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Zwei Prozent, die alles verändern: Ist das Red-Bull-Rätsel jetzt gelöst?
Seit dem Tod von Dietrich Mateschitz hat sich bei Red Bull vieles verändert - Eine Spurensuche rund um Macht, Kontrolle und den Fall Christian Horner
(Motorsport-Total.com) - Das Rätsel um die zwei Prozent Überhang an der Red Bull GmbH, die per 31. Mai 2025 den Besitzer gewechselt haben, scheint gelöst zu sein. Recherchen von Motorsport-Total.com konnten den Verdacht erhärten, dass die Transaktion in Wahrheit nicht die "Machtverhältnisse schlagartig geändert" hat, wie das in verschiedenen Medien berichtet wurde.

© Getty / Red Bull
Oliver Mintzlaff und Mark Mateschitz (Hintergrund: Red-Bull-Headquarter in Fuschl) Zoom Download
Zur Vorgeschichte: Einträge im österreichischen Firmenbuch hatten verraten, dass zwei Prozent an der Red Bull GmbH, also der Konzernmutter des Formel-1-Programms, vom Eigentum von Chalerm Yoovidhya auf eine Schweizer Treuhandgesellschaft übertragen wurden. Deren Name: Fides Trustees SA. Deren Verwaltungsratspräsident: ein Mann namens Martin Christopher Bowen.
Weil nur fünf Wochen nach dieser Transaktion Christian Horner als Chef des Formel-1-Programms gefeuert wurde, wurden die Verschiebungen im Konzern als "der wahre Grund für das Horner-Aus bei Red Bull" gewertet. Dem zugrunde liegt die Spekulation, dass innerhalb des Red-Bull-Konzerns eine Machtverschiebung von Thailand nach Österreich stattgefunden haben könnte.
Die Red Bull GmbH selbst äußerte sich zu der Transaktion, auf Anfrage von Motorsport-Total.com, nur kurz und knapp: "Eine solche treuhändische Lösung ist üblich, um in erfolgreichen großen Unternehmen dauerhaft Kontinuität zu gewährleisten. Darüber hinaus möchten wir um Verständnis dafür ersuchen, dass wir wie schon bisher unternehmensinterne oder auch familiäre Entscheidungen nicht öffentlich kommentieren möchten."
Die große Frage: Wer kontrolliert den Fides-Anteil wirklich?
Also ging das große Rätselraten los: Wer steckt hinter Fides, der Schweizer Treuhandgesellschaft, die die zwei Prozent jetzt verwaltet? Und wer kontrolliert diese Anteile im Sinne der Stimmrechte? Schließlich sind die zwei Prozent das Zünglein an der Waage zwischen je 49 Prozent an der Red Bull GmbH, die in gleichen Teilen dem Yoovidhya-Clan und Mark Mateschitz zuzuordnen sind.
Jetzt haben Recherchen von Motorsport-Total.com den Verdacht erhärtet, dass Fides die zwei Prozent mit einem Mandat von Yoovidhya verwaltet und der thailändische Konzernflügel somit weiterhin de facto 51 Prozent an der Red Bull GmbH kontrolliert. Von offizieller Seite gibt es dafür allerdings keine Bestätigung.
Was der Yoovidhya-Clan mit Red Bull vorhatte
Bekannt ist aber: Nach dem Tod von Dietrich Mateschitz im Oktober 2022, der bis dahin Alleingeschäftsführer der Red Bull GmbH war, mischte sich der Yoovidhya-Clan zunächst stärker ins operative Kerngeschäft ein. Es stand plötzlich die Idee im Raum, das Headquarter von Fuschl am See nach Dubai oder Amsterdam zu verlegen. Vermutlich aus steuerlichen Gründen. Eine Idee, die sowohl beim operativen Management als auch bei der Belegschaft in Fuschl gar nicht gut ankam.
Aufstieg und Fall von Christian Horner bei Red Bull
Die Motorsport-Karriere von Christian Horner reicht bis in die 1990er-Jahre zurück, als der Brite zunächst im Kartsport unterwegs ist, bevor er in den Formelsport aufsteigt. Fotostrecke
Dazu entbrannte in jenen Monaten auch ein Streit über die Person Christian Horner. Fuschl wollte den Formel-1-Teamchef Medienberichten zufolge schon unmittelbar nach Bekanntwerden der "Horner-Affäre" feuern. Thailand hielt aber beharrlich an ihm fest.
Dosenverkauf: Red Bull so erfolgreich wie nie zuvor
Inzwischen sind seit Mateschitz' Tod mehr als zweieinhalb Jahre vergangen, und unter der operativen Leitung der drei Geschäftsführer Alexander Kirchmayr (Finanzen), Oliver Mintzlaff (Projekte & Investments, damit auch das Formel-1-Programm) und Franz Watzlawick (Getränkebusiness) entwickelte sich die Red Bull GmbH prächtig. Trotz einer global herausfordernden Wirtschaftslage.
Kirchmayr, Mintzlaff und Watzlawick hatte Mateschitz noch zu Lebzeiten als seine Nachfolger bestimmt. Und sie haben Mateschitz' Vermächtnis bisher erfolgreich fortgeführt: 2023 knackte Red Bull beim Umsatz erstmals die Zehn-Milliarden-Euro-Barriere, 2024 wuchs dieser nochmal um 6,4 Prozent auf 11,2 Milliarden Euro. Bei weltweit 12,7 Milliarden verkauften Dosen.
Beim Yoovidhya-Clan sind daraufhin zwei entscheidende Einsichten eingekehrt. Erstens: Die ursprüngliche Aufgabenverteilung, dass das operative Geschäft von Fuschl aus gesteuert wird und man trotzdem an den Konzerngewinnen partizipiert, ist im Grunde genommen recht komfortabel. Das Management-Team in Österreich hat auch nach Mateschitz' Tod bewiesen, dass es herausragende Arbeit leistet.
Und zweitens: Die Standortdiskussion, Fuschl ins Ausland zu verlagern, wo der Konzern womöglich weniger Steuern bezahlen würde als in Österreich, ist beendet. Im Endeffekt ist vieles wieder wie früher: Fuschl schaltet und waltet, nur jetzt mit drei Personen statt mit Mateschitz - und Thailand streift 51 Prozent der Gewinne ein.
Neutrale Instanz: Ist das Fides' Rolle bei Pattsituationen?
Dass Chalerm Yoovidhya seine zwei Prozent Überhang in eine Schweizer Treuhandgesellschaft übertragen hat, die diese mit seinem Mandat verwaltet, bedeutet wahrscheinlich, dass es im Falle von Pattsituationen bei strategisch wichtigen Entscheidungen in den Gremien jetzt eine unabhängige Instanz gibt, die eine neutrale Beratung für die Shareholder leisten kann.
Damit könnte Fides bei Situationen wie der Horner-Frage, in der die Red-Bull-Shareholder dem Vernehmen nach lange Zeit gespalten waren, zum Zünglein an der Waage werden. Ob Fides in der Horner-Frage wirklich eine Rolle gespielt hat, bleibt unklar. Die zeitliche Korrelation ist aber Tatsache: Fünf Wochen nach der Transaktion war Horner weg.
Nur: Aus Insiderkreisen ist durchgesickert, dass die stürmischen Zeiten nach Mateschitz' Tod ohnehin ausgestanden sind. Mark Mateschitz und Chalerm Yoovidhya, so flüstert man das in Österreich, sollen derzeit ein hervorragendes Auskommen haben. Und ein bisschen macht sich im Konzern das Gefühl breit, es ist alles wie früher, in den guten, alten Zeiten, als Mateschitz entschieden und Yoovidhya sich am Kontostand erfreut hat.
Ralf Schumacher: "Alles anders" nach Mateschitz' Tod
In Bezug auf das Formel-1-Programm sei nach dem Tod von Mateschitz "irgendwie alles anders geworden", sagt Sky-Experte Ralf Schumacher in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. Speziell Horners Person habe sich verändert: "Er hatte auf einmal viel mehr Macht und hat sich dementsprechend auch anders verhalten als die Jahre zuvor."
"Jemand hat mit Gewalt versucht, Horner loszuwerden" | Interview Ralf Schumacher
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Das sei, im Nachhinein betrachtet, "in die Hose gegangen", sagt Schumacher. Spätestens mit der "Horner-Affäre" traten Risse im Formel-1-Programm auf, die ein Spiegelbild für Meinungsverschiedenheiten auf höchster Konzernebene waren. Dann aber hätten laut Schumacher auch die Shareholder gemerkt: "Das wird immer schlimmer, immer schlechter. Wir haben viel Geld, und wir haben keine Ergebnisse mehr."
Allerdings findet der ehemalige Formel-1-Pilot auch, dass nicht nur auf thailändischer Seite Fehler gemacht wurden. Im Februar 2024 habe "jemand mit Gewalt versucht, Christian Horner loszuwerden. Und das ist dann auch too much." Der Gedanke, "wie im Fußball den Trainer auszutauschen", sei zwar richtig gewesen. Aber: Was damals passiert ist, "war schon eine schmutzige Kampagne".
Am Ende bleibt: In der Übertragung zweier Prozent liegt möglicherweise kein Putsch, sondern ein stilles Einvernehmen der Shareholder über die neue Ordnung in der Red Bull GmbH. Und inmitten medialer Spekulationen, personeller Umbrüche und strategischer Weichenstellungen zeichnet sich ein Bild ab, das weniger von abrupten Machtwechseln als von diplomatischer Stabilisierung geprägt ist.