Thermografien und McLarens Bremsen: Wie komplex sind Red Bulls Probleme?
Red Bull ist nicht so stark wie McLaren: Wie ernst sind die Probleme im Formel-1-Team von Max Verstappen wirklich und reichen sie über 2025 hinaus?
(Motorsport-Total.com) - Nach den ersten sechs Rennwochenenden der Formel-1-Saison 2025 ist das Muster klar: Max Verstappen kann im Qualifying mit McLaren mithalten und einige Schwächen selbst kompensieren, aber an den meisten Sonntagen fehlen ihm und Red Bull schlichtweg die Mittel, um über die volle Renndistanz mit McLaren zu kämpfen.
Die Erklärung für die kleineren Abstände im Qualifying ist zweigeteilt. Erstens holt Verstappen alles aus dem RB21 heraus und kann das Auto im Qualifying etwas mehr pushen, da der Reifenverschleiß auf einer einzelnen Runde kein begrenzender Faktor ist. Das brachte ihm die Polepositions in Suzuka, Dschidda und zuletzt in Miami ein.
Der zweite Teil der Erklärung liegt im McLaren-Auto. Laut Teamchef Andrea Stella ist der MCL39 auf einer einzelnen Runde schwer zu handhaben, insbesondere wegen der Unberechenbarkeit an der Vorderachse. Dies führt leicht zu Verbremsern und erklärt, warum Oscar Piastri und insbesondere Lando Norris in Q3 nicht immer das Maximum aus ihrem Auto herausholen konnten.
"Ich denke, wir haben genug Statistiken, um zu bestätigen, was schon unser erster Eindruck bei den Tests in Bahrain war: Das Auto ließ sich in Rennsimulationen leichter ausnutzen als auf einer schnellen Qualifying-Runde. Wir haben bisher keine perfekte Runde gesehen. Vielleicht war Oscars Runde in Bahrain die beste", meint Stella.
Diese Probleme treten im Rennen weniger stark auf, da das Auto nicht bis zum Limit gepusht wird. Das macht das Auto berechenbarer und hebt McLarens größte Stärke hervor: das Reifenmanagement.
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Stella bezeichnete dies als die "schwarze Kunst" der Formel 1 und sagt: "Offensichtlich sieht es im Rennen, wenn man aufeinanderfolgende Runden fährt und es ein wenig Abbau bei heißen Bedingungen gibt, so aus, als würde das Auto sehr gut performen. Ich möchte betonen, dass dies das Ergebnis sehr gezielter Ingenieursarbeit ist."
Bahrain und Miami als Realitätscheck für Red Bull
Das bestätigen auch die Daten: Verstappen konnte am ehesten in Japan und Saudi-Arabien mit McLaren mithalten, was kein Zufall ist. In Suzuka konnte er seine Poleposition ausnutzen, da Überholen nahezu unmöglich war.
Der ultraschnelle Jeddah Corniche Circuit ist in vielerlei Hinsicht untypisch. Das Layout besteht aus einer Abfolge schneller Kurven, die dem RB21 entgegenkommen, und traditionell ist der Reifenverschleiß in Dschidda sehr gering, was Verstappen und Red Bull in die Karten spielte.
Daher ist es nicht ganz zutreffend, wenn Christian Horner dieses Rennen heranzieht, um zu betonen, dass die Leistung von Strecke zu Strecke variiert, denn Dschidda war in gewisser Weise ein Ausreißer und negiert Red Bulls strukturelle Probleme nicht.
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Diese strukturellen Probleme traten in Bahrain und Miami deutlich hervor: Beide Rennen fanden bei hohen Temperaturen statt, wobei der Reifenverschleiß eine bedeutende, wenn nicht entscheidende Rolle spielte. In beiden Rennen überhitzten die Reifen der Red-Bull-Fahrer schnell, was zu einem deutlich höheren Verschleiß im Vergleich zu McLaren führte.
Verstappen lag in Bahrain über 30 Sekunden zurück und beendete das Rennen knapp vor Pierre Gasly im Alpine. In Miami war das Ergebnis mit Platz vier etwas besser, aber der Rückstand betrug fast 40 Sekunden.
Red-Bull-Sportchef Helmut Marko schätzte das reine Defizit auf sieben Zehntel bis zu einer ganzen Sekunde pro Runde - im Formel-1-Kontext ist das enorm viel. Der Österreicher bezeichnete die Situation als "deprimierend" und fügte hinzu, dass Red Bulls Updates - ein modifizierter Unterboden in Miami - nicht den erhofften Effekt hatten.
Fokus auf McLarens Bremstrommeln und Thermografien
Noch interessanter ist, was Verstappen am Samstag in der niederländischen Mediensession erwähnte: "Wenn man sieht, was McLaren mit den Reifen macht, dann machen wir alle etwas falsch."
Laut dem Weltmeister sei der Effekt oft zu beobachten: "Man sah es auch bei Intermediates im Regen. Sobald die Reifen überhitzen, haben sie einen massiven Vorteil."
Fotostrecke: Schwarzes Gold: Alle Reifenhersteller der F1
In der Geschichte der Formel 1 engagierten sich neun verschiedene Reifenhersteller: Zwei davon hatten oder haben ihren Ursprung in Großbritannien, zwei in den USA und jeweils einer in Deutschland, Japan, Belgien, Frankreich und Italien. Hochzeiten des später als "Reifenkrieg" bezeichneten Szenarios mit mehreren Zulieferern zum gleichen Zeitpunkt sind die Jahre 1954 und 1958, als sechs verschiedene Firmen ihre Produkte ins Rollen bringen. 1950 beginnt alles mit vier Marken... Fotostrecke
Die zentrale Frage ist, was genau McLaren macht und ob dies von den Konkurrenten in der laufenden Saison nachgeahmt werden kann. "Wir tun unser Bestes, um das zu lösen, aber einige Dinge brauchen etwas länger, um verstanden zu werden. Und sie dann tatsächlich zu produzieren, ist wieder eine andere Sache", sagte Verstappen gegenüber Motorsport-Total.com.
Der erste Schritt, wie Verstappen erwähnt, ist zu verstehen, was McLaren tut. Der Fokus liegt auf den Bremsen, genauer gesagt auf den Bremstrommeln.
Es wird angenommen, dass Red Bull einige von einer externen Partei erhaltene Wärmebilder (sogenannte Thermografien) analysiert hat, die interessante "blaue" Bereiche zeigten - was darauf hindeutet, dass bestimmte Teile der McLaren-Bremstrommeln bemerkenswert kühl im Vergleich zu anderen sind. Dies könnte verhindern, dass die Hitze von den Bremsen auf die Felgen und Reifen übertragen wird und somit eine Überhitzung der Reifen vermeiden.
Die FIA untersuchte das McLaren-Auto und das Bremssystem nach dem Grand Prix von Miami, wobei betont werden muss, dass dies Teil der üblichen Nachkontrollen war. Der Bericht zu einem ausgewählten Auto erscheint in der Regel kurz vor dem nächsten Rennwochenende, aber anscheinend wurde alles als regelkonform befunden.
Das bedeutet, dass die Konkurrenz weiterhin McLarens Reifengeheimnis entschlüsseln muss - mit zwei erschwerenden Faktoren: der Budgetgrenze und der Tatsache, dass die Teams ihren Fokus irgendwann auf 2026 verlagern müssen, was die Möglichkeit einschränkt, endlos in das diesjährige Auto zu investieren.
Ein Thema über diese Saison hinaus?
Es ist für Red Bull entscheidend, zumindest diesen Aspekt zu verstehen, da die Auswirkungen über 2025 hinausgehen. Zumindest Stella erkennt an, dass das derzeitige Wissen teilweise auf 2026 übertragbar ist. Während die Autos komplett anders sein werden, die Reifen unterschiedlich sind und alles auf einem neuen Reglement basiert, könnten grundlegende Prinzipien dennoch übernommen werden.
"Ich denke, es gibt einige Grundlagen im Verständnis, die man in das Auto des nächsten Jahres übertragen kann. Einige andere Aspekte müssen wir noch verstehen, wie wir sie von diesem Auto auf das des nächsten Jahres übertragen können, zum Beispiel die aerodynamischen Aspekte, die das Verhalten der Reifen beeinflussen", erklärt Stella.
Auch Horner erkennt dies als potenziellen Schlüssel zum Erfolg, nicht nur für den Rest dieser Saison, sondern auch langfristig: "Wenn man sich die Daten nach dem Rennen ansieht, hatten alle Autos ähnliche Probleme. Aber McLaren kann diese Dinge viel besser managen."
Das unterstreicht, dass McLarens Dominanz nicht nur an den Flügeln liegt. Strengere Frontflügeltests treten in Barcelona in Kraft, und Red Bull glaubt immer noch, dass dies die Hackordnung beeinflussen könnte.
Aber dieser Aspekt könnte noch interessanter sein: In diesem Bereich ist derzeit kein Eingreifen der FIA in Sicht, was bedeutet, dass die Konkurrenz Wege finden muss, den Reifenverschleiß zu verbessern - zumindest für heiße und abnutzungsintensive Rennen.
Das ist in zweierlei Hinsicht entscheidend für Teams wie Red Bull. Erstens, um Verstappen die Werkzeuge zu geben, die er braucht, um in dieser Saison um den Titel zu kämpfen, und zweitens, um dieses Wissen für die kommenden Jahre zu nutzen.
Denn das aktuelle Bild bestätigt vor allem eines: Die "schwarze Kunst", von der Stella spricht, ist in der modernen Formel 1 von unbestreitbarer Bedeutung - und McLaren beherrscht sie derzeit meisterhaft.