• 30. Januar 2024 · 17:20 Uhr

Nach zwei Pleite-Jahren: Mercedes zwischen Optimismus und Zurückhaltung

Schafft es Mercedes nach zwei zähen Jahren zurück an die Spitze der Formel 1? Am Auto wurde viel verändert, doch in einer Sache bleibt sich das Team treu

(Motorsport-Total.com) - An dem so oft zitierten Mercedes-Mantra, dass die Tage, an denen man scheitert, die Tage sind, an denen man am meisten lernt, ist leicht festzuhalten, wenn man sich schnell von einer Niederlage in der Formel 1 erholt.

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Laut Toto Wolff ist der Zusammenhalt im Mercedes-Team stärker denn je Zoom Download

Aber es ist viel schwieriger, diesem Weg treu zu bleiben, wenn sich die Enttäuschung Wochenende für Wochenende wiederholt und die Aufholjagd nur mühsam in Gang kommt.

Da der deutsche Hersteller nach zwei Jahren, in denen er viele Enttäuschungen erlebt hat, kurz vor der Markteinführung seiner neuen Autos für die Formel-1-Saison 2024 steht, könnte man meinen, dass er jetzt genug vom Lernen hat.

Doch während andere Teams in der gleichen Situation oft in eine Negativspirale gerieten, passierte in den Werken in Brackley und Brixworth das Gegenteil. Tatsächlich haben die Herausforderungen der vergangenen zwei Jahre eher zu einer stärkeren Mercedes-Belegschaft geführt, die durch die Ereignisse geeint statt zersplittert wurde.

Wie Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei unserem Gespräch Ende vergangenen Jahres erklärte, führten die beiden schwierigen Saisons nicht dazu, dass eine Rettungsaktion von oben nötig gewesen wäre, um die Mannschaft zu ordnen.

Wolff: "Wir sitzen alle im selben Boot"

Stattdessen habe man deutlich gespürt, dass das gesamte Team an einem Strang ziehen wollte. "Sie müssen die Mannschaft fragen, wie schwer es war, mich zu managen, und nicht nur andersherum", sagt Wolff, als er gefragt wird, wie schwierig es war, die Dinge zu regeln. "Wir sitzen alle im selben Boot."

"Wir wussten, dass der Tag kommen würde, an dem es schwieriger werden würde. Aber es war nicht so wie erwartet, denn wir hatten das Szenario im Kopf: 'Es ist schwierig, eine Meisterschaft zu gewinnen. Wir gewinnen Rennen, aber wir wissen, wo es uns an Leistung fehlt.' Und plötzlich war all das nicht mehr der Fall."

"Dann gibt es Fehlschläge und man muss mit seinen Erwartungen umgehen. Es ist sehr schwierig, das Positive in der täglichen zwischenmenschlichen Dynamik zu erhalten. Es war nicht immer einfach, aber ich denke, genau hier liegt die Stärke des Teams."

"Wir kennen uns so gut, dass wir mit den Stärken und Schwächen des jeweils anderen leben können. Jeder von uns hat in einer bestimmten Phase den Staffelstab getragen."

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Trotz der Pleitejahre schiebt sich im Team niemand den schwarzen Peter zu Zoom Download

"Wenn es in der Nachbesprechung schwierig war, weil die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen, dann war es George [Russell], der eigentlich allen Grund dazu hätte, sich aufzuregen, aber er war sehr positiv eingestellt."

"Oder es war Brackley oder Brixworth. Hywel [Thomas] und sein Team waren extrem wichtig, denn sie haben einfach geliefert, sie haben geliefert und geliefert. Es wurde nie mit dem Finger auf Brackley gezeigt. Es gab immer Unterstützung."

"Und ich denke, diese Stärke im Team wird uns auch weiterhin eine solide Basis für eine Kultur ohne Schuldzuweisungen geben", so der Mercedes-Teamchef.

Es fehlte nicht nur an Auto-Performance

Aber es war nicht nur das Auto, bei dem Mercedes versagte. Es gab Zeiten, in denen die Strategie nicht perfekt war - wie in Austin, als man Max Verstappen den Undercut schenkte, weil man der Meinung war, dass man nicht gegen ihn fahren würde. Und man gab offen zu, dass auch die Boxenstopps eine Schwachstelle waren.

"Uns fehlt es an Schlüsselkomponenten und Performance", räumt Wolff ein. "Es ist nicht nur das Verhalten des Autos. Wenn man sich die Boxenstopps ansieht, sie waren sehr schwankend. Aber das hat nichts mit den Mechanikern zu tun. Sie machen einen brillanten Job. Ich denke, unsere Ausrüstung war einfach nicht auf dem erforderlichen Niveau, was wir gerade in Ordnung bringen."

"Unser DRS funktioniert nicht so, wie es sollte. Wir haben breite Seitenkästen an einem Auto angebracht, das nie für breite Seitenkästen ausgelegt war. Wir hatten auch das eine oder andere strategische Missgeschick."

"Wir hätten Verstappen in Austin überholen können und wären die Helden gewesen. So etwas kann passieren. Wenn die Kacke am Dampfen ist, fliegt dir die Scheiße um die Ohren. Man muss einfach an unsere Organisation glauben. Die Tage, an denen wir verlieren, sind die Tage, an denen wir am meisten lernen."

Wer etwas wagt, kann auch verlieren ...

Was in den zwei Jahren der Enttäuschung bei Mercedes vielleicht nicht so offensichtlich war, ist die Tatsache, dass noch ganz andere Faktoren einen Rolle spielten. Denn während die Leistungen auf der Rennstrecke in beiden Jahren recht ähnlich aussahen, war der Kontrast innerhalb der Fabrik bemerkenswert.

Auf die Frage, ob sich die Saison 2023 anders angefühlt habe als die vorherige, sagt Wolff: "Ja, denn als wir anfingen, starteten wir mit einer gewissen Euphorie in die Saison '22, weil wir uns für ein extravagantes Autolayout entschieden hatten, mit der Seitenaufprallstruktur an einem anderen Punkt und ohne Seitenkästen."

"Wir hatten eine wirklich gute Entwicklungskurve bei der Aerodynamik mit einem Auto, das sehr tief am Boden lag. Ein paar Monate zuvor hatten wir die Konstrukteursmeisterschaft gewonnen, und im letzten Rennen kämpften wir um die Fahrermeisterschaft."


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"Und dann: Peng! Plötzlich bringen einen die Dinge, von denen man dachte, dass sie vorhanden sind, um zu garantieren, dass man um Rennsiege und die Meisterschaft kämpfen würde, in eine Situation, in der man das nicht nur nicht schafft, sondern in der auch die klügsten Leute nicht verstehen, wo sie es falsch gemacht haben."

"Im Jahr 2023 wussten wir, dass es positive Seiten am Auto gab, da wir zum Ende der Saison '22 einiges ausmerzen konnten. Und dann kamen '23 andere Probleme zurück."

"Der Gedanke war, wie gesagt, großartige Leute, großartige Infrastruktur, alle Ressourcen, die man braucht, die richtige Einstellung. Aber vielleicht war John Owen mehr damit beschäftigt, sicherzustellen, dass die Buchhaltung funktioniert, als ein Auto zu entwerfen, weil wir alle Finanzvorschriften einhalten wollten."

"Einfach ausgedrückt: Wir haben die Physik falsch verstanden. Es ist ein Auto mit Bodeneffekt. Unsere Werkzeuge haben nicht so gut funktioniert wie bei allen anderen technischen Vorschriften. Es ging um die Physik, nichts Mystisches."

"Zu erkennen, dass all die Daten, auf die man sich bisher verlassen hat, und all die Ausrüstung nicht mit dem korrelieren, was das Auto auf der Strecke macht, das war das Thema. Jetzt setzen wir im Grunde alles ein, was man potenziell ändern könnte, um das Widerspenstige an diesem Auto auszumerzen", so Wolff.

Mercedes optimistisch, aber nicht euphorisch

Es ist klar, dass Mercedes das Gefühl hat, dass es tatsächlich "tief gegraben" hat, um all den Problemen auf den Grund zu gehen, die dazu führten, dass das Auto nicht mit der Top-Konkurrenz von Red Bull mithalten konnte.

Und basierend auf dem ersten Simulator-Feedback, über das sowohl Wolff als auch der technische Direktor James Allison kürzlich gesprochen haben, gibt es einige optimistische Anzeichen dafür, was in diesem Jahr möglich sein könnte.

Aber wie Allison einige Wochen nach seiner Vertragsverlängerung bei Mercedes sagte, müsste ein Formel-1-Konstrukteur schon "verrückt" sein, um zu glauben, dass er in dieser Phase des Jahres ein Siegerauto erschaffen hat. Und auch Teamchef Wolff hat oft davon gesprochen, dass er ein Mann sei, der das Glas eher halb leer als halb voll sieht und nie zu optimistisch an die Dinge herangeht.

Was also, wenn die Lernphase von Mercedes noch nicht vorbei ist und das Team vor neuen Herausforderungen steht, von denen es sich nicht so schnell erholen kann?

"Ich möchte nicht darüber nachdenken, denn ich denke, wir brauchen all die positive Einstellung und den Enthusiasmus, um ein Produkt zu entwickeln, das funktioniert", lächelt Wolff. "Wenn es nicht funktioniert, werden wir damit fertig."

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