Red-Bull-Unterbodenfotos für Williams "entmutigend"
Red Bull gab beim Monaco-Grand-Prix unfreiwillig einen Blick auf den Unterboden des RB19 - Er ist für die Gegner interessant und angsteinflößend zugleich
(Motorsport-Total.com) - Bei Williams klappten die Kinnladen herunter, als der Red Bull RB19 von Sergio Perez im Qualifying zum Grand Prix von Monaco am Haken hing und seinen Unterboden entblößte. Die Komplexität des Designs sorgte in Grove für einen Aha-Moment, zeigte aber auch schonungslos auf, wie weit Red Bull nach eineinhalb Jahren 2022-Reglement in der Formel 1 schon wieder enteilt ist.
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Der Red Bull RB19 entblößte sich nach Sergio Perez' Unfall in Monaco unfreiwillig Zoom Download
Nach den Bildern hat bei allen Teams der Prozess des "Reverse Engineerings" begonnen. Dabei wird von einem bestehenden Produkt auf die allgemeine Philosophie geschlossen. Ähnlich verhält es sich mit im Krieg erbeuteten Waffen. Nicht das einzelne Teil, in diesem Fall der Unterboden, ist ausschlaggebend. Entscheidend ist zu verstehen, wie das große Ganze funktioniert.
"Ich bin kein Aerodynamiker, aber für mich sieht das ziemlich entmutigend aus", sagt Dave Robson, Leiter der Fahrzeugentwicklung bei Williams. Ein Unfall von Logan Sargeant beim Großen Preis von Spanien in Barcelona hat gezeigt, dass Williams mit einem viel simpleren Unterboden unterwegs ist. "Man kann nicht leugnen, dass sie uns und den meisten anderen Teams viele Schritte voraus sind."
Doch nicht die Komplexität an sich sei interessant und abschreckend zugleich, sondern vor allem das, was das Konzept über die generelle Philosophie aussagt: "Die größere Frage ist, wie sie überhaupt zu diesem Ergebnis gekommen sind. Was ist der Prozess, der sie zu diesem Grad an Komplexität geführt hat?"
"Das ist ein ganz neues, ganz anderes Paradigma. Das ist wahrscheinlich die interessantere Frage als die, was dieses oder jenes Teil jetzt genau macht. Wie sind sie dahin gekommen und was bedeutet das für die weitere Entwicklung?"
Einfaches Kopieren und Einfügen ist in der Formel 1 nicht möglich, weiß Robson: "Es gibt sehr wenig an einem Formel-1-Auto, das man aerodynamisch einfach kopieren kann. Man muss verstehen, was es bewirkt und es für sein eigenes Auto nutzbar machen - oder alle anderen Teile verstehen, die damit zusammenhängen."
Der Unterboden sei dafür ein Paradebeispiel. "Man muss es irgendwie auseinanderpflücken. Es ist wirklich schwer zu verstehen, wie all diese Kurven im dreidimensionalen Raum funktionieren - so kompliziert ist das."
Dennoch sieht er das Ganze grundsätzlich positiv: "Es ist wichtig, dass es ein paar Teile gibt, bei denen man sehen kann, was sie machen. So kann man etwas nachbauen, ausprobieren und versuchen zu verstehen, was sie erreichen. Das kann man dann auch an seinem Auto anwenden. Jeder wird das tun."
Red Bull bleibt locker
Red Bulls Chefingenieur Paul Monaghan stört die unfreiwillige Enthüllung intimer Bereiche des RB19 nicht sonderlich: "Natürlich ist das nicht toll, wir stellen unser Auto ja nicht zur Schau. Das müssen wir zugeben. Aber es passiert, wir machen einfach weiter."
"Es gibt eine Verzögerung zwischen dem Zeitpunkt, an dem man etwas [zum ersten Mal] sieht, und dem Zeitpunkt, an dem sie es an ihrem Auto haben und es tatsächlich schneller fährt." Und in diesem Zeitraum kann auch Red Bull sein Auto schneller machen, wobei man sich seinerseits nicht scheut, Konzepte der Konkurrenz zu übernehmen.
Auch ohne Kran sei es unmöglich, alle Geheimnisse vor der Konkurrenz zu verbergen: "Man darf nicht vergessen, dass die Mechaniker Unterböden in die Garagen rein- und raustragen oder die Front der Autos anheben. Das ist also nicht das erste Mal."
Die Erkenntnisse, die die anderen Teams in Monaco gewonnen haben, werden sich seiner Meinung nach erst um den Japan-Grand-Prix herum auswirken. Das ist Ende September, sechs Rennen vor Saisonschluss.