehrlich gesagt: Wenn ich an Kanada zurückdenke, musste er da aus meiner Sicht deutlich mehr ausweichen als heute. Deshalb bin ich - vorsichtig formuliert - ziemlich verwirrt."

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