"Langsam beängstigend": Sind Red Bulls Titelträume in Barcelona geplatzt?
Nach Barcelona liegt Max Verstappen in der WM 49 Punkte hinter Spitzenreiter Oscar Piastri - So einen großen Rückstand haben er selbst und Red Bull noch nie aufgeholt
(Motorsport-Total.com) - War das Formel-1-Rennen in Barcelona am vergangenen Wochenende bereits die Vorentscheidung im Titelkampf 2025? Zumindest sprechen seit Sonntag immer mehr Faktoren dafür, dass Max Verstappen in diesem Jahr nicht zum fünften Mal in Folge Formel-1-Weltmeister werden wird.

© LAT Images
Max Verstappen landete auch in Barcelona wieder hinter beiden McLaren-Piloten Zoom Download
"Zunächst einmal habe ich nie gesagt, dass ich in einem Meisterschaftskampf bin", stellt Verstappen selbst nach dem Rennen klar und betont: "Ich denke, dass es bisher in jedem Rennen hart war. Wenn sie [bei McLaren] ihre Sachen richtig machen, sind sie unschlagbar."
Zweimal konnte Verstappen die McLaren-Piloten in diesem Jahr bereits bezwingen. Er gewann die Rennen in Suzuka und Imola, die anderen sieben Saisonsiege gingen aber allesamt an Lando Norris oder Oscar Piastri. So steht der Niederländer in der WM bereits nach neun Saisonrennen vor einer Mammutaufgabe.
Sein Rückstand auf WM-Leader Piastri beträgt nach Barcelona 49 Zähler, und so ein großes Handicap holte Verstappen in seiner Formel-1-Karriere bislang noch nie auf. Der bislang größte Rückstand, den der Niederländer noch umdrehen konnte, stammt aus dem Jahr 2022.
Damals lag er nach dem dritten Saisonrennen in Melbourne 46 Punkte hinter Charles Leclerc - wurde am Ende aber trotzdem noch Weltmeister. Einen noch größeren Rückstand hat Verstappen bislang aber noch nie aufgeholt.
Red Bull fehlen "mindestens drei Zehntel" auf McLaren
Zudem hatte Verstappen 2022 nur deshalb so einen großen Rückstand in der WM, weil er in zwei der ersten drei Saisonrennen nicht die Zielflagge sah. Grundsätzlich war der Red Bull damals aber schnell genug, um im Titelkampf mitzuhalten - anders als drei Jahre später.
"Das Hauptproblem ist, dass wir nicht den Speed haben, den wir bräuchten, um mit McLaren mitzukämpfen", gesteht Helmut Marko im ORF und betont, dass man nach den jüngsten Updates für den RB21 eigentlich gehofft habe, "dass wir näher dran sind."
War es Absicht? Das sagt Helmut Marko!
Jetzt hat sich Max Verstappen also für seinen Rammstoß gegen George Russell beim Grand Prix von Spanien entschuldigt. Weitere Formel-1-Videos
Doch diese Hoffnung bestätigte sich in Barcelona nicht. "Normal können wir die McLaren nicht schlagen, darum sind wir ja auf die Dreistoppstrategie gegangen. Aber wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass wir hier näher dran sein werden und dass wir sie fordern können", so Marko.
Das sei aber "leider nicht der Fall gewesen", weshalb das vergangene Wochenende "ernüchternd" für die Bullen gewesen sei. "Die Gegenmaßnahme war die Dreistopp[strategie], das hätte zumindest für das Podium funktioniert", so Marko.
Doch wegen des späten Safety-Cars und seiner Strafe wurde Verstappen am Ende sogar nur Zehnter - und der Rückstand in der WM noch größer. "Aber generell muss man sagen, es fehlen uns weiterhin mindestens drei Zehntel [auf McLaren]", betont Marko.
Marko räumt ein: "McLaren ist haushoch überlegen"
Auch Verstappen selbst betont gegenüber Sky, dass man aktuell einfach "viel zu langsam" für den Titelkampf sei. "Der Rückstand wird jetzt langsam beängstigend", erklärt Marko an gleicher Stelle im Hinblick auf die angesprochenen drei Zehntel, die auf McLaren fehlen.
Man müsse nun "bald was finden, weil diese Zeit kann auch ein Verstappen nicht aufholen", warnt Marko, der gegenüber ServusTV unmissverständlich klarstellt: "McLaren ist haushoch überlegen." Noch deutlicher wird das beim Blick auf die Konstrukteurs-WM.
Formel-1-Quiz
Bei seiner ersten F1-Pole-Position war Max Verstappen wie alt?
Teste Dich jetzt im Formel-1-Quiz und vergleiche Dich mit anderen Usern
Da liegt McLaren mit 362 Punkten an der Spitze und hat bereits mehr als doppelt so viele Zähler wie Red Bull (144 Punkte) gesammelt. "Unser Auto hat jetzt ein breiteres Arbeitsfenster. Und wenn alles passt, dann sind wir genauso schnell wie McLaren", betont Marko zwar.
Doch dazu komme es eben nur "bei jedem dritten oder vierten Rennen", während McLaren "immer da" sei, so Marko, dessen größte Sorge es ist, dass der Rückstand auf McLaren seit Saisonbeginn nicht kleiner geworden sei - trotz einiger Upgrades.
"Wir waren [in Barcelona] drei Zehntel hinten. Und das waren wir am Jahresbeginn auch", betont Marko. Das heiße, dass McLaren sich in diesem Zeitraum "genauso weiterentwickelt" habe wie Red Bull, weshalb man nicht näher herangekommen sei.
Red Bull hofft neuerdings auf kühle Rennen
Zudem hat Red Bull laut Marko eine große Stärke früherer Tage verloren. "In der Vergangenheit waren heiße Temperaturen für uns das Optimum. Jetzt geht es zu sehr auf die Reifen", verrät er. Stattdessen ist nun McLaren Klassenprimus in Sachen Reifenmanagement.
Im Hinblick auf das nächste Rennen in Kanada erklärt Marko daher, er hoffe auf "kühlere Temperaturen, was in Kanada eigentlich der Fall sein kann." Die Strecke selbst dürfte Red Bull auf dem Papier aber trotzdem nicht unbedingt entgegenkommen.
"Kanada hat leider kaum schnelle Kurven, eher Schikanen", so Marko, "aber vielleicht gelingt es uns in der Abstimmung, dass wir in unser Arbeitsfenster reinfallen." Er erklärt: "Wir brauchen einfach ein Auto, das ähnlich wie der McLaren erstens den Speed hat."
"Und dann mehr Balance, also leichter zu fahren ist und die Reifen mehr schont. Und an dem arbeiten wir. Wir haben Fortschritte gemacht, aber nicht in dem Ausmaß, das notwendig ist, um den McLaren zu [...] besiegen", gesteht Marko.
Marko verspricht: "Wir geben noch nicht auf"
Trotz des großen Rückstands in der WM möchte der Österreicher den Fahrertitel übrigens noch nicht ganz abschreiben. Er erinnert an die Saison 2012, als Red Bull mit Sebastian Vettel im WM-Kampf gegen Ferrari zur Saisonmitte einmal 44 Punkte zurücklag. Da habe man "auch aufgeholt. Auf Alonso. Also wir geben noch nicht auf", versichert Marko.
"Aber es wird schwierig", weiß er, denn 49 Zähler hat auch Red Bull in der Formel 1 bislang noch nie gutgemacht. Zudem gibt es eine weitere Statistik, die seit dem vergangenen Sonntag klar gegen einen weiteren Verstappen-Titel in diesem Jahr spricht.
Top 10: Aufholjagden im WM-Kampf
1997: Williams-Pilot Jacques Villeneuve hat nach neun von 17 Rennen der Saison vier Punkte Rückstand auf Ferrari-Pilot Michael Schumacher, was einem prozentualen Rückstand von neun Prozent entspricht. Als nach 17 Saisonrennen abgerechnet wird, hat Villeneuve drei Punkte Vorsprung auf Schumacher. Dass dem Deutschen für das Foul beim Saisonfinale in Jerez de la Frontera rückwirkend alle Punkte aberkannt werden, tut bezüglich der von Villeneuve hingelegten Aufholjagd nichts zur Sache. Fotostrecke
So wurde in den vergangenen acht Jahren der Pilot, der den Spanien-Grand-Prix gewann, siebenmal am Ende auch Weltmeister. Einzige Ausnahme in diesem Zeitraum seit 2017: Im Jahr 2021 gewann Lewis Hamilton in Barcelona, Weltmeister wurde aber Verstappen.
Sollte der Niederländer in diesem Jahr nicht erneut für einen "Ausreißer" in dieser Statistik sorgen, schließen einige Beobachter noch immer nicht aus, dass er Red Bull am Ende des Jahres verlassen könnte. Helmut Marko geht allerdings nicht davon aus.
Auf die Frage von Sky, ob die jüngsten Red-Bull-Fortschritte zu klein sein könnten, um Verstappen zu halten, stellt Marko klar: "Es reicht nicht nur für Max [nicht], es reicht auch für unsere Ansprüche nicht." Denn den Bullen droht mehr denn je die erste titellose Saison seit 2020.