• 18. September 2022 · 17:03 Uhr

Wie eine Kreiselkamera zur neuesten TV-Innovation der Formel 1 wurde

Ein erster Test einer Kreiselkamera lieferte in Zandvoort spektakuläre Bilder aus den Steilkurven: TV-Crew der Formel 1 arbeitet an weiteren Innovationen

(Motorsport-Total.com) - Bei den Formel-1-Teams herrscht in Sachen Technik niemals Stillstand. Und das gilt auch für die Crew, die für die weltweite Übertragung der Rennen zuständig ist. Die TV-Abteilung der Formel 1 ist immer auf der Suche nach neuen Blickwinkeln und frischen Aufnahmen.

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Die Kreiselkamera am Ferrari von Carlos Sainz Zoom Download

So kehrte zwei Jahrzehnte nach dem ersten Experiment in diesem Jahr die Pedalkamera zurück. Und der Große Preis der Niederlande bot die Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren, das einen besseren Eindruck davon vermitteln kann, wie steil die Kurven in Zandvoort wirklich sind.

Die Aufnahmen waren am Samstag und Sonntag des Rennwochenendes von Zandvoort nur kurz zu sehen, und lediglich der Ferrari von Carlos Sainz lieferte die Bilder. Der erste Einsatz einer kreiselstabilisierenden Kamera (auch Gyroskop-Kamera genannt) wurde jedoch als Erfolg gewertet. Denn als Sainz in die Steilkurven fuhr, kippte das Kamerabild.

Kreiselkamera kippt in den Steilkurven

"Schauen Sie sich diese neue Kamera an, die wir gerade ausprobieren", sagte Formel-1-CEO Stefano Domenciali, der zufällig in der Kommentarbox des britischen Senders Sky saß, als die Aufnahme während er Übertragung des dritten Freien Training erschienen. "Ich denke, es ist wichtig, dass wir versuchen, das Gefühl der Geschwindigkeit zu vermitteln, das Gefühl für das, was wirklich auf der Strecke passiert."

Verantwortlich für die Bilder, die aus den Autos übertragen werden, ist Steve Smith. Der Leiter der Formel-1-Onboard-Technik übt diesen Job schon seit über drei Jahrzehnten aus.

"Stefano und Ross [Brawn] sind sehr daran interessiert, Innovationen zu erschaffen, die zeigen, dass wir nicht stillstehen, sondern uns vorwärts bewegen", sagt Smith. "Und so haben wir dieses Jahr die Pedalkamera eingeführt."

"Dann wollen wir, dass die 360-Grad-Kamera live aus dem Auto übertragen kann. Zurzeit ist es eine unabhängige Einheit, die in die eigentliche Einheit (der Onboard-Kamera) eingebaut wird. Wir laden die Aufnahmen dann runter und verwenden sie für Social Media. Wir hoffen aber, dass man irgendwann während der Übertragung im Fernsehen auf einen iPad oder Handy die 360-Grad-Kamere sehen kann", so Smith.

Weshalb nicht alle Wünsche der Fans erfüllbar sind

Die Formel 1 ist immer offen für das Feedback der Fans, aber es ist nicht einfach, alle zufrieden zu stellen."Ich glaube manchmal passiert es, dass die Leute etwas sehen und uns dann schreiben: Warum macht ihr das nicht in der Formel 1?", sagt Smith. "Das größte Problem für uns sind die Aufnahmen mit nur einer Kamera."

"Martin Brundle zum Beispiel hat vor ein paar Jahren für Sky einen Beitrag in einem Ferrari in Fiorano gedreht. Er fuhr mit dem Auto raus, das sie mit GoPros bestückten. Er drehte zwei Runden, mit drei oder vier verschiedenen Aufnahmen. Sie brachten ihn wieder rein, brachten die Kameras an anderen Stelle des Autos an und er drehte zwei weitere Runden."


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"Dann kam er rein, sie entfernten alle Kameras, und er fuhr noch zwei weitere Runden. Dann haben sie alles so geschnitten, dass man keine Kameras mehr sehen konnte. Aber es waren halt zehn verschiedene Aufnahmen. Wenn jemand fragt, warum man das nicht wärhend eines Grand Prix sehen kann, können wir ihm leider nicht weiterhelfen", erklärt Smith.

Gyroskop-Kamera in der MotoGP schon lange im Einsatz

Die Inspiration für die Gyroskop-Kamera, welche die Formel 1 in Zandvoort ausprobierte, war eindeutig die MotoGP, wo sie schon seit einigen Jahren zum Einsatz kommt. "Jemand schrieb und meinte, es wäre toll, wenn wir sehen könnten, wie die Schräglage aussieht. Bei der normalen Kamera bleibt der Winkel zwischen Auto und Strecke immer gleich."

"Es ist nicht wie bei einem Motorrad, ein Motorrad neigt sich um 68 Grad. Und das ist wirklich beeindruckend. Was die Motorräder machen, ist großartig. Und wir haben eine Kamera gefunden, die diese Aufgabe erfüllt", so Smith.

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In der MotoGP vermittelt die Kreiselkamera die extremen Schräglagen (Symbolbild) Zoom Download

Die Kreiselkamera ist die gleiche, die auch in der MotoGP verwendet wird. Tatsächlich wurde sie der Formel 1 sogar von der Dorna, dem Promoter der Motorrad-WM zur Verfügung gestellt. Die nächste Aufgaben war dann, sie in ein Auto einzubauen.

"Wir versuchen, es unauffällig zu machen, um die Leute nicht zu verärgern", sagt Smith. "Wenn man zu einem Team geht und sagt, dass wir das gerne ausprobieren würden, fragen sie als Erstes, wie viel es wiegt, ob es aerodynamische Nachteile mit sich bringt, ob die Hauptkonkurrenten es benutzen. Und wenn man das verneint, sagen sie: Na ja, dann werden wir es auch nicht fahren!"

Warum die Team bei neuen Aufnahmen skeptisch sind

"Außerdem haben wir festgestellt, dass die Teams das Gefühl haben, dass ihnen etwas entgeht, wenn wir spezielle Aufnahmen liefern. Da die Onboard-Kameras nicht mehr in den Kinderschuhen stecken, werden sie für die Fahreranalyse eingesetzt, und es gibt viele Dinge, für die sie das Material verwenden. Wenn man also eine ungewöhnliche Aufnahme verwendet, bekommen sie die Bilder aus der Kamera am Überrollbügel nicht zu sehen, die ihnen am besten gefällt."

"Wir haben jedoch die Möglichkeit, Dual-Stream-Kameras einzusetzen. Das heißt, wir können zwei Signale gleichzeitig übertragen. Wir machen das jetzt nicht so oft, aber bei den Pedalkameras haben wir dual gestreamt."

Die neue Kreiselkamera passt in die übliche Halterung an der Nase und wiegt nicht mehr als eine normale Kamera. Ferrari stimmte daher zu, sie in Zandvoort am Auto von Sainz zu verwenden. Nach einigen Experimenten am Freitag wurden die Aufnahmen am Samstag und dann kurz während des Rennens in die Übertragung eingebaut.

"Um ehrlich zu sein, wenn wir sie nicht in Zandvoort hätten testen können, wäre es nutzlos gewesen", sagt Smith. "Denn in Monza brauchten wir sie nicht testen, dort ist es flach. Daher haben wir enorm Druck gemacht."

Bilder waren noch nicht perfekt

Dafür nahm man gewisse Kinderkrankheiten in Kauf. "Wenn ich ganz ehrlich bin, gab es ein paar Unzulänglichkeiten bei der Aufnahme. Aber wir haben darüber gesprochen und beschlossen, dass dies unsere letzte Gelegenheit sein wir, es zu tun. Wir hatten das Gefühl, dass das Gute das Schlechte überwiegt, wenn wir es jetzt versuchen", so Smith.

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Die Formel 1 sucht ständig nach Innovationen für die TV-Übertragung (Symbolbild) Zoom Download

Die neue Aufnahme kam gut an, und Smith erhielt sofort eine Rückmeldung: "Sobald es live auf Sendung ging, spürte ich, wie mein Telefon in meiner Tasche vibrierte, denn es kamen Nachrichten an: Wow, das ist gut!"

Die Frage ist nun, wo die Kreiselkamera noch nützlich sein kann? Sie wurde im Training in Monza kurz auf dem McLaren von Lando Norris ausprobiert, um zu sehen, wie sie auf Randsteine und ähnliches. reagiert, aber die Aufnahmen wurden nicht gesendet.

Kurvenreiche Strecken wie Suzuka und Austin könnten ebenfalls interessant sein, aber im Moment gibt es noch keine konkreten Pläne für weitere Einsätze. Dennoch herrscht bei den TV-Übertragungen kein Stillstand.

"Röntgen-Perspektive" für Austin geplant

Für Austin können die Zuschauer eine Ansicht vom Überrollbügel mit einer kombinierten Überkopfaufnahme der Pedale erwarten, die wie ein Röntgenbild über die Vorderseite des Chassis gelegt wird und die Füße des Fahrers bei der Arbeit zeigt.

"Ich sage es nur ungern, weil ich damals dafür zuständig war, aber die Pole-Runde von Ayrton Senna in Monaco 1990 wird von allen als ikonisches Bildmaterial angesehen", sagt Smith. "Aber man vergleich hier Äpfel mit Birnen. Das ist ein V10, ein Schaltgetriebe, und es ist Ayrton Senna."

"Wenn man sich diese Runde auf YouTube ansieht, sind 50 Prozent dessen, was die Leute für Vibrationen halten, in Wirklichkeit Unterbrechungen, denn früher haben wir vom Auto zum Hubschrauber übertragen, jetzt wird es vom Auto zu den Orten auf der Strecke übertragen."

"Diese Kreiselkamera hat die Fähigkeit, die Stabilisierung zu reduzieren. Wir können also damit experimentieren. Ich habe 30 Jahre meines Lebens damit verbracht, die Aufnahmen stabil zu machen. Und jetzt möchten einige Leute, dass sie weniger stabil sind!"

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