• 21. Oktober 2022 · 00:46 Uhr

Damon Hill erklärt: Warum Haas Mick Schumacher zu Recht kritisiert

Der frühere Formel-1-Weltmeister Damon Hill schildert seine Eindrücke von Mick Schumacher und erläutert, warum Haas noch keine Entscheidung getroffen hat

(Motorsport-Total.com) - Kevin Magnussen fährt auch in der Formel-1-Saison 2023 für Haas. Doch das zweite Cockpit ist noch immer nicht besetzt. Ob Mick Schumacher nach zwei Jahren im US-Rennstall noch einmal eine Chance erhält? Das fragt sich auch der frühere WM-Rivale von Schumachers Vater, Damon Hill. Und er findet im Formel-1-Podcast 'F1 Nation' deutliche Worte.

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Mick Schumacher bei seiner Medienrunde in Austin 2022 Zoom Download

Grundsätzlich halte er Schumacher für "gut genug", um für einen Stammplatz in der Saison 2023 in Frage zu kommen, meint Hill. Allerdings habe der Weltmeister-Sohn bisher nicht so überzeugt, wie man es von einem aufstrebenden Nachwuchsfahrer erwarten würde.

Es sei 2022 "nicht in die richtige Richtung" gegangen, sagt Hill. Schumacher habe zwar im Sommer "ein paar starke Leistungen" gezeigt, aber eben auch Schrott produziert, was laut Hill jedoch erlaubt sein muss in der Anfangszeit einer Formel-1-Karriere.

Wer neu ist, soll eine Lernphase zugestanden bekommen

"Sowas passiert", sagt Hill. "Viele Leute haben reichlich Mist gebaut, als sie frisch dabei waren. Micks Vater [Michael Schumacher] zum Beispiel, auch Ayrton Senna. Gilles Villeneuve crashte viel. Sie waren sehr schnell, aber auch häufig neben der Strecke."

Der entscheidende Faktor bei den genannten Fahrern sei allerdings gewesen: "Sie hatten immer die Pace." Ferrari zum Beispiel habe Villeneuve diverse Abflüge "verziehen", weil dieser eben "unheimlich schnell" gewesen sei.

Bei Mick Schumacher sei die Ausgangslage eine andere. Ohne konkret auf Schumacher zu verweisen, sagt Hill: "Wenn du nicht das Potenzial hast, brutal schnell zu sein, dann kannst du nicht immer wieder Unfälle haben." Das sei auch "das Problem", das Günther Steiner und Gene Haas unlängst öffentlich angesprochen hätten.


Warum Schumacher teuer ist für Haas

Schumachers Haas-Rennstall sehe in seinem Fahrer vor allem einen hohen Kostenpunkt. "Man operiert eben mit einem geringen Budget, auch wenn Haas wahrscheinlich nicht mal ansatzweise in der Nähe der Budgetobergrenze ist", erklärt Hill. "Da kann man es sich nicht leisten, ständig Sachen reparieren zu müssen."

"Die Balance, die man als Rennfahrer und Team hinkriegen muss, ist: Wie schnell kann man fahren und wie viel Schaden kann man sich leisten? Denn natürlich willst du einen schnellen Fahrer im Team haben."

Er schätze Haas aber so ein, dass die Teamleitung vor allem auf eine "sichere Bank" hinauswolle. Hill: "Ein Team wie Haas braucht jemanden, der die Leistung bringt. Man denke an [Sergio] Perez bei Force India und Racing Point, bis er die Chance in einem Topauto bekam. Er brachte eine solide Leistung."

Warum Nico Hülkenberg bei Haas landen könnte

"Und genau das brauchen solche Teams: Jemand, der solide performt, das Auto ins Ziel bringt und das Beste aus den Möglichkeiten macht. Das ist Haas vielleicht lieber als ein Fahrer mit einem ganz schweren Gasfuß."

Schumacher sei bisher weder noch gewesen in der Formel 1, meint Hill weiter. Er habe sich zumindest nicht als Überflieger erwiesen. "Ich muss sagen: Mick hat keinen derart schweren Gasfuß. Er ist kein Max Verstappen", sagt Hill. "Er ist vielleicht sehr gut, mag da noch reinwachsen. Aber: [Nico] Hülkenberg verfügt über diese Erfahrung."

Jemanden wie Hülkenberg in der Hinterhand zu haben für 2023, das sei "der andere Faktor, auf den es ein Team wie Haas abgesehen haben könnte", sagt Hill. Denn Hülkenberg sei eine bekannte Größe und verlässlich.

Schumachers Bilanz nach zwei Saisons in der Formel 1

"Mick dagegen hatte zwei Saisons [in der Formel 1], er hatte zwei Saisons in der Formel 2. Seine Fortschritte kommen langsam. Die Leute fragen sich: Wann kriegen wir eine sensationelle Leistung aufgetischt? Das ist die Frage, die sich Haas stellen könnte: Warum sollten wir jemanden ins Auto setzen, der schon drei Chassis auf dem Gewissen hat, oder wie viele auch immer?"

"Vielleicht sagt sich Günther: 'Das kann ich mir nicht mehr leisten, ich muss jemand anders reinsetzen, der das Auto ins Ziel bringt.'" Und vielleicht stehe Hülkenberg deshalb auf der Poleposition bei Haas.

"Dann müsste sich [Steiner] nicht darum bemühen, einen neuen, talentierten Fahrer zu finden", meint Hill, will das aber nicht als die eine Wahrheit verstanden wissen. "Ich sage nur: So könnte er denken. Ob er das tut, kann ich nicht bestätigen."

Hill rät Schumacher: Jetzt mal aufdrehen!

Seiner Meinung nach aber sei Schumacher dringend dazu angehalten, in den verbleibenden Grands Prix der Formel-1-Saison 2022 Farbe zu bekennen. Er dürfe sich nicht in falscher Sicherheit wiegen und davon ausgehen, es werde sich schon alles zum Guten wenden.

"Jemand wie Mick, junge Fahrer, die wissen nicht ganz genau, wie es läuft in der Formel 1. Sie wissen nicht, wie sehr sie im Fokus stehen, von allen Seiten", meint Hill.

"Sie fühlen sich recht sicher in einem Team. Aber: Du bist eben niemals sicher, solange du nicht deinen Teamkollegen schlägst, und zwar jedes Mal. Das ist die goldene Regel. Du musst deinen Teamkollegen jedes Mal hinter dir lassen, das Auto ins Ziel bringen und keinen Unfall bauen."

Zahlen und Fakten zu Schumachers Saison 2022 bei Haas

Laut den Statistiken zur Formel-1-Saison 2022 erfüllt Schumacher diese Anforderungen bisher nicht: Er liegt mit 12:22 Punkten zurück im Vergleich mit Teamkollege Magnussen, zieht auch im Qualifying mit 5:13 den Kürzeren. Einzig im Rennen lässt die Zwischenbilanz Schumacher mit 10:7 etwas besser dastehen als Magnussen.

Aber Schumacher ist nicht der einzige Haas-Fahrer, dessen Fahrzeug mitunter "Gebrauchsspuren" aufweist: Auch Magnussen ist wiederholt angeeckt mit seinem VF-22, hat sich inzwischen mehrfach gleich in der ersten Runde den Frontflügel beschädigt und sich so den Grand Prix ruiniert.

Bei Schumacher wiederum haben teilweise Pannen bei Strategie und Boxenstopps bessere Ergebnisse und mögliche weitere Punkte verhindert, zuletzt in Suzuka, sodass sich vor dem USA-Grand-Prix in Austin kein glasklares Bild zeigt.

Hill meint: Beispiel Ricciardo sollte eine Warnung sein

Vielleicht auch deshalb würde sich Hill von Schumacher mehr Einsatz wünschen, was den Ausschlag zu dessen Gunsten ergeben könnte. Denn "junge Fahrer werden manchmal selbstgefällig und glauben, ihr Cockpit sei nicht in Gefahr. Dann kommt der große Schock, wenn sie rausfliegen", so sagt er.

"Selbst Daniel Ricciardo: Das ging fürchterlich schief. Er hat sein Formel-1-Cockpit verloren. Wenn dir das passiert oder wenn du glaubst, es könnte eintreten, dann kannst du plötzlich nochmal hochschalten. Das passiert. Du hängst dich mehr rein, weil du weißt, es könnte zu Ende sein. Und wenn du nicht ins nächste Level kommst, bist du raus."

"Es ist dieser Schock, den Mick braucht, denke ich. Damit er in Fahrt kommt. Er hat sicherlich die Fähigkeit dazu."

Schumacher dürfe sich nicht zu sicher fühlen

Schumacher müsse sich nur ein Beispiel am künftigen AlphaTauri-Fahrer Nyck de Vries nehmen, meint Hill: "An ihm sieht man, der Formel-1-Zug war eigentlich abgefahren, aber er bekam eine Chance und er hat alles gegeben und in Monza seine Leistung erbracht. Und jetzt hat er ein Cockpit [für 2023]."

Schumacher müsse daher an den restlichen Rennwochenenden mehr tun als einfach nur "happy sein" darüber, einer von 20 Formel-1-Stammfahrern zu sein. Denn dieser Sport sei "nichts für die Sanftmütigen", sagt Hill.

"Leute wie Max Verstappen sind wenig nachsichtig mit sich selbst. Das hat ihm vielleicht sein Vater eingetrichtert. Du musst deine Leistung bringen. Diese Härte, diese mentale Stärke ist unheimlich wichtig. Und manche jungen Fahrer haben das nicht."

"Ich will keine Namen nennen, aber ich sehe es ihnen an. Sie wähnen sich in Sicherheit, es läuft, sie fahren in der Formel 1. Aber niemand sollte jemals denken: 'Ich freue mich darüber, hier zu sein.'"

"Wenn du Fernando Alonso bist und zweimal Weltmeister warst, dann hast du es geschafft, dann ist es anders. Aber wenn du dich eigentlich noch nicht etabliert hast, dann sollte dich das Dabeisein in der Formel 1 nicht zufriedenstellen. Und wenn du nicht auf deinem absolut besten Niveau agierst, dann erfährst du auch nicht, wie gut du sein könntest."

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