Ferrari erneut mit neuem Unterboden: Bouncing endlich behoben?
Ferrari startet dem nächsten Versuch, seinem Osterhasen-SF-24 das Hoppeln abzugewöhnen - Stimmt die Realität nun endlich mit der Theorie überein?
(Motorsport-Total.com) - Seit dem Großen Preis von Spanien kämpft Ferrari mit einem großen Problem: dem Bouncing in schnellen Kurven. Ein Update, das eigentlich mehr Abtrieb bringen sollte, brachte so viel davon, dass der Unterboden förmlich auf die Fahrbahn gezogen wurde.
Dort angekommen, setzte der Bolide auf, jeglicher Abtrieb ging sofort verloren. Der Unterboden löste sich wieder vom Asphalt und das Spiel begann von vorne. Das Problem ähnelt dem im Jahr 2022 bekannt gewordenen Porpoising. Im Gegensatz zu diesem tritt das Bouncing jedoch in den Kurven und nicht auf den Geraden auf.
Das Problem plagte Ferrari fast den gesamten Sommer, zwischenzeitlich wurde sogar auf den Stand von Imola zurückgerüstet. Ein Update in Ungarn brachte nicht den gewünschten Erfolg, nun wird beim Heimspiel in Monza ein weiterer Versuch mit einem neuen Unterboden unternommen.
Laut Ferrari-Performance-Ingenieur Jock Clear ist der Schlüssel zur erfolgreichen Bekämpfung des Bouncings der letzte Millimeter Federweg. Es ist ein Teufelskreis, in dem sich die Ground-Effect-Autos seit 2022 immer wieder befinden: Je näher der Unterboden dem Asphalt kommt, desto stärker wird der Saugeffekt. Beim Aufsetzen reißt der Abtrieb dann abrupt ab.
"Früher sind die Autos oft aufgesetzt und abgeprallt", erklärt er. "Damals war das nicht so schlimm, weil alles in die Bodenplatte ging und der Ground-Effect keine so große Rolle spielte. Wenn das Fahrzeug aufsetzte und hochsprang, war das für die Aerodynamik weniger tragisch."
Von 1983 bis 2021 wurde der weitaus größte Teil des Abtriebs auf der Oberseite des Autos erzeugt. Wegen der Probleme beim Hinterherfahren durch "Dirty Air" suchte die Formel 1 nach dem Allheilmittel Ground Effect. Doch das führt auch im dritten Jahr zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie das Beispiel Ferrari zeigt.
"Diese Autos haben Ground Effect. Wenn sie aufsetzen, ist der Abtrieb komplett weg", erklärt Clear. "Man muss bei diesen letzten Millimetern wirklich vorsichtig sein, wie aggressiv man vorgehen möchte. Das ist eine Falle, in die wir während der Saison getappt sind."
Das Problem war anscheinend, dass die Daten nicht mit der Realität übereinstimmten. Ferrari vergeudete wertvolle Windkanalstunden, jetzt soll alles besser werden: "Wir modellieren das jetzt besser und sind sehr zuversichtlich, dass wir von nun an Unterböden produzieren, die keine Probleme machen, wenn sie am Auto sind."
Diese Maßnahmen sollen das Bouncing beheben
Bevor wir zu den großen Änderungen am Unterboden kommen, werfen wir einen Blick auf zwei kleinere Modifikationen. Diese dienen dazu, den Luftstrom besser von der Front zum Heck zu leiten. So wurde die Position der Kamera an der Nase so verändert, dass sie besser mit den dahinter liegenden Aufhängungsstreben interagiert.
Auch die äußere Anbindung des Außenspiegel-Flügels wurde verkleinert. Die Mini-Streben sehen jetzt fast abenteuerlich filigran aus, halten aber die Struktur auch bei 350 km/h zusammen. Diese Maßnahmen dienen dazu, das Maximum aus dem neuen Bodywork dahinter herauszuholen.
Dieses fällt vor allem durch den riesigen Ausschnitt auf, in dem nun eine ganze Horde Kleintiere Platz hätte. Zusammen mit Anpassungen an der "Decke" dieses Ausschnittes ist so ein Raum entstanden, der der Luft auf ihrem Weg nach hinten maximalen Platz ohne Hindernisse bietet.
Außerdem werden dadurch die Oberseite des Unterbodens und sein "Edge-Wing", der den Unterboden nach außen begrenzt, noch mehr freigelegt. Auch hier wurde Hand angelegt. Der Edge-Wing ähnelt seinem Vorgänger, hat aber in der Mitte einen auffälligen Ausschnitt.
Optimal angeströmt werden all diese Teile von den vorgelagerten, ebenfalls modifizierten "Floor-Fences", die wie ein dreiköpfiger Drache nach vorne gerichtet sind.
Wie viel Liebe zum Detail in der Formel 1 steckt, zeigt die Tatsache, dass auch die auffälligen Verbindungsstücke aus Metall in ihrer Position und Form optimiert worden sind. Ihre Aufgabe ist es, ein gewisses Maß an Flexibilität zuzulassen, gleichzeitig aber auch die nötige Festigkeit aufzuweisen, damit es eben nicht mehr zum Bouncing kommt.
Neue Flügel mit wenig Abtrieb
Neben dem neuen Unterboden hat Ferrari eine ganze Reihe von Änderungen zum Heimspiel mitgebracht, darunter neue Front- und Heckflügel sowie Modifikationen am Seitenkasten.
Der Low-Downforce-Flügel ist ein komplett neues Design, nachdem die Scuderia im Vorjahr einfach die 2022er-Variante verwendet hatte. Das Design entspricht nun der gesamten Ferrari-Heckflügelfamilie. So hat er beispielsweise nur noch einen statt zwei Mittelstege.
Wie die anderen Abtriebsvarianten ist auch der Monza-Flügel an der Crashstruktur befestigt. Dies geschieht über eine Struktur, die sich halbkreisförmig um den Auspuff windet.
Die Anbindung des Heckflügels erfolgt wie heute üblich über einen Schwanenhals, der weiterhin mit dem DRS-Verschluss verbunden ist. Im Gegensatz zu früheren Varianten ist dieser nicht mehr aufgesetzt, stattdessen geht die Strebe elegant wie aus einem Guss in den DRS-Mechanismus über.
Wie bei einem Monza-Flügel nicht anders zu erwarten, nehmen die beiden Flügelblätter deutlich weniger Fläche ein als ihre abtriebsstärkeren Geschwister. Das fällt noch stärker auf als in den beiden Vorjahren, weil der Flügel am Übergang zur Endplatte flacher gestaltet ist.
Das obere Flügelelement ist, wie es in der Formel 1 mittlerweile Standard ist, freistehend. Die Endplatte wurde in diesem Bereich abgeschnitten und die äußere Sektion des Flügelblattes so gestaltet, dass ein möglichst großer Abstand zwischen den Elementen entsteht, um die maximale Performance aus dem Arrangement herauszuholen.
Nicht nur am Heckflügel reduziert Ferrari an diesem Wochenende den Abtrieb. Der Beam-Wing unterhalb des Heckflügels besteht nur noch aus einem statt zwei Elementen.
Der Frontflügel hat ein deutlich simpleres Update erfahren. Ferrari versucht hier lediglich, die Balance an der Front an den neuen Heckflügel anzupassen. Der obere Flap wurde beschnitten, der Rest wird klassisch über den Anstellwinkel gelöst, so wie es der Fahrer möchte.
Im Bereich der Seitenkästen hatte Ferrari zuletzt in Barcelona ein signifikantes Update eingeführt. Zusammen mit den Änderungen am Unterboden, den entsprechenden Flügeln auf dessen Oberseite und dem Diffusor führt das zu mehr, aber durch das Bouncing inkonstanterem Abtrieb. Mit dem neuen Update soll das Problem nun endlich aus der Welt geschafft sein.