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Niki Lauda zählte zu den beliebtesten Menschen im Formel-1-Fahrerlager. Wir werfen einen Blick zurück auf sein bewegtes Leben.
Ein Mann, der sich bis zum Schluss treu blieb. Niki Lauda verstarb am 20. Mai 2019. Er kämpfte seit einer Lungentransplantation im Sommer 2018 mit seiner Gesundheit. Ein Blick zurück.
Sein erstes Rennen bestritt er als 19-jähriger Nobody in einem Mini Cooper S 1300 bei einem Bergrennen in Oberösterreich, sein letztes als einer der erfolgreichsten Formel-1-Piloten aller Zeiten für McLaren beim Großen Preis von Australien in Adelaide. Eine Eigenschaft war dabei immer typisch Niki Lauda: sein gnadenloser Perfektionismus.
Lauda war noch nicht lange im internationalen Motorsport aktiv und hatte gerade ein Jahr in der Französischen Formel 3 absolviert, als er 1971 im heimischen Spielberg bei seinem ersten Formel-1-Rennen für March an den Start rollte. Um beim klammen Team weiter an Bord zu bleiben, besorgte er sich einen Kredit in Höhe von zwei Millionen Schilling.
Für seinen Traum hatte er sich mit seiner Familie und besonders mit seinem Vater, einem einflussreichen Industriellen, komplett überworfen. Der Wagemut zahlte sich aus. 1973 gelang Lauda beim Monaco-Grand-Prix der Durchbruch. Für seinen neuen Arbeitgeber BRM fuhr er auf Platz drei und düpierte dabei Jacky Ickx. Enzo Ferrari war dieser Auftritt nicht entgangen.
Ehe es mit dem Commendatore an den Verhandlungstisch ging, feierte Lauda allerdings noch seinen größten Erfolg im Sportwagen-Geschäft. In einem BMW 3.0 CSL gewann er an der Seite des Deutschen Hand-Peter Joisten die 24 Stunden auf der Nürburgring-Nordschleife.
1974 war er dann angekommen in Maranello, wo er zusammen mit dem neuen Rennleiter Luca di Montezemolo und Designer Mauro Forghieri Ferrari zurück zu alter Stärke führte. Die ersten Früchte gab es im spanischen Jarama zu ernten...
...mit dem ersten Grand-Prix-Sieg in Laudas Karriere. 24 weitere sollten folgen, dazu 24 Pole-Positions und 24 schnellste Runden. Insgesamt 54-mal stand der gebürtige Wiener auf dem Podium und legte 1.590 Führungsrunden über 7.055,6 Kilometer zurück.
Richtig ernst wurde es 1975 mit dem Ferrari 312T, der sich als wahre Wunderwaffe entpuppte. Lauda trat endgültig aus dem Schatten seines Teamkollegen Clay Regazzoni und holte seinen ersten WM-Titel.
Obwohl er in Monza das Ziel als Dritter hinter dem Schweizer erreichte, feierte Lauda die Krone vor den Tifosi in Monza.
In Italien war ein Held geboren.
Doch kein Champion ohne Herausforderer: 1976 kam bei McLaren ein Naturtalent empor, das ein kompletter Gegenentwurf zu Lauda war: ein extrovertierter Lebemann, der Partys und hübsche Frauen mindestens genauso liebte wie den Motorsport. Die Saison wurde eine für die Ewigkeit.
Dabei waren sich Lauda und Hunt trotz ihrer scheinbar unüberbrückbaren Gegensätze abseits der Strecke keineswegs spinnefeind, sondern durchaus zugetan. Der Ferrari-Pilot hatte im Duell der beiden lange die Nase vorne, doch dann kam es zu einem entscheidenden Moment in der Karriere von Lauda.
Am 1. August 1976 verunglückte Niki Lauda auf der Nordschleife des Nürburgring, zwischen der Passage des Adenauer Ortsteils Breidscheid und dem Bergwerk. Nach dem Einschlag in die Böschung mit rund 220 km/h ging der Ferrari 312T2 in Flammen auf, knapp 200 Liter Benzin entfachten ein Inferno. Die Fahrerkollegen Brett Lunger, Harald Ertl und Guy Edwards versuchten verzweifelt, ihren Fahrerkollegen zu retten.
Doch ihre Anstrengungen blieben vergebens. Sich durch die Flammen kämpfen und den klemmenden Sicherheitsgurt, der Lauda an den Wagen fesselte, öffnen, konnte erst Arturo Merzario. Der Italiener, der angehalten hatte und zum Wrack geeilt war, befreite ihn. Er zog seinen Kameraden gemeinsam mit Ertl aus dem Fahrzeug und leistete Erste Hilfe. Dass das Drama überhaupt dokumentiert ist, ist einem französischen Fan zu verdanken, der die Szenen auf Super-8-Film bannte.
Das Fernsehen hatte keine Kamera an der Unfallstelle, die Bilder gingen erst einige Tage später um die Welt. 36 Jahre später erinnert sich Merzario in 'Bild am Sonntag' im gemeinsamen Interview mit Lauda an die dramatischen Momente: "Als ich zum Auto lief, hörte ich Nikis Schreie. Du warst leicht wie eine Feder. Dann habe ich dein Herz massiert und beatmet, bis der Krankenwagen kam", sagt er in Richtung des dreimaligen Weltmeisters. Merzario rettete Laudas Leben.
Viel schwerer als die Verbrennungen wog die Vergiftung, die sich Lauda mit dem Einatmen des Qualms zugezogen hatte. Er fiel ins Koma, erhielt die letzte Ölung. Doch noch war seine Zeit nicht gekommen. Lauda sprang dem Tod von der Schippe und saß schon wenige Wochen nach seinem Unfall wieder im Rennauto.
Lauda wurde beim Comeback in Monza Vierter, in Italien aber ein weiteres Mal wie ein Held gefeiert. Die Krone ging 1976 trotzdem an James Hunt - weil es Lauda im Monsunregen von Fuji zu gefährlich war, ein Formel-1-Rennen zu bestreiten.
Doch Lauda war nicht lange Zweiter. Schon im darauffolgenden Jahr 1977 wurde er wieder Weltmeister, überwarf sich aber mit Enzo Ferrari, litt unter den Folgen seines Unfalls und haderte mit Carlos Reutemann als Teamkollegen. Folge: Schon bei den abschließenden zwei Grands Prix saß Gilles Villeuneve in seinem Auto - das Lieblingskind des Commendatore.
Lauda heuerte bei Brabham an, wo seine Karriere einen Knick erlebte. Mit unterlegenem Material gelangen ihm in den Jahren 1978 und 1979 nur zwei Siege. Noch während des Freien Trainings in Kanada machte er seinen Rücktritt bekannt und widmete sich fortan seiner zweiten Leidenschaft: der Fliegerei.
1982 dann das Comeback bei McLaren: In Long Beach und in Brands Hatch landete er zwei Siege und schloss das Jahr als Fünfter der WM-Gesamtwertung ab.
Lauda jubelte wieder wie einst bei Ferrari und startete den Angriff auf den dritten Titel seiner Karriere. Neben seinen Leistungen auf der Strecke machte er sich in dieser Zeit für seinen Einsatz für die Rechte der Formel-1-Piloten verdient.
Und er wurde der einzige Teamkollege in der Geschichte, der es schaffte, Alain Prost im WM-Kampf nach Punkten zu überflügeln. 1984 gab es beim Saisonfinale die knappste WM-Entscheidung aller Zeiten, als Lauda mit 0,5 Punkten Vorsprung zum dritten Mal Weltmeister wurde.
Doch der "Professor", der im Motorsport kurioserweise genau den gleichen Ansatz verfolgte wie Lauda, schlug zurück und wurde selbst Champion. Sein Technikpech verhagelte Lauda die Saison 1985. Er lehnte ein Angebot Bernie Ecclestones, zu Brabham zu wechseln, ab und trat ein zweites Mal zurück.
Nachdem er in den 90er-Jahren kurzzeitig Berater bei Ferrari gewesen war, kehrte Lauda aus der Luftfahrtbranche in die Formel 1 zurück. Er übernahm 2002 den Rennleiter- und anschließend den Teamchefposten bei Jaguar und arbeitete mit US-Legende Bobby Rahal zusammen.
Lauda ließ es sich nicht nehmen, das Auto selbst zu testen.
Nachdem 2003 bei Jaguar Schluss war, Lauda einen Ausflug in die Mietwagenbranche unternommen hatte und mit dem Aufkauf der Mehrheitsanteile an der Aero Lloyd Austria wieder im Airline-Business mit von der Partie war, lockte erneut die Formel 1. Dieses mal bei den "Silberpfeilen". Lauda wurde 2012 Aufsichtsratsboss beim Mercedes-Team. Er war bis Ende 2017 weiter als TV-Experte für RTL an Bord.
2013 setzte Regisseur Ron Howard der Saison 1976 mit seinem Kinoepos "Rush" ein Monument. In der Rolle des verbissenen Jungspunds Niki Lauda: Daniel Brühl.
2018 schockte die Nachricht, dass sich Lauda einer Lungentransplantation unterziehen muss. Diese verlief ohne Komplikationen. Noch ahnte keiner, dass er nie wieder einen Grand Prix besuchen würde ...
Auch im Fahrerlager wurde er schmerzlich vermisst. Ein Comeback in Abu Dhabi scheiterte, auch weil ihm eine weitere Influenza-Infektion in der Reha zurückwarf.
Am 20. Mai 2019 zog Lauda überraschend ein letztes Mal sein berühmtes Kapperl - diesmal endgültig. Wie so oft in seinem Leben überraschte er die Motorsportwelt, die Nachricht seines Todes kam ohne jede Vorankündigung. Niki Lauda hinterlässt seine Ehefrau Birgit und insgesamt fünf Kinder.
(Motorsport-Total.com) - Niki Lauda ist tot. So traurig dieser Satz auch klingt, so dankbar muss man auch sein, ihn erst im Jahr 2019 lesen zu müssen. Ganze 70 Jahre waren ihm auf dieser Welt vergönnt, dem Tod sprang er dabei mehr als einmal von der Schippe. Sein Feuerunfall auf der Nordschleife 1976 ist jedem auch nicht Formel-1-Fan ein Begriff. Doch das ist nicht das einzige Mal, dass Laudas Leben am seidenen Faden hängt.
Als Andreas Nikolaus Lauda am 22. Februar 1949 in Wien geboren wird, meint es das Leben eigentlich gut mit ihm. Seine Familie ist wohlhabend, dem kleinen Niki mangelt es an nichts. Doch genau diese Verhältnisse sorgen dafür, dass Lauda später mit seiner Familie bricht. Die hält nämlich nichts davon, dass er Rennfahrer werden möchte. Bei seiner Karriere ist er auf sich alleine gestellt.
Lauda nimmt Kredite auf und verschuldet sich für seinen Traum von der Formel 1. 1971 gibt er sein Debüt bei March, für 1972 kauft er sich dort ein Stammcockpit. Weil die großen Ergebnisse allerdings ausbleiben, steht Lauda am Ende des Jahres vor dem Nichts. In seiner Autobiografie "Das dritte Leben" erinnert sich Lauda zurück: "Es gab kein Auto für 1973. Ich hatte vier Millionen Schilling Schulden, keine Ausbildung, keine Idee von einem Job"
"Und selbst wenn ich einen kriegte, würde ich zig Jahre nur Schulden zurückzahlen." Lauda sieht keinen Ausweg, denkt sogar an Selbstmord. "Es sollte der einzige Moment meines Lebens bleiben, wo ich derartige Gedanken hatte", verrät er in seiner Biografie. Lauda entscheidet sich dagegen, macht weiter. 1973 kommt er bei BRM unter, ein Jahr später bei Ferrari - der Durchbruch.
Letzte Ölung nach Feuerunfall 1976
1974 folgen seine ersten Siege in der Formel 1, 1975 wird er zum ersten Ferrari-Weltmeister seit John Surtees elf Jahre zuvor. Ein Jahr später droht Laudas Leben erneut ein vorzeitiges Ende zu finden - dieses mal unfreiwillig. Beim Rennen auf dem Nürburgring verunglückt er, erleidet schwerste Verbrennungen, seine Lunge wird durch giftige Dämpfe verätzt. Lauda fällt ins Koma.
Laudas Rivalität mit James Hunt wird später sogar verfilmt
Im Krankenhaus erhält er bereits die Letzte Ölung, doch Lauda überlebt nicht nur - er fährt weiter. Nur zwei Rennen lässt er aus, sitzt 42 Tage nach seinem Unfall unter Schmerzen bereits wieder im Cockpit. Bis zum Saisonfinale in Fuji ist der WM-Kampf gegen James Hunt, der später in "Rush" verfilmt wird, offen. Dort gibt Lauda aufgrund der gefährlichen Regenbedingungen freiwillig auf, überlasst Hunt damit den Titel.
Lauda wird in seiner Karriere noch zwei weitere Male Weltmeister: 1977 und 1984. Dazwischen liegen nicht nur sieben Jahre sondern auch ein Rücktritt. Kurz vor Ende der Saison 1979 steigt Lauda mitten am Wochenende des Kanada-GP aus. Seine Begründung ist bis heute legendär. Er haben keine Lust mehr, "im Kreis" zu fahren. Zwei Jahre später kehrt er trotzdem zurück, endgültig Schluss ist erst Ende 1985.
Da hat Lauda seine Schulden längst abgezahlt und sich ein Leben abseits der Rennstrecken dieser Welt aufgebaut. Bereits 1979 gründet er mit "Lauda Air" seine erste eigene Fluglinie. Bis zu seinem Tod bleibt Lauda dem Luftfahrtbusiness treu. Nach "Lauda Air" tragen mit "Niki" und "Laudamotion" im Laufe der Jahre noch drei weitere Airlines seinen Namen.
Geschäftsmann, Teamboss, Experte
In seiner zweiten Karriere erlebt Lauda aber auch sein größtes persönliches Fiasko. 1991 stürzt eine seiner Boeing-Maschinen ab, 223 Menschen sterben. Lauda reist persönlich zum Absturzort, lässt nicht locker, ehe die Umstände restlos aufgeklärt sind. Er selbst spricht später davon, dass es, "das Schlimmste [war], was ich je erlebt habe." Sein eigener Feuerunfall sei nichts dagegen gewesen.
Bei RTL ist Lauda mehr als 20 Jahre ein fester Bestandteil des Teams
Von der Formel 1 trennt sich Lauda auch nach seinem aktiven Karriereende nie so ganz. In den Neunzigerjahren ist er zunächst Berater bei Ferrari, im neuen Jahrtausend kurzzeitig Teamchef bei Jaguar. Von großem Erfolg sind beide Jobs nicht gekrönt. Aus seiner Jaguar-Zeit bleibt vor allem Laudas Satz hängen, dass in der modernen Zeit "jeder Affe" ein Formel-1-Auto fahren könne.
Lauda will den Beweis antreten, steigt selbst bei einem Test noch einmal ins Cockpit - und dreht sich prompt. Der große Coup an der Boxenmauer gelingt ihm erst zehn Jahre später, als er bei Mercedes einsteigt. Zunächst als Aufsichtsratsvorsitzender des Formel-1-Teams, später auch als Anteilseigner. Mit den Silberpfeilen gewinnt Lauda zwischen 2014 und 2018 fünfmal in Folge die Weltmeisterschaft.
Aus seinen eigenen Erfolgen macht er sich nicht besonders viel. Und sich selbst nimmt der Österreicher nie besonders wichtig. Über den Feuerunfall und sein äußeres Erscheinungsbild macht er gerne Witze, er sagt über sich selbst, dass er in seiner aktiven Zeit ein "Arschloch" gewesen sei, und er macht die rote Kappe nach seinem Unfall zu seinem Markenzeichen.
Zur Kultfigur wird Lauda in Deutschland vor allem dank seiner Rolle als TV-Experte bei RTL. An der Seite von Florian König begleitet er die deutschen Fernsehzuschauer bis Ende 2017 mehr als 20 Jahre durch die Formel 1. Dann macht er - auf seine bekannte Art - einfach Schluss. Vor laufender Kamera kündigt er seinen Abschied an, überrumpelt damit alle - typisch Lauda eben.
"Keine Freunde" und trotzdem beliebt
Aus der Meinung anderer macht er sich zu Lebzeiten ohnehin nicht viel, er eckt gerne an, hat nie Angst, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Von sich selbst behauptet er stets, "keine Freunde" zu haben. "Ein echter Freund ist jemand, mit dem man 24 Stunden über jedes Problem sprechen kann. Und ehrlich gesagt kenne ich keinen einzigen, bei dem ich das machen würde", verrät er einmal.
Mit Mercedes prägt Niki Lauda in diesem Jahrzehnt eine neue Ära
Im Paddock zählt Lauda trotzdem zu den beliebtesten und am meisten geschätzten Personen. Sein langjähriger Wegbegleiter Toto Wolff bezeichnet ihn im Spaß als "halben Freund" und verwendet für ihn aufgrund seines Status im Fahrerlager gerne die Bezeichnung "Mercedes-Außenminister". An der Strecke kommt Lauda dieser Funktion 2018 in Silverstone das letzte Mal nach.
Bereits 1997 und 2005 muss er sich jeweils einer Nierentransplantation unterziehen - Spätfolgen seines Feuerunfalls. Erneut zittern alle um das Leben des Österreichers. Erneut gewinnt er den Kampf. Im August 2018 folgt eine Lungentransplantation. Ebenfalls eine Spätfolge. Bereits beim Saisonfinale in Abu Dhabi will Lauda wieder an der Strecke sein. Doch dazu kommt es nicht mehr.
"In tiefer Trauer geben wir bekannt, dass unser geliebter Niki am Montag im Kreise seiner Familie friedlich entschlafen ist", heißt es am 20. Mai 2019. Lauda hinterlässt seine Frau Birgit und die im Jahr 2009 geborenen Zwillinge Mia und Max, seine beiden Söhne Lukas und Mathias aus erster Ehe mit Marlene Knaus und Sohn Christoph aus einer außerehelichen Beziehung.
Dass selbst Personen wie Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach seinem Tod ihre Anteilnahme ausdrücken, zeigt, welchen Stellenwert Lauda auch über den Sport hinaus hatte. Beachtlich für einen Menschen, der laut eigener Aussage keine Freunde hatte, ein "Arschloch" war - und an dessen Leben alle deutlich länger teilhaben durften, als man eigentlich erwarten konnte.