Totaler Triumph für Perez & Red Bull, aber: Riesenglück in Kurve 15!
Charles Leclerc war nur ein paar Runden ein Gegner: Red Bull feiert beim Grand Prix von Aserbaidschan einen Doppelsieg mit ein bisschen Glück im richtigen Moment
(Motorsport-Total.com) - Red Bull hat den Grand Prix von Aserbaidschan 2023 dominiert und in Baku einen Doppelsieg gefeiert. Der Sieger hieß am Ende aber nicht Max Verstappen. Sondern Sergio Perez sicherte sich nach 2021 und dem F1-Sprint am Samstag bereits seinen dritten Triumph auf dem Hochgeschwindigkeits-Stadtkurs am Kaspischen Meer und ist damit der erste Mehrfachsieger auf dem Baku City Circuit.
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Totaler Dominator des Rennwochenendes in Baku: Sergio Perez gewinnt beide Rennen Zoom Download
Polesetter Charles Leclerc (Ferrari) konnte Perez und Verstappen nur ein paar Runden lang Paroli bieten. Auf die komplette Renndistanz war gegen Red Bull aber kein Kraut gewachsen. Er belegte letztendlich den dritten Platz.
Vierter wurde Fernando Alonso (Aston Martin) vor Carlos Sainz (Ferrari), Lewis Hamilton (Mercedes), Lance Stroll (Aston Martin), George Russell (Mercedes), Lando Norris (McLaren) und Yuki Tsunoda (AlphaTauri).
Nico Hülkenberg fuhr einen extrem langen ersten Stint und lag dadurch lang in den Top 10. Am Ende reichte es für den Haas-Piloten nach einem späten Boxenstopp aber nur zu Rang 17.
Der Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde ging an Russell, der zwei Runden vor Schluss extra dafür Reifen gewechselt hatte.
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Wie verlief der Start?
Unaufregend. Auf den ersten sechs Positionen gab es keine Verschiebungen. Leclerc konnte seine Poleposition souverän durch die erste Runde verteidigen. Auch dahinter gab es keine großen Crashes. Größter Gewinner war Kevin Magnussen (von 16 auf 13). Größter Verlierer Valtteri Bottas (von 13 auf 18).
Wie lang hielt Leclercs Führung?
Verstappen blieb in den ersten beiden Runden geduldig in Leclercs Windschatten. Ab Runde 3 war DRS freigegeben. Jetzt machte der Red-Bull-Pilot kurzen Prozess und ging gleich bei der allerersten Gelegenheit, am Beginn von Runde 4, in Führung. Der Geschwindigkeitsüberschuss auf Start und Ziel war so groß, dass er sich schon vor der Bremszone vor Leclerc einordnen konnte.
Nur zwei Runden später war dann, an gleicher Stelle, auch der zweite Red Bull an Leclerc vorbei. Leclerc hatte zu dem Zeitpunkt kein DRS mehr, weil ihn Verstappen bereits abgehängt hatte, und war damit gefundenes Fressen für den Sieger des F1-Sprint am Samstag. Perez hatte zwar etwas mehr Mühe als Verstappen, letztendlich war aber auch sein Manöver souverän.
"Im Rennen sind sie einfach in einer eigenen Liga", seufzt Leclerc. "Wir sicherten uns durch eine wirklich gute Runde die Pole. Aber über 51 Runden hatten wir keine Chance. Sie sind im Renntrimm deutlich schneller als wir. Sie haben irgendwas gefunden, was wir noch nicht gefunden haben."
Wer profitierte vom ersten Safety-Car?
Verstappen war gerade in Runde 10, als wegen eines Crashs von Nyck de Vries (AlphaTauri) Gelb aktiviert wurde. Red Bull reagierte prompt und holte Verstappen sofort an die Box. Tatsächlich schickte die Rennleitung das Safety-Car auf die Strecke; allerdings ließ sich Niels Wittich mit dieser Entscheidung so lang Zeit, dass Verstappen seinen Boxenstopp bereits absolviert hatte.
Das war die große Chance für seinen Verfolger, unter Safety-Car-Bedingungen einen zeitsparenden Reifenwechsel zu absolvieren. Das spülte Perez vor Leclerc in Führung. Verstappen war jetzt nur noch Dritter.
"Hat wehgetan", sagte er später im Podiumraum im Dialog mit Perez. "Aber sowas gehört dazu. Ist dir ja letztes Jahr in Dschidda auch passiert."
Mit ein wenig Wut im Bauch legte Verstappen in Runde 14 einen furiosen Safety-Car-Restart hin und ging gleich vor Kurve 3 an Leclerc vorbei. Ohne DRS.
Übrigens kam es beim Restart auch dahinter zu Positionsverschiebungen: Russell ("Das war ein beschissener Restart!") verbremste sich in Kurve 1 und musste vor Kurve 2 seinen sechsten Platz an Stroll abgeben. Und ein paar Meter weiter schnappte sich Alonso mit einem Überraschungsangriff vor Kurve 4 Sainz und war jetzt Vierter.
Warum gab es eine Untersuchung gegen Perez?
Als der Mexikaner während der Safety-Car-Phase an die Box kam und von dort aus wieder losfuhr, musste Leclerc, der bei Ferrari gerade reinkam, abbremsen. Eine haarige Situation, die von den Rennkommissaren notiert wurde. Letztendlich gab es dafür aber keine Strafe. Vielleicht auch, weil Leclerc die Szene am Boxenfunk nicht beanstandete.
Also musste es Verstappen auf der Strecke richten. Aber erstens ist Perez auf dem Stadtkurs in Baku traditionell eine Macht, und zweitens war Verstappen mit dem Handling seines Red Bull nicht zufrieden. Kurz vor Halbzeit beschwerte er sich am Boxenfunk über die Balance und die Motorbremse.
In Runde 32, er hatte jetzt mehr als zwei Sekunden Rückstand auf Perez, streifte Verstappen bei Kurve 15 die Mauer. Ein Zwischenfall, der ohne ernsthafte Konsequenzen blieb, der aber zeigte, wie sehr er pushen musste, um mit seinem Teamkollegen überhaupt mithalten zu können.
Verstappen blieb Perez noch einige Runden auf den Fersen. Irgendwann sah er jedoch ein, dass gegen den Mexikaner nichts auszurichten war, und begnügte sich mit Platz 2.
War Verstappen mit Platz 2 zufrieden?
Obwohl der zweimalige Weltmeister als schlechter Verlierer gilt, trug er das Ergebnis mit Fassung: "Das mit dem Safety-Car war Pech. Ich habe dann versucht, in Checos DRS zu bleiben, und ich glaube, dadurch haben die Reifen überhitzt."
"Die Balance war nicht konstant, ich spielte ständig mit irgendwelchen Einstellungen rum. Die letzten zehn Runden waren dann wieder ganz gut, aber da war es schon zu spät. Ich habe ein paar Mal die Mauer touchiert. Aber das gehört auf einem Stadtkurs dazu."
"In den letzten zehn Runden war es wieder besser. Ich kann viel aus so einem Tag lernen. Und der zweite Platz ist nicht das Ende der Welt. Ich bin zufrieden", sagt er.
Ein Mauerkuss passierte übrigens auch Perez. In Runde 34 rutschte der spätere Sieger in Kurve 15 nach außen. Der Einschlag sei "echt hart" gewesen: "Ich hatte ein bisschen Glück, dass nicht rechts vorn was gebrochen ist", sagt Perez und lacht: "Das hat mir sogar ein bisschen geholfen. Ich hatte mit der Front ziemlich zu kämpfen. Nach dem Zwischenfall war das viel besser!"
Wie gut war Aston Martin?
Alonso hatte das ganze Wochenende Probleme mit dem DRS. Im Rennen lief sein Auto erstmals problemlos, zumindest von außen betrachtet. Seine Rennpace war gut, und letztendlich fehlten ihm nur 0,807 Sekunden auf das vierte Podium im vierten Rennen.
Zu Beginn lag Alonso noch hinter Hamilton. Da sagte ihm sein Renningenieur: "Lance wird dich nicht attackieren." Was Alonso gelassen zur Kenntnis nahm: "Kann er ruhig. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Lewis kriegen."
Aston Martin profitierte im Renntrimm einmal mehr von einem geringen Reifenverschleiß. Alonso hatte das Temperaturmanagement offenbar besser im Griff als Stroll. Der Kanadier hatte viel Hitze in seinen Gummis, als er kurzzeitig dicht an Alonso dran war.
"Du hast mit diesen Reifen einen guten Job gemacht", so ein Boxenfunk an Alonso. "Deine Reifen sind deutlich kühler als die des anderen Autos. Das wird dir später helfen."
Und so kam es dann auch. Während Alonso auf einen Fehler von Leclerc lauerte und als Vierter über die Ziellinie fuhr, baute Stroll das eine oder andere kleine Missgeschick in seine Fahrt ein. Eins davon kostete ihn eine Position gegen Hamilton.
Warum fiel Hülkenberg aus den Top 10 raus?
Der Deutsche lag lang in den Punkterängen. Doch das war ein verzerrtes Bild. Er war genau wie Esteban Ocon (Alpine), den er über weite Strecken des Rennens in Sichtweite hatte, aus der Boxengasse gestartet.
"Wir haben mit der Wahl, aus der Box zu starten, alles reingelegt", erklärt er. "Wir haben dieses Wochenende mit dem Set-up experimentiert. Mit der geringen Trainingszeit haben wir nicht erkannt, dass das der falsche Weg war. Also mussten wir nach dem Sprint umbauen. Heute war es viel besser. Aber Baku war einfach nicht unsere Paradestrecke."
Als alle anderen während des Safety-Cars an die Box kamen, blieben Ocon und Hülkenberg draußen und wurden so auf P9/10 gespült.
Zufrieden mit dem Handling war Hülkenberg nicht. Schon zu Beginn des Rennens hatte er sich über "Slip" in den Kurven 4 und 12 beschwert, ebenso wie über Untersteuern in Kurve 3. "Schaut mal, ob ihr dagegen was unternehmen könnt", meinte Hülkenberg am Boxenfunk.
Kurz nach Halbzeit unterlief ihm dann ein Flüchtigkeitsfehler in Kurve 15, bei dem er die Mauer touchierte. Sein Renningenieur konnte daraufhin aber keinen abfallenden Reifendruck feststellen und gab Entwarnung.
Ocon und Hülkenberg hofften bis zum Schluss auf eine zweite Safety-Car-Phase, weil ihnen das die Chance gegeben hätte, "kostenreduziert" Reifen zu wechseln. Ein Poker, der Hülkenberg alles abverlangte: "Ich denke, wir müssen an die Box. Die Reifen sind tot", forderte er fünf Runden vor Schluss.
Der Renningenieur legte aber sein Veto ein: "Bleib draußen. Die einzige Chance, die wir haben, ist ein Safety-Car oder eine rote Flagge." Es kam weder noch.
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Von da an wurde Hülkenberg nach hinten durchgereicht. Norris und Tsunoda zogen zuerst an ihm vorbei, später auch Oscar Piastri (11./McLaren) und Alexander Albon (12./Williams). Nach seinem Boxenstopp kam er als 17. und Vorletzter auf der Strecke ins Rennen zurück.
War es ein spannendes Rennen?
Nachdem das neue Wochenendformat am Freitag und Samstag jede Menge Action geboten hatte, haute der Rennsonntag keinen eingeschworenen Formel-1-Fan vom Hocker, was die Dramatik im Rennen betrifft. Oder, wie ein Kollege von uns in der Redaktion augenzwinkernd bemerkte: "Wollte die Formel 1 mit dem Sprint nicht jeden Tag Action bieten? Da haben sie wohl den Sonntag vergessen!"
Wie geht's nach Baku weiter?
Der Grand Prix von Aserbaidschan war die vierte von 23 Stationen des Formel-1-Kalenders 2023. Nach Baku gibt's aber keine Pause, sondern es geht bereits in einer Woche mit dem ersten von drei US-Grands-Prix in Miami weiter. Danach ist ein Wochenende rennfrei, ehe mit Imola-Monaco-Barcelona der erste Tripleheader der Saison auf dem Programm steht.