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Raketenstart & schnellste Runde: McLaren-Fahrer zeigen ihre "Qualität"
McLaren schafft im Grand Prix der Türkei einen versöhnlichen Abschluss nach einem enttäuschenden Qualifying - Sainz und Norris beweisen ihre "Qualität", so Seidl
(Motorsport-Total.com) - Die McLaren-Piloten Carlos Sainz und Lando Norris retteten die WM-Hoffnungen ihrer Mannschaft in der Türkei. Der Spanier zeigte zu Rennbeginn eine eindrucksvolle Aufholjagd bis auf Platz fünf, der Brite drehte vor allem gegen Rennende auf und schnappte sich die schnellste Rennrunde.
"Guter Start, gute Pace und Platz fünf fühlt sich so gut an", resümierte der Spanier sein Rennen in Istanbul nach der Zieldurchfahrt. Der Schlüssel zum Erfolg? "Wir konnten die Reifen endlich zum Arbeiten bringen. Damit hatten wir das gesamte Wochenende Probleme."
Just am Rennsonntag hatte Sainz endlich ein gutes Gefühl im MCL35 gefunden. "Endlich konnte ich ein bisschen Grip im Auto spüren, das hat Spaß gemacht. Zwar war es auf der Piste immer noch rutschig, aber durch den Grip konnte ich ein wenig mit der Rennlinie und den Randsteinen spielen."
Qualifying-Analyse brachte Erfolg am Start
Schon am Start legte er den Grundstein für das starke Ergebnis. Sainz musste seine Attacke von Rang 15 starten, nachdem er von der FIA eine Strafversetzung um drei Plätze aufgebrummt bekommen hatte (Sergio Perez im Qualifying blockiert).
"In Kurve 1 bin ich auf der Außenbahn gefahren. Ich habe versucht zu erkennen, wer einen Fehler gemacht hat und wen ich überholen könnte. Danach konnte ich einen nach dem anderen holen, obwohl das Überholen sehr schwierig war, weil es nur eine trockenere Linie gab. Abseits davon war es sehr rutschig."
Am Ende der ersten Runde war er bereits auf Platz neun hinter Kimi Räikkönen zu finden. Der Schlüssel zum Erfolg? "Ich hatte schon in der Runde zur Startaufstellung ein positives Gefühl für den Start und das Rennen. Ich konnte sofort sechs Plätze aufholen", freute er sich.
Für das bessere Gefühl verantwortlich war die gute Vorbereitung: "Nach dem Qualifying habe ich mit meinen Ingenieuren eine Tiefenanalyse angestellt, um herauszufinden, warum wir die Reifen nicht auf Temperatur bringen konnten. Schon auf der Runde zum Grid habe ich ein paar Dinge ausprobiert."
Da er schon in diesen Momenten am Sonntag "ein wenig mehr Grip" als noch im Zeittraining verspürt hatte, ging Sainz mit mehr Selbstvertrauen in den Grand Prix. In den Top 10 angekommen habe er dann sichergestellt, dass er die Reifen im Arbeitsfenster hielt.
"Als sie plötzlich wieder voll da waren, konnte ich meine alten Fähigkeiten im Regen ausspielen. Das hat wirklich Spaß gemacht. Endlich konnte ich wieder so fahren, wie ich wollte. Das war am Samstag noch anders, da ich kein Gefühl hatte im Wagen."
Platz vier um eine halbe Sekunde verpasst
Daher sei die Verbesserung am Sonntag "ein wenig" wundersam gewesen, gab er nach dem Rennen zu. "Ich wusste nicht, was ich erwarten sollte nach dem bisherigen Wochenende. Aber sobald die Reifen funktioniert haben, fühlte ich mich wohl bei diesen Bedingungen."
Er schnappte sich kurz nach dem Start den Alfa Romeo von Räikkönen und behielt auch nach dem frühen Reifenwechsel auf die Intermediates Platz acht. Danach steckte er hinter dem Renault von Daniel Ricciardo fest, erst in Runde 32 gelang ihm ein Überholmanöver in Kurve 10.
Danach holte sich Sainz noch einmal frische Intermediates an der Box ab. Damit kämpfte er sich in den letzten 20 Rennrunden sukzessive an Lance Stroll, Max Verstappen und Alexander Albon bis auf Platz fünf vorbei. 0,505 Sekunden fehlten am Ende auf Charles Leclerc.
Dem Monegassen misslang in der letzten Runde ein Manöver gegen Sergio Perez, weshalb er auf Platz vier zurückfiel. "Ich habe die Ferraris vorne gesehen, ich hatte eine gute Pace, aber ich wollte nicht wie in Silverstone aufgrund der Reifen leiden."
Schließlich sei sein rechter Vorderreifen in den letzten zehn Runden "am Limit" gewesen. "Wir waren auf Punktekurs, daher musste ich abwiegen, wie sehr ich pushe. In den letzten drei Runden habe ich aber versucht, sie noch einzuholen."
Am Ende ist er aber auch mit Platz fünf zufrieden. Denn das sei eines der "härtesten Rennen" seiner Karriere gewesen, vor allem mental sehr anstrengend. Am Ende rettete er außerdem die WM-Chancen seiner Mannschaft. "Wir haben das heute wirklich gerettet."
Seidl überrascht: "Konnten das nicht erwarten"
Im WM-Kampf duelliert sich McLaren weiterhin mit Racing Point und Renault. Mit dem zweiten Platz von Perez konnte die rosarote Konkurrenz auf Platz drei (154 Punkte) vorbeiziehen, fünf Punkte vor McLaren (149). Renault (136) büßte hingegen Plätze ein, da nur Ricciardo auf Rang zehn einen Zähler einfahren konnte.
"Noch am Samstag waren beide Renaults in den Top 10 und beide Racing Points in den Top 3. Wir standen hingegen nur auf P15 und P16 in der Startaufstellung. Daher ist es sehr ermutigend, dass wir die zweitmeisten Punkte dieser Teams geholt haben."
Zwar seien beide Konkurrenzteams im Trockenen schneller, meinte Sainz, dennoch habe McLaren die Gabe, in den Rennen meist den besseren Job zu erledigen und mit beiden Autos in die Punkte zu fahren. "Es wird aber ein harter Kampf werden. Wir konnten gegenüber Renault aufholen, haben allerdings ein wenig auf P3 verloren."
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Hätte man ihm das Ergebnis am Samstag verraten, Sainz hätte es dankend angenommen. Dem stimmte auch Teamchef Andreas Seidl in seiner Analyse zu. "Wir konnten ehrlicherweise nicht erwarten, dass wir bei diesen Bedingungen plötzlich ein so konkurrenzfähiges Auto haben würden."
Er zeigte sich nach dem 13. Saisonlauf überrascht. Woher kam diese Verbesserung über Nacht? "Ich würde sagen, der Versuch zu Beginn des Q2 auf den Inters war es, da haben wir viel gelernt, was wir heute anwenden konnten - das ist ein Scherz!", schmunzelte er.
Nach einem der "schlimmsten Samstage" konnte McLaren gut zurückschlagen. "Es war schön zu sehen, wie das Team am Samstagabend damit umgegangen ist. Das macht uns hoffentlich nur noch besser in Zukunft." Woran wurde konkret gearbeitet?
"Sie sollten nicht in der ersten Runde den Helden spielen"
"Das ist sehr komplex. Viele Faktoren spielen eine Rolle. Etwa die Einstellungen, die man am Auto verwendet, oder wie man die Reifen zu Beginn eines Stints fährt, wie viel Last man den Reifen zumutet, speziell in den ersten Runden, etwa in Kurve 8, wo man die Reifen recht schnell beschädigen kann."
Es sei außerdem wichtig gewesen, mit dem richtigen Mindset ins Rennen zu gehen. "Sie sollten nicht versuchen, schon in der ersten Runde den Helden zu spielen. Denn bei solchen Bedingungen kann man schnell ein potenzielles Ergebnis wegschmeißen." Im Rennen habe die Qualität seiner Piloten eine wichtige Rolle gespielt.
"Sie sind ruhig geblieben und haben das Auto auf der Strecke gehalten. Sie haben eine sensationelle Performance gezeigt." Allerdings meinte der Deutsche nach dem Rennen, dass seine Truppe womöglich ein besseres Ergebnis verpasst habe.
"Wir hatten eine wirklich gute Pace im Auto und waren so eng an den Ferraris dran am Ende. Hätten wir noch ein wenig mehr gepusht, hätten wir mit Carlos vielleicht noch mehr Punkte holen können. Gleichzeitig war es eine schwierige Entscheidung, weil es um das Leben des Reifens geht - da kann man auch schnell null Punkte holen."
Punkte holte auch Lando Norris. Der Brite erwischte im Gegensatz zu seinem Teamkollegen einen desaströsen Start und fand sich nur auf Platz 17 ein. "Das war der schlechteste Start meiner Karriere. Ich bin nicht weggekommen und bekam dann Anti-Stall. Ich weiß nicht, was passiert ist. Alles, was schiefgehen konnte, ging schief."
Da es in der ersten Rennhälfte sehr schwierig gewesen sei, an anderen vorbeizugehen, blieb Norris auch nach seinem Boxenstopp auf den Intermediates zunächst im hinteren Mittelfeld stecken. "Da wir nur eine Linie fahren konnten, war es sehr schwierig zu überholen."
Nach "schlechtesten Start" noch der Schnellste
Er sei festgesteckt und hatte erst in freier Fahrt gegen Ende des Rennens wieder eine bessere Pace. Zunächst musste er sich jedoch durchkämpfen - was er teilweise mit der Brechstange versuchte. Etwa im Duell gegen Williams-Fahrer George Russell.
In der letzten Kurve attackierte Norris den Briten hart auf der Innenbahn und quetschte sich vorbei. "Das war nicht aggressiv. Es war nicht meine Schuld, sondern jene der Strecke. Man kann nicht überholen, weil man nur auf einer Linie Grip hat. Daher musste ich es versuchen."
Sonst wäre es das "langweiligste Rennen der Welt" geworden, merkte Norris an, "und ich wollte keinesfalls hinter ihm bleiben. Daher bin ich reingestochen und er hat mir Platz gelassen. Ich hatte da aber keinen Grip. Diese Oberfläche führt einfach dazu, dass wir kein Racing sehen."
Denn es sei "sehr schwierig" ein Manöver zu setzen, ohne aggressiv zu sein oder etwas zu erzwingen. "Fairplay an George, er hat mir Platz gelassen und wir haben beide überlebt. Aber es war schrecklich. Wir sind beide nicht abseits der Strecke gelandet. Es war zwar ein aggressives Manöver, aber noch im Rahmen des Erlaubten für mich."
Danach arbeitete er sich auch noch an Kevin Magnussen vorbei. Im letzten Stint drehte Norris dann richtig auf: 20 Runden vor Rennende hatte er 25 Sekunden Rückstand auf Ricciardo und Platz neun. Innerhalb von zehn Runden fuhr er an den Renault heran - und auch vorbei.
Norris konnte in freier Fahrt danach noch einmal an Pace zulegen und setze eine schnellste Rennrunde nach der anderen, sodass er innerhalb von nur sieben Runden auch noch einen Rückstand von 15 Sekunden auf Stroll wettmachte und auch den Racing Point noch kassierte.
"Bei freier Fahrt war das Auto wirklich gut zu fahren. Ich konnte auch noch die schnellste Rennrunde einfahren und hatte auf den Intermediates wirklich eine gute Pace. Wir konnten zurückschlagen. Nur schade, dass ich einen so schlechten Start hatte, weil sonst wäre noch mehr drin gewesen." Dem stimmt auch Seidl zu.
"Wenn man die Pace gesehen hat von Lando, dann war es sehr enttäuschend, dass er so ziemlich Letzter war nach dem Start. Das hat sein Rennen stark beeinträchtigt. Aber ich bin dennoch sehr zufrieden mit seiner Leistung. Er hat seine Qualität wieder einmal bestätigt. Großartig, wir er noch auf Position acht gefahren ist."