• 16. Februar 2023 · 13:20 Uhr

Die Wahrheit über den Mythos der "Silberpfeile"

2023 ist der Mercedes wieder ein Schwarzpfeil, doch der Grund dafür knüpft an die einstige Entstehungsgeschichte des Silberpfeils an, wie ein Blick zurück zeigt

(Motorsport-Total.com) - Die Farbe Schwarz ist zurück, und zwar in großem Stil. Die kommende Formel-1-Saison wird wohl kaum ein Jahr der auffälligen Lackierungen werden.

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2023 setzt Mercedes wieder auf Schwarz statt Silber - aus gutem Grund Zoom Download

Wie der Name des MCL60 schon andeutet, feiert McLaren in diesem Jahr sein diamantenes Jubiläum. Doch seine neueste Kreation zollt der illustren Geschichte der Marke nicht mit einer überwiegend papayafarbenen Lackierung Tribut. Es gibt genauso viel freiliegendes Karbon wie leuchtendes Orange.

Mercedes ist sogar noch weiter gegangen. Der achtfache Konstrukteursweltmeister will in dieser Saison Red Bull und Ferrari herausfordern. 2022 hinderten das Team noch der übermäßige Luftwiderstand des W13 und das Porpoising daran.

Das Hauptthema unmittelbar nach der Vorstellung des neuen W14 am Mittwoch war jedoch die Rückkehr der "Black Arrows". Man verzichtete auf das silberne Schema in erster Linie, um Gewicht einzusparen. Denn auch wenn die FIA die für 2023 vorgeschlagene Senkung des Mindestgewichts um zwei Kilo verworfen hat, sind die Teams noch weit von der 798 Kilogramm-Marke entfernt.

Infolgedessen haben die Marketingabteilungen der einzelnen Teams die Diskussion mit den Ingenieuren über besonders plakative Designs größtenteils verloren. Es darf einfach kein überschüssiges Gramm Fett geben. Aus diesem Grund hat auch Mercedes seinen angestammten Silberlook aufgegeben.

Es kehrt zum Schwarz zurück, das seine Autos schon 2020 und 2021 schmückte. Bei genauerem Hinsehen sind zwar die Flächen oberhalb des Halos sowie rund um Überrollbügel und Lufteinlass lackiert, aber rund um die Seitenkästen liegt Karbon frei.

Gewicht sparen früher wie heute ein Thema

Mercedes-Teamchef Toto Wolff sagte über die Rückkehr zu einer weitgehend schwarzen Lackierung in dieser Saison: "Vergangenes Jahr waren wir übergewichtig. Dieses Jahr haben wir versucht herauszufinden, wo wir jedes einzelne Gramm herausquetschen können... Sie werden sehen, dass das Auto einige pure Karbonteile hat, gepaart mit einigen, die mattschwarz lackiert sind."

Trotzdem spiegelt der W14 ein 90 Jahre altes Stück der Mercedes-eigenen Renngeschichte wider. Laut der offiziellen W14-Broschüre hat sich das Team bei der Lackierung "von der legendären Kreation der originalen Silberpfeile inspirieren lassen".

In den Archiven ist zu lesen, dass Mercedes seinen W25 im Januar 1934 Adolf Hitler vorstellte, wobei das Auto in Weiß erstrahlte - der nationalen Rennfarbe Deutschlands.

Doch bei seinem Wettbewerbsdebüt auf dem Nürburgring im Juni lagen die drei W25 um 1000 Gramm über dem neu eingeführten Gewichtslimit von 750 kg für Grand-Prix-Wagen. Das veranlasste den damaligen Teamchef Alfred Neubauer und seinen Fahrer Manfred von Brauchitsch dem Vernehmen nach zu dem Plan, den bleihaltigen Lack zu entfernen, um den Grenzwert zu unterschreiten.

Als von Brauchitsch den Sieg davontrug, war der Spitzname "Silberpfeil" geboren - so sagt es jedenfalls die Legende. Diese Geschichte ist jedoch ein wenig romantisiert.


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Denn zwei Monate, nachdem der damals weiße W25 der Nazi-Regierung vorgestellt wurde, aber vor allem drei Monate vor seiner ersten Ausfahrt in der Eifel, präsentierte die Auto Union ihren Grand-Prix-Wagen Typ A der Öffentlichkeit.

Technisch zeichnete sich das Auto vor allem durch sein 4,4-Liter-V16 aus. Aber es war auch mit Aluminium verkleidet, um ihm eine silberne Oberfläche zu verleihen. Damit trat der Typ A 1934 bereits beim AVUS-Rennen Ende Mai an, während sich das Debüt des Werks-Mercedes wegen eines Benzinproblems verzögerte.

Den ersten "Silberpfeil" gab es sogar noch früher

Bei der Entstehungsgeschichte des "Silberpfeils" gibt es aber noch weiteren Grund zur Vorsicht. Sie tauchte erstmals 1958 in Neubauers Memoiren "Speed Was My Life" auf.

Vor dieser Veröffentlichung gibt es nur wenige zeitgenössische, öffentliche Aufzeichnungen über den Prozess der Lackentfernung. Außerdem sind viele der Meinung, dass Neubauer seine Autobiografie gelegentlich ein wenig zu sehr ausschmückte.

Darüber hinaus war es für die W25 zwar eine gute Übung, die für 1934 neu eingeführten Gewichtsvorschriften einzuhalten. Doch das Gewichtslimit von 750 Kilo wurde für den Nürburgring gar nicht angelegt. Berichten zufolge wurde das Eifelrennen nach dem offenen Regelwerk der Formel Libre ausgetragen, um auch Teilnehmer aufzunehmen, die Probleme hatten, die Abnahme zu bestehen.

Hätte Neubauer also nicht vorgesorgt, wäre die beliebte Entstehungsgeschichte des Spitznamens "Silberpfeile" zumindest verzögert worden. Tatsächlich liegt ihr Ursprung noch weiter in der Vergangenheit, was mit von Brauchitsch zusammenhängt. Er spielte bei der Lackentfernung nicht umsonst eine zentrale Rolle.


Fotos: Formel-1-Autos 2023: Mercedes W14


Bevor die Regierung sowohl die Auto Union als auch Mercedes finanzierte, fehlte es in Deutschland an Werksrennställen. So nahm von Brauchitsch den Mercedes SSKL seines Cousins Hans von Zimmermann und tat sich mit Neubauer zusammen.

Mit dem Geld von Neubauer entwickelten sie eine Stromlinienkarosserie, um die Konkurrenzfähigkeit des ursprünglich 1927 entworfenen Wagens zu gewährleisten.

Die zeitgenössischen Mercedes-Autos waren wegen ihrer nationalen Rennfarbe und ihrer schieren Größe als "weiße Elefanten" bekannt. Der umgebaute SSKL, den von Brauchitsch fuhr, wurde wegen seiner massigen, aber glatten Karosserie als "Gurke" bezeichnet. Ein Hingucker war er jedenfalls nicht.

Aber mit einer Höchstgeschwindigkeit von 142 Meilen pro Stunde (ca. 229 km/h) beim AVUS-Rennen war er zumindest effektiv genug, um dort im Jahr 1932 zu gewinnen, indem er in der letzten Runde den weißen Alfa Romeo von Rudolf Caracciola überholte.

Berichten zufolge gab es aufgrund der kritischen Bauzeit für den SSKL keine Kapazitäten, um den Wagen für das Rennen fertig zu lackieren. Daher trat er blank in seinem silbernen Metallkleid an. In der allerersten Radioübertragung eines Rennens wurde er daher erstmals als Silberpfeil bezeichnet, was weithin anerkannt ist.


Fotostrecke: Alle Formel-1-Autos von Mercedes

Rund neun Jahrzehnte später ist es eher das Gewicht als die Hektik der Vorsaison, weshalb der W14 diesmal in weiten Teilen ohne Lackierung auskommen muss. Damit knüpft Mercedes auch an den W11 und den W12 an, die zur Unterstützung der "Black Lives Matter"-Bewegung komplett schwarz lackiert waren.

Mercedes behauptet auch, der W14 trage Schwarz, um "an den Sauber C12 von 1993 zu erinnern". Obwohl dieser einen von Ilmor gebauten 3,5-Liter-V10 beherbergte, prangte auf der Motorabdeckung der Aufkleber "Concept by Mercedes" - eine Hommage an die langjährige Partnerschaft mit Mercedes.

Dass deren Herausforderer 2023 nach 30 Jahren wieder in Schwarz daherkommt, ist aber wohl eher ein nachträglich eingebauter glücklicher Zufall als eine von Anfang an geplante Anspielung auf den schwarzen C12. Ihm ihm bestritt Sauber 1993 sein erste Formel-1-Saison und fuhr insgesamt zwölf WM-Punkte ein.

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