Verstappen bleibt bei Red Bull: Kluge Entscheidung oder riesiger Fehler?
Max Verstappen bleibt vorerst bei Red Bull: Ist das wirklich die beste Entscheidung für 2026 oder ein großer Fehler des amtierenden Weltmeisters? Der Faktencheck
(Motorsport-Total.com) - Max Verstappen hat alle verbleibenden Zweifel beseitigt: Er wird auch in der Formel-1-Saison 2026 für Red Bull Racing an den Start gehen. Doch stellt dieser Verbleib tatsächlich die klügste Entscheidung dar, sowohl kurzfristig als auch mit Blick auf die längerfristige Karriereplanung?
Nach dem Großen Preis von Belgien deutete bereits vieles darauf hin, doch beim Medientag vor dem Grand Prix von Ungarn in Budapest machte es Verstappen offiziell: Für die Saison 2026 wird er Red Bull nicht verlassen. "Ich denke, es ist an der Zeit, all die Gerüchte zu beenden", erklärte er.
Verstappen betonte, dass viele Spekulationen von den Medien ausgegangen seien: "Es war ziemlich unterhaltsam, all die schönen Geschichten der letzten Monate zu sehen. Ich selbst habe nie etwas dazu gesagt, weil ich mich einfach auf Gespräche mit dem Team konzentriert habe, darüber, wie wir unsere Leistung verbessern können."
Verstappen hat mit den Medien gespielt
Obwohl in dieser Aussage ein Funken Wahrheit steckt und die mediale Berichterstattung stellenweise überladend war, offenbart sie nicht die ganze Geschichte. Denn wie schon im Vorjahr hielten die entscheidenden Akteure bewusst offen, wie es mit Verstappen weitergeht.
Mehrfach wurde er gefragt, ob er auch im kommenden Jahr bei Red Bull bleiben werde, doch eine klare Bestätigung blieb aus. Diese Zurückhaltung war nachvollziehbar, zumal Mercedes-Teamchef Toto Wolff bestätigte, dass Gespräche stattgefunden hatten.
Für beide Seiten, sowohl für Verstappen als auch für Mercedes, war es sinnvoll, die Optionen zunächst offenzuhalten. Oder wie es Wolff formulierte: "Unsere Priorität liegt zwar bei unseren aktuellen Fahrern, aber es ist nur natürlich, zu beobachten, was ein viermaliger Weltmeister vorhat."
Nach dem Rennwochenende in Spa war schließlich klar, dass Verstappen die sogenannte Leistungsklausel in seinem Red-Bull-Vertrag für 2026 nicht aktivieren kann. Diese sieht vor, dass er das Team verlassen dürfte, sollte er zur Sommerpause nicht unter den Top 3 der Fahrerwertung liegen. Und weil George Russell mehr als 25 Punkte Rückstand hat, war Verstappens Platz in den Top 3 gesichert.
Damit verlor die Klausel ihre Gültigkeit. Zwar wäre eine Vertragsauflösung über eine hohe Ablösesumme theoretisch möglich gewesen, und Mercedes hätte dies wohl stemmen können, doch Verstappen machte unmissverständlich deutlich, dass ein solcher Schritt für 2026 ausgeschlossen ist.
Ist der Verbleib bei Red Bull ein Risiko?
Verstappens Bekenntnis zu Red Bull wirft zwangsläufig die Frage auf, ob es sich um die strategisch beste Entscheidung handelt, nicht nur für das nächste Jahr, sondern auch darüber hinaus. Denn Zweifel an der Wettbewerbsfähigkeit von Red Bull für 2026 sind nicht von der Hand zu weisen.
Aufstieg und Fall von Christian Horner bei Red Bull
Die Motorsport-Karriere von Christian Horner reicht bis in die 1990er-Jahre zurück, als der Brite zunächst im Kartsport unterwegs ist, bevor er in den Formelsport aufsteigt. Fotostrecke
Ein zentraler Unsicherheitsfaktor bleibt das hauseigene Motorenprojekt, bekannt als "Red Bull Powertrains". Christian Horner erklärte in seiner letzten FIA-Pressekonferenz als Teamchef: "Wenn Red Bull nächstes Jahr vor Mercedes liegt, wäre das für sie ziemlich peinlich."
Diese Aussage war sicherlich auch Teil eines Erwartungsmanagements, verweist aber auf ein grundlegendes Problem: Das Motorenprojekt von Red Bull ist ein massives Unterfangen. Kein Hersteller kann derzeit mit Gewissheit sagen, wo er im Vergleich zur Konkurrenz steht.
Auch wenn Ford-Manager Mark Rushbrook gegenüber Motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network, versicherte, dass "die meisten Meilensteine erreicht werden", bleibt es ein Schritt ins Ungewisse - insbesondere für einen Neueinsteiger.
Hinzu kommt: Auch die technische Abteilung von Red Bull steht vor bedeutenden Herausforderungen. Zwar feierte das Team unter dem aktuellen Reglement große Erfolge, doch mit dem Weggang von Persönlichkeiten wie Adrian Newey und Rob Marshall verliert es zentrale Kompetenzen.
Wie leistungsfähig das verbliebene Technikteam in seiner neuen Aufstellung ist, muss sich erst zeigen. Unabhängig von der bevorstehenden Regelreform muss Red Bull beweisen, dass es weiterhin zur Spitze zählt. In diesem Zusammenhang spielt auch der veraltete Windkanal eine Rolle, auf den selbst der ehemalige Teamchef Horner regelmäßig hingewiesen hatte.
Experten glauben: Red Bull 2026 kein Titelkandidat
Gerade in stabilen Regelphasen, in denen es um die letzten Zehntel geht, wird die aerodynamische Feinabstimmung entscheidend, und etwaige Korrelationsthemen treten besonders deutlich zutage. Ein neuer Windkanal ist zwar in Planung, wird jedoch erst im kommenden Jahr betriebsbereit sein, also zu spät, um das Design des 2026er-Autos maßgeblich zu beeinflussen.
Anders gesagt: Red Bull ist für 2026 keineswegs ein sicherer Titelkandidat. Vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall. Dennoch gilt: Verstappen hätte auch andernorts keine garantierte Erfolgsperspektive gehabt.
Die neuen Mercedes-Motoren werden im Fahrerlager zwar als vielversprechend eingeschätzt, doch beruhen diese Erwartungen zum Teil noch auf dem dominanten Auftritt von 2014. Seither hat sich sowohl in Brixworth als auch in der Formel-1-Welt insgesamt vieles verändert.
Ein Wechsel hätte für Verstappen bedeutet, sich in ein völlig neues Umfeld zu begeben. Bei Red Bull kennt er die Abläufe, das Team und die Strukturen, und trotz sportlicher Herausforderungen fühlt er sich dort nach wie vor zu Hause.
Auf die Frage, was ihm Vertrauen in Red Bull für die Zukunft gebe, sagte er: "Ich muss da gar nicht so sehr ins Detail gehen, ich arbeite einfach sehr gerne mit den Leuten im Team zusammen." Dieses Vertrauen erstreckt sich auch auf den neuen Teamchef Laurent Mekies, mit dem Verstappen nach eigenen Angaben auf einem "technisch höheren Niveau" sprechen kann als mit Horner.
Das war nicht als Kritik an Horner gemeint, sondern vielmehr Ausdruck eines strukturellen Wandels bei Red Bull. Eine Veränderung innerhalb des Teams, die jedoch ins allgemeine Bild der Formel 1, in der zunehmend Ingenieure Führungsrollen übernehmen, passt.
Nach einem solchen Umbruch hätte ein sofortiger Abgang Verstappens wiederum nicht ins Bild gepasst. Vielmehr entwickelt sich das Team in eine Richtung, die seinen Vorstellungen entspricht. Verstappen ist bereits in die langfristige Planung eingebunden, weshalb ein vorzeitiger Wechsel kaum plausibel gewesen wäre. Die offizielle Entscheidung hatte sich daher schon seit einiger Zeit abgezeichnet.
Mehr Klarheit und bessere Optionen für 2027?
Ein weiterer Faktor ist der Fahrermarkt für 2027. Auch wenn sich die letzten Spekulationen stark auf Mercedes konzentrierten, könnten sich bis dahin ganz andere Konstellationen ergeben. So läuft Fernando Alonsos Vertrag bei Aston Martin nach der Saison 2026 aus.
Das könnte eine attraktive Option für Verstappen darstellen, gerade im Hinblick auf eine potenzielle Wiedervereinigung mit Honda und Adrian Newey. Auch Mercedes und Ferrari dürften 2027 wieder ernsthafte Optionen sein. Dann wird zudem deutlich erkennbarer sein, wie sich das Kräfteverhältnis unter dem neuen Reglement tatsächlich entwickelt hat.
Sollte Red Bull hinter den Erwartungen zurückbleiben, enthält Verstappens Vertrag offenbar genügend Spielraum, um für 2027 einen Wechsel zu ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt könnte er bewusst entscheiden, wohin sein Weg führen soll, während ein Wechsel zur Saison 2026 immer ein gewisses Risiko bedeutet hätte.
Verstappen hat für die Zukunft nur ein Risiko
Vor allem deshalb, weil für Verstappen kein akuter Handlungsbedarf bestand. Die einzige denkbare Gefahr besteht darin, dass Mercedes, falls es tatsächlich zur dominierenden Kraft werden sollte, keinen Bedarf mehr sehen könnte, einen viermaligen Weltmeister ins Team zu holen.
Doch selbst in einem solchen Fall darf man nicht vergessen, dass ein überlegenes Mercedes-Aggregat nicht automatisch bedeutet, dass das Werksteam auch seinen Kundenteams, allen voran McLaren, überlegen ist. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass sich für Verstappen auch 2027 attraktive Optionen ergeben würden, falls er sich dann für einen Wechsel entscheidet.
Heißt: Verstappens Entscheidung, bei Red Bull zu bleiben, ist keine rein emotionale oder sicherheitsorientierte Wahl. Sie basiert vielmehr auf einem strategischen Abwägen von Risiken, Möglichkeiten und dem Vertrauen in ein Umfeld, das ihm bekannt ist.
Trotz aller Unwägbarkeiten in technischer und personeller Hinsicht erscheint diese Entscheidung unter den gegebenen Umständen vernünftig. Und es besteht weiterhin die Möglichkeit, die Karten für 2027 bei Bedarf neu zu mischen.