ANZEIGE

Meinung zum Horner-Aus: "Da dachte ich mir, die Formel 1 ist wirklich knallhart"

Ben Hunt, Autor von "Red Bull Racing: Die Geschichte hinter dem Erfolg", über Christian Horner und die Unbarmherzigkeit der F1, von der Horner eingeholt wurde

(Motorsport-Total.com) - Christian Horner war sich vom ersten Tag an bei Red Bull Racing der Unbarmherzigkeit der Formel 1 bewusst. Vielleicht kam die Mitteilung am Mittwoch, er werde "von seinen operativen Aufgaben entbunden", deshalb gar nicht so überraschend, wie es zunächst schien.

Foto zur News: Meinung zum Horner-Aus: "Da dachte ich mir, die Formel 1 ist wirklich knallhart"

Christian Horner wurde am Mittwoch offiziell von seinen Aufgaben als Teamchef entbunden Zoom Download

Während der Arbeit an meinem Buch "Red Bull Racing: Die Geschichte hinter dem Erfolg" (ANZEIGE: Ben Hunts Buch jetzt auf Amazon.de bestellen!) erzählte mir Horner, wie man ihn bat, auf dem Parkplatz zu warten, während Red Bulls Rechtsabteilung den damaligen Teamchef Tony Purnell entließ.

Auch Purnell hatte mir berichtet, wie er und Geschäftsführer Dave Pitchforth am Auto für die Saison 2005 arbeiteten, als sich die Spannungen zwischen dem Werk in Milton Keynes und der Red-Bull-Zentrale in Salzburg zuspitzten. Eine Geschichte, die heute fast schon gespenstisch vertraut wirkt.

"Als Red Bull das Team übernahm, waren wir begeistert", erzählte mir Purnell. "Es fühlte sich an, als hätte unser Team endlich eine Zukunft, nachdem zuvor vieles auf der Kippe stand. Sie luden mich ein, weiterhin als Teamchef zu bleiben. Aber Red Bull war ein Marketingunternehmen. Ein exzellentes, keine Frage. Doch damals hatten sie keinerlei Ahnung davon, wie man ein Formel-1-Team führt oder ein Rennauto entwickelt."

"Es kam schnell zu Reibungen. Ein Punkt waren die Fahrer: Sie wollten Piloten installieren, die wir für nicht gut genug hielten. Der größere Konflikt betraf jedoch ihre verrückten Ideen, wie ein Rennwagen gebaut werden sollte."


Die Faktoren, die zu Horners Aus bei Red Bull führten

Er fügte hinzu, dass Red Bull personelle Veränderungen durchsetzen wollte, die für ihn nicht hinnehmbar waren: "Dave war der beste technische Manager, mit dem ich je gearbeitet habe. Später wurde er Präsident von Boeing Defence. Doch Helmut Marko mochte ihn nicht, weil er widersprach, wenn er eine Entscheidung für falsch oder schlecht ausgeführt hielt. Red Bull forderte mich auf, ihn zu entlassen. Was für mich völlig ausgeschlossen war."

"Aber sie glaubten nicht an uns. Das Vertrauensverhältnis war zerstört. Es gab keine Vorwarnung. Es war ein Schock, an einem Tag zur Arbeit zu kommen und Marko gemeinsam mit einem Team von Anwälten am Schreibtisch vorzufinden."

Diese Woche in Milton Keynes drängt sich der Vergleich geradezu auf. Unmittelbar nach zwei enttäuschenden "Heimrennen" in Spielberg und Silverstone.

Mit 31 Jahren der jüngste Teamchef der Formel 1

Horner wurde am 7. Januar 2005 im Alter von nur 31 Jahren zum Teamchef von Red Bull ernannt - als damals jüngster Teamchef in der Geschichte der Formel 1. In unserem Gespräch für "Red Bull Racing: Die Geschichte hinter dem Erfolg" erinnerte er sich an seinen ersten Tag: "Ich saß im Auto auf dem Parkplatz und sah, wie sie mit einem Pappkarton und ihren Sachen herauskamen. Da dachte ich mir: 'Die Formel 1 ist wirklich knallhart.'"

Mehr als 20 Jahre später findet sich Horner nun selbst in exakt dieser Lage wieder. Unehrenhaft abgesetzt, ohne wirkliche Vorwarnung. Der Unterschied: die Hinterlassenschaft, die er zurücklässt. Unter seiner Führung gewann Red Bull 124 von 405 Grands Prix. Horner war bei jedem einzelnen Rennen dabei.


Video wird geladen…

  Weitere Formel-1-Videos

Sein Vertrag mit Red Bull läuft eigentlich noch bis 2031. Noch vergangene Woche war ich bei ihm zu Hause zu einem Roundtable-Interview eingeladen, im Vorfeld eines Fundraising-Events für "Wings for Life", der Rückenmark-Stiftung von Heinz Kinigadner und dem verstorbenen Red-Bull-Mitgründer Dietrich Mateschitz. Wäre seine Entlassung bereits absehbar gewesen, hätte ein solcher Event mit Red-Bull-Granden kaum stattgefunden.

Horner blieb stets loyal gegenüber Mateschitz, doch dessen Tod im Jahr 2022 löste einen Machtkampf innerhalb des Konzerns aus - und markierte den Beginn der Entfremdung zwischen Horner und der Zentrale in Salzburg. Wie einst bei Purnell war das Werk in Milton Keynes zunehmend isoliert.

Wie die "Horner-Affäre" ins Rollen kam

Im März 2024 eskalierte die Situation: Nach einer Beschwerde wegen angeblich unangemessenen Verhaltens gegenüber einer Mitarbeiterin wurde ein internes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der juristische Streit zog sich hin, doch Horner bestand darauf, dass der Betrieb normal weiterlaufen soll.

In den folgenden Monaten wurden die Vorwürfe im Zuge interner Untersuchungen zweimal entkräftet. Es schien, als habe er den Sturm überstanden - auch dank der Unterstützung der thailändischen Eigentümerfamilie Yoovidhya, insbesondere von Chalerm Yoovidhya, der damals de facto 51 Prozent von Red Bull kontrollierte. Die übrigen 49 Prozent gehören der Familie Mateschitz, vertreten durch Sohn Mark.

Anzeige
Red Bull Racing Fanartikel

Dennoch verschärften sich die politischen Spannungen zwischen Milton Keynes und Salzburg. Es folgte eine Abwanderung wichtiger Schlüsselfiguren: Chefdesigner Adrian Newey wechselte zu Aston Martin, Jonathan Wheatley ging zu Sauber (Audi), Max Verstappens Chefmechaniker Lee Stevenson verließ das Team, und Strategiechef Will Courtenay schloss sich McLaren an. Dort trifft er bald auf Ex-Red-Bull-Ingenieur Rob Marshall.

Trotz all dem beharrte Horner darauf, dass er der Richtige sei, um das Team durch diesen Umbruch zu führen. Doch wer die Lorbeeren für Erfolge beansprucht, muss auch Verantwortung übernehmen, wenn es schiefläuft.

Deshalb fühlte sich der Sieg in Imola für Horner wie eine Befreiung an. Ein Zeichen, dass Red Bull noch immer konkurrenzfähig ist. Doch auf ein schwaches Ergebnis in Spanien folgten ein Ausfall in Österreich und ein enttäuschender Grand Prix in Silverstone - trotz Verstappens brillanter Pole. Das reichte nicht mehr.

Ist Mekies der richtige Mann als Nachfolger?

Die Entscheidung, Horner durch Laurent Mekies zu ersetzen, wirft Fragen auf. Soll so Verstappen beschwichtigt und ein Wechsel zu Mercedes oder Aston Martin verhindert werden? Oder will sich Österreich die Kontrolle zurückholen, weil Horner als Teamchef und CEO zu viel Macht auf sich vereinte? Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen.


Aufstieg und Fall von Christian Horner bei Red Bull

Klar ist: Das Timing ist entscheidend. Die Formel 1 steht vor einem der größten Reglementwechsel ihrer Geschichte. Ab 2026 arbeitet Red Bull mit Ford als Motorenpartner zusammen. Ein epochaler Wandel, in dessen Zentrum Horner stand.

Mekies ist zweifellos ein kompetenter Ingenieur mit Stationen bei Ferrari und der FIA. Doch ist er der Richtige, um Red Bull in diese neue Ära zu führen? Ich habe da meine Zweifel. Horner hingegen hat noch einen langfristigen Vertrag, dessen Auflösung hohe Abfindungen nach sich ziehen dürfte.

Er ist ein Workaholic. Vielleicht konzentriert er sich jetzt erst einmal auf seine Familie, nimmt sich eine Auszeit. Doch ich bin überzeugt: Er kommt zurück. Der Abgang schmerzt, und er wird es sich zur Aufgabe machen, es allen zu beweisen. Dass er seine Version der Geschichte bislang kaum öffentlich erzählen konnte - abgesehen von einer schwachbrüstigen Stellungnahme vor laufenden Kameras -, wird ihn wurmen. Mit 51 hat er noch viel zu geben. Jedem Team im Fahrerlager.

Wird er die Umstrukturierung bei Ferrari leiten? Oder bei Alpine einsteigen, als Anteilseigner und Teamchef zugleich? Beides scheint möglich. Doch vorerst hat die Formel 1 einen ihrer prägendsten Protagonisten verloren.

Wer "Drive to Survive" gesehen hat, kennt Horner in der Rolle des machiavellistischen Strippenziehers. Der perfekte Formel-1-Bösewicht. Einer, der sich mit Toto Wolff anlegte und Zak Brown provozierte. Ob man ihn mag oder nicht: Sein Abgang hinterlässt eine Lücke. Zumindest vorübergehend.

Aktuelles Top-Video
Foto zur News: "Jemand hat mit Gewalt versucht, Horner loszuwerden" | Interview Ralf Schumacher
"Jemand hat mit Gewalt versucht, Horner loszuwerden" | Interview Ralf Schumacher

Ralf Schumacher über das Erdbeben in der Formel 1: Christian Horner ist mit...

Anzeige Unser Formel-1-Shop bietet Original-Merchandise von Formel-1-Teams und Formel-1-Fahrern - Kappen, Shirts, Modellautos, Helme und vieles mehr
Fotos & Fotostrecken
Foto zur News: Christian Horner war schon Formel-1-Teamchef, als ...
Christian Horner war schon Formel-1-Teamchef, als ...
Foto zur News: Die Faktoren, die zu Horners Aus bei Red Bull führten
Die Faktoren, die zu Horners Aus bei Red Bull führten

Foto zur News: Top 10: Die meisten F1-Starts ohne Podest
Top 10: Die meisten F1-Starts ohne Podest

Foto zur News: Geschasste Formel-1-Teamchefs
Geschasste Formel-1-Teamchefs

Foto zur News: Die aktuellen Teamchefs der Formel 1
Die aktuellen Teamchefs der Formel 1
AnzeigeFormel-1 Tickets Österreich 2026 kaufen
Folge Formel1.de
Videos
Foto zur News: "Jemand hat mit Gewalt versucht, Horner loszuwerden" | Interview Ralf Schumacher
"Jemand hat mit Gewalt versucht, Horner loszuwerden" | Interview Ralf Schumacher
Foto zur News: Hülkenberg-Podium: Was Sauber in Silverstone alles richtig machte
Hülkenberg-Podium: Was Sauber in Silverstone alles richtig machte

Foto zur News: Wie gut ist Cadillac? 10 Fragen an den Teamchef | F1 2026
Wie gut ist Cadillac? 10 Fragen an den Teamchef | F1 2026

Foto zur News: Red Bull in Not: Warum der Perez-Rauswurf ein Fehler war!
Red Bull in Not: Warum der Perez-Rauswurf ein Fehler war!
Formel1.de auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!

 
formel-1-countdown