• 11. Juli 2025 · 13:34 Uhr

Ein Trust, zwei Prozent und viele Fragen: Die versteckte Dynamik bei Red Bull

Die Hintergründe im Machtpoker: Ein Schweizer Trust übernimmt zwei Prozent an Red Bull, und kurz darauf ist Christian Horner Geschichte - ein Zufall?

(Motorsport-Total.com) - Seit am Mittwoch bekannt wurde, dass Christian Horner ab sofort nicht mehr Teamchef von Red Bull Racing in der Formel 1 ist, steht Red Bull im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Dabei sind Dokumente aufgetaucht, die von verschiedenen Medien als Indiz dafür interpretiert werden, dass sich die Machtverhältnisse im Konzern in den vergangenen Wochen verschoben haben.

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Oliver Mintzlaff, Christian Horner, Mark Mateschitz: Was ist gerade bei Red Bull los? Zoom Download

Konkret geht es um Einträge im österreichischen Firmenbuch, datiert auf den 28. und 31. Mai 2025. Beim ersten Dokument handelt es sich um einen Zulassungsantrag, beim zweiten um die Bestätigung für den Vollzug davon. Gegenstand: der Übertrag von zwei Prozent der Anteile an der Red Bull GmbH von Chalerm Yoovidhya auf die in Genf registrierte Fides Trustees SA.

Dazu muss man wissen: Als Dietrich Mateschitz 1982 in Südostasien auf das Getränk Krating Daeng stieß und auf die Idee kam, dieses als Energydrink zunächst auch in Europa auf den Markt zu bringen, unter dem Namen Red Bull, gründete er gemeinsam mit dem Eigentümer von Krating Daeng, dem thailändischen Geschäftsmann Chaleo Yoovidhya, die Red Bull GmbH.

Im Zuge der Gründung erhielten Yoovidhya und Mateschitz je 49 Prozent an der GmbH. Die restlichen zwei Prozent gingen an Chaleos Sohn Chalerm Yoovidhya. Als Chaleo 2012 starb, fielen seine Anteile auf das Familienerbe, das de facto von Chalerm als ältestem Sohn repräsentiert wurde.

Obwohl die thailändische Seite 51 Prozent und damit die Mehrheit kontrollierte, konnte Mateschitz zu Lebzeiten nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Er hatte als eingesetzter Alleingeschäftsführer praktisch die volle Kontrolle über den Red-Bull-Konzern.

Das änderte sich mit seinem Tod im Oktober 2022, als zwar seine 49 Prozent auf Sohn Mark übertragen wurden, nicht aber die Vollmacht, den Konzern als Alleingeschäftsführer operativ zu steuern. Es wurden mit Alexander Kirchmayr, Oliver Mintzlaff und Franz Watzlawick drei neue Geschäftsführer eingesetzt. Aber auf Shareholder-Ebene hatte nicht mehr Mateschitz, sondern Yoovidhya das letzte Wort.

Die große Frage: Wer kontrolliert die zwei Prozent?

Dass Chalerm Yoovidhya jetzt seinen Zwei-Prozent-Überhang an der Red Bull GmbH an eine Schweizer Treuhandgesellschaft übertragen hat, regt im Zuge der Horner-Entlassung die Fantasie verschiedener Medien an. Das sei "der wahre Grund für das Horner-Aus bei Red Bull", berichtet etwa die österreichische Plattform oe24, gestützt auf eine Meldung der österreichischen Nachrichtenagentur APA.

Eine Spekulation, die auf der Annahme basiert, dass Yoovidhya mit den zwei Prozent auch die Kontrolle über die Red Bull GmbH abgegeben hat. Aber: Dass dem wirklich so ist, konnte in Recherchen von Motorsport-Total.com nicht erhärtet werden.


Christian Horner war schon Formel-1-Teamchef, als ...

Die Red Bull GmbH verweist auf Anfrage darauf, dass man "unternehmensinterne oder auch familiäre Entscheidungen nicht öffentlich kommentieren möchte", und sagt zur Transaktion zwischen Yoovidhya und Fides nur: "Eine solche treuhändische Lösung ist üblich, um in erfolgreichen großen Unternehmen dauerhaft Kontinuität zu gewährleisten."

Der im Handelsregister angegebene Unternehmenszweck von Fides umfasst die Gründung und Verwaltung von Gesellschaften, Trusts und ähnlichen Strukturen. Die Gesellschaft versteht sich per Selbstbeschreibung als "unabhängiges, eigentümergeführtes Boutique-Multi-Family-Office, das Trust-, Immobilien- und Familienberatungs-Dienstleistungen für internationale vermögende Privatkunden erbringt".

Präsident des Verwaltungsrates von Fides ist ein Mann namens Martin Christopher Bowen. Ob Bowen schon vor der Zwei-Prozent-Transaktion Verbindungen zur Yoovidhya- oder Mateschitz-Familie hatte, ist nicht bekannt. Klar zu sein scheint: Fides ist ein klassisches Schweizer Family-Office, das das Vermögen sehr wohlhabender Familien verwaltet.

Wer letztendlich die Kontrolle über die zwei Prozent ausübt, die jetzt von Fides verwaltet werden, ist unklar. Die Red Bull GmbH äußert sich dazu nicht. Aufgrund des Statements mit dem Hinweis auf "Kontinuität" erscheint es aber durchaus denkbar, dass Fides im Auftrag von Yoovidhya handelt und sich die Machtverhältnisse im Konzern dadurch gar nicht verschoben haben.

Horners Jahresgehalt: 2023 waren es 24 Millionen Euro

Spannendes fördert auch der Blick ins britische Handelsregister Companies House zutage. Nämlich, dass das Red-Bull-Imperium in Milton Keynes insgesamt sechs Firmen umfasst: das Formel-1-Team Red Bull Racing, die technische Entwicklung bei Red Bull Technology, und die neu aufgesetzte Powerunit-Schmiede Red Bull Powertrains.

Dazu gibt es noch eine Firma namens Red Bull Powertrains 2026 (bei der von außen nicht ganz klar ist, wie sie sich von Red Bull Powertrains abgrenzt), Red Bull Advanced Technologies und Red Bull Advanced Services. Wichtig: Bei allen sechs Firmen ist Horner als einer der Direktoren (Vorstände) eingesetzt. Sein Name ist auf allen Vorstandsdokumenten erstgereiht.


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Das britische Recht bringt mit sich, dass die Bezüge des jeweils bestbezahlten Direktors öffentlich ausgewiesen werden müssen. Wer der bestbezahlte Direktor der einzelnen Red-Bull-Firmen ist, ist streng genommen nicht bekannt. In der Branche wird aber davon ausgegangen, dass es sich dabei jeweils um Horner handelt.

Der höchstbezahlte Direktor kassierte bei Red Bull Racing im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr 2023 7,0 Millionen Pfund, bei Red Bull Technology 9,6 Millionen Pfund und bei Red Bull Advanced Technologies 4,0 Millionen Pfund. In den Dokumenten der anderen drei Firmen findet sich lediglich ein Hinweis: "Die Vergütung der Direktoren wurde von anderen Konzerngesellschaften gezahlt, wobei der auf dieses Unternehmen entfallende Anteil unerheblich ist."

Oder, anders ausgedrückt: Ausgehend von der Annahme, dass Horner jeweils der höchstbezahlte Direktor war, kassierte er im Jahr 2023 ein Jahresgehalt in der Höhe von umgerechnet 23,9 Millionen Euro. Was wiederum den Schluss zulässt: Ihn aus seinem dem Vernehmen nach bis 2030 laufenden Vertrag zu entlassen, wird für Red Bull womöglich ein teurer Spaß.

Was hat es mit Horners Verbleib bei Red Bull auf sich?

Wichtig zu verstehen: Laut Statement der Red Bull GmbH vom 9. Juli wurde Horner "von seinen operativen Aufgaben" entbunden. In seiner Abschiedsrede vor der Belegschaft in Milton Keynes hatte er jedoch erklärt: "Ich werde weiterhin im Unternehmen beschäftigt bleiben. Aber operativ wird der Staffelstab übergeben."

Laut Recherchen von Motorsport-Total.com ist nicht vorgesehen, dass Horner weiterhin im Konzern tätig bleibt. Allerdings bleibt er vorerst bei vollen Bezügen auf der Gehaltsliste, bis eine Einigung über eine Aufhebungsvereinbarung all seiner Verträge gefunden ist. Diese wird mutmaßlich eine Abfindung in Millionenhöhe beinhalten, über die jetzt verhandelt werden muss.

Was über die Entlassungsgründe vermutet wird

Was letztendlich die Gründe für Horners Entlassung waren, dazu hat sich Red Bull zumindest öffentlich noch nicht geäußert. Horner selbst hatte Freunden gegenüber durchblicken lassen, er sei "überrascht" gewesen, als er am Dienstagabend über den Schritt informiert wurde.

Bekannt ist, dass Horner intern einen starken Zug zur Macht entwickelt hatte. Nach dem Tod von Dietrich Mateschitz soll er bei der Yoovidhya-Familie vorgeschlagen haben, selbst in eine mächtigere Position im Konzern aufzurücken. In Österreich wird gemunkelt, er habe sich für ein Shareholding am Formel-1-Programm und jene Position ins Spiel gebracht, die heute von Oliver Mintzlaff bekleidet wird.

Außerdem heißt es, Red Bull Powertrains sei in der Entwicklung der Formel-1-Powerunit für 2026 nicht so weit wie etwa Mercedes oder Honda. Zuletzt hatte Horner gegenüber der Sport Bild angedeutet: "Es wäre arrogant von uns zu glauben, dass wir sofort besser sein können als unsere Konkurrenz. Ferrari ist in diesem Feld seit 75 Jahren, Mercedes seit rund 25. Audi und Honda haben ebenfalls einige der besten Antriebe der Welt in verschiedenen Motorsportbereichen gebaut. Wir müssen uns erst unsere Sporen verdienen."

Kurz darauf reagierte Helmut Marko in einem Interview mit oe24 auf dieses Statement mit Fragezeichen: "Ich habe mich auch gewundert, als ich das gelesen habe. Intern spricht er jedenfalls anders. Wir liegen mit unserem Motor im Rahmen und glauben, dass wir derzeit keinen signifikanten Nachteil haben."

Dazu kam der stark rückläufige Trend, was die Ergebnisse auf der Rennstrecke betrifft. Ohne Max Verstappen wäre Red Bull 2025 Letzter in der Konstrukteurs-WM, wenn man einfach die Punkte des zweiten Autos verdoppeln und Verstappen rausrechnen würde. Ein Fiasko für ein Team, dessen Selbstanspruch ein viel höherer ist.

Horner hatte, so viel ist bekannt, Milton Keynes zu "seinem" Team gemacht. Er war vor Ort in England der unumstrittene Alleinherrscher. Das kam in Österreich nicht gut an. Es sagt viel über die interne Dynamik aus, dass Helmut Marko am Donnerstag erstmals auf dem X-Kanal von Red Bull Racing zitiert wurde. Das wäre unter Horners Regentschaft vermutlich nie passiert.

Wenn sich Marko öffentlich geäußert hat, war das Horner meistens ein Dorn im Auge. Einer von vielen Gründen, warum sich das persönliche Verhältnis zwischen den beiden zuletzt verschlechtert hatte.

Spekulationen: Was sind die wahren Hintergründe?

Der Knackpunkt rund um die Horner-Entlassung bei Red Bull war letztendlich womöglich weniger, dass Yoovidhyas zwei Prozent an der Red Bull GmbH (zumindest auf dem Papier) den Eigentümer gewechselt haben. Sondern eher, dass er die anfängliche Unterstützung aus Thailand in den vergangenen eineinhalb Jahren sukzessive verloren hat.

Wer die zwei Prozent jetzt wirklich kontrolliert, darüber kann nur spekuliert werden. Naheliegend erscheint, dass weiterhin der Yoovidhya-Clan die mächtigste Kraft im Red-Bull-Konzern ist. Aber: Dass der österreichische Konzernflügel Horner schon 2024 loswerden wollte, als die Affäre um sein unangemessenes Verhalten gegenüber einer Mitarbeiterin bekannt wurde, ist kein Geheimnis. Mit etwas Verspätung haben sich Mintzlaff & Co. in dieser Frage durchgesetzt.

Denkbar auch, dass Yoovidhya erkannt hat, dass die bis 2022 in Kraft gewesene Konstellation, dass der Konzern operativ aus Österreich geführt wird und nur 51 Prozent der Gewinne auf die Konten der Yoovidhya-Familie wandern, im Nachhinein betrachtet recht komfortabel war. Und daher jetzt wieder mehr in Fuschl am See geschaltet und gewaltet wird als in den vergangenen zweieinhalb Jahren.

Doch all das sind Spekulationen. Tatsache ist, dass Mintzlaff am Donnerstag, einen Tag nach Horner, zur Belegschaft in Milton Keynes gesprochen hat. Und dabei spuckte er, zumindest laut Bild-Zeitung, kämpferische Töne: "Die Weltmeisterschaft ist noch nicht verloren", soll er unter anderem gesagt haben.

Und: "Wir müssen den Schalter umlegen, nach vorn schauen und gemeinsam zusammenstehen. Als Team haben wir Großes erreicht und werden das auch in Zukunft tun." Nur eben nicht mehr unter der Führung von Christian Horner, sondern unter der von Laurent Mekies, der zu seinem Nachfolger bestellt wurde.

Für Horner sind es menschlich schwierige Zeiten, die er gerade zu ertragen hat. Denn wenige Tage vor seiner Entlassung als Teamchef ist seine Ex-Ehefrau Beverley, von der er sich 2014 getrennt hatte, an Krebs verstorben. Horner und Beverley hatten eine gemeinsame Tochter, und ihr Verhältnis soll zuletzt wieder freundschaftlich gewesen sein.

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