Formel-1-Technik: Wie Williams sein Auto umgekrempelt hat
Warum Williams sein Formel-1-Auto 2022 mit dem Update für Silverstone komplett umgekrempelt hat und was jetzt im Detail anders ist am FW44 von Albon und Latifi
(Motorsport-Total.com) - Eigentlich ist es mehr als ein Update. Eigentlich ist es ein brandneues Auto. So beschreibt Williams selbst, was es mit dem FW44 vor dem Großbritannien-Grand-Prix 2022 in Silverstone gemacht hat - es hat das Fahrzeug von Alexander Albon und Nicholas Latifi in ganz großem Stil modifiziert, sodass es die Fahrer jetzt praktisch mit einem anderen Rennauto zu tun haben.
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Alexander Albon im umgebauten Williams FW44 im Training in Spielberg 2022 Zoom Download
In Silverstone hat Albon dieses neue Fahrzeug einem ersten Test unterzogen, sein früher Ausfall im Rennen aber schränkte den Erkenntnisgewinn ein. Zudem hatte Williams laut Albon nur "80 Prozent" der neuen Teile am Auto. Für den Österreich-Grand-Prix in Spielberg am Wochenende steht das Update vollständig zur Verfügung. Erneut aber wird nur Albon es ausprobieren.
Doch wie genau sieht die neue Spezifikation des Williams FW44 aus? Schon auf den ersten Blick wird klar: Williams hat sich bei seinem Update an Lösungen von anderen Formel-1-Teams angelehnt. Die bisherige Seitenkasten-Variante zum Beispiel orientiert sich jetzt mehr an den Designs, die bei anderen Fahrzeugen zu funktionieren scheinen.
Weil aber Williams große Veränderungen am Auto vorgenommen hat, musste das Team viele weitere Oberflächen des Fahrzeugs modifizieren, um alle Teile aufeinander abzustimmen. Nur einen Bereich umzubauen, das hätte nicht funktioniert, weil die aerodynamische Rechnung von vorne am Auto bis hinten am Auto nicht mehr aufgegangen wäre.
Erste Änderungen schon am Frontflügel
Also hat Williams ganz vorne angefangen, beim Frontflügel. Hierbei handelt es sich schließlich um das erste Teil, auf das der Luftstrom trifft. Mit dem Frontflügel lässt sich auch das Heck des Autos in eine Balance bringen.
Neu am Frontflügel sind einerseits die Flaps, aber auch deren Haltestreben und die Ansetzpunkte der Schraubschlüssel zum Verstellen. Mit geringen Umdrehungen eines Werkzeugs lässt sich hier die Abstimmung des Frontflügels verändern, zum Beispiel die Neigung der Flaps.
Genau diese Ansetzpunkte hat Williams nun von innen am Flügel nach außen versetzt. Praktischer Nebeneffekt: Der kleine Knubbel, der zum Verstellen gebraucht wird, steht vor dem Vorderrad im Wind und kann so auch für aerodynamische Zwecke verwendet werden.
Neue Seitenkästen für den Williams FW44
Weitaus auffälliger als diese Änderungen sind die neuen Teile rund um den Seitenkasten des Williams FW44. Hier hat das Team seine bisherige Designrichtung fast gänzlich verlassen: Bisher gab es eine Rampe im Seitenkasten, die nach der Schulter rasch und stark nach unten führte. Jetzt erinnert die Seitenkasten-Form mehr an das, was Ferrari und Red Bull umgesetzt haben.
Doch mit einer äußerlichen Anpassung ist es nicht getan: Um die neue Form möglich zu machen, musste Williams intern umbauen und die Kühlanlagen sowie die dortige Elektronik neu ins Auto integrieren. Und die internen Änderungen wiederum mussten im zweiten Schritt in Einklang mit der neuen Seitenkasten-Form gebracht werden.
Statt einem großen Lufteinlass vorne am Seitenkasten verfügt der FW44 jetzt über eine breite, aber niedrige Öffnung. Außerdem ist der Seitenkasten vorne stark unterschnitten. Es ähnelt dem Aufbau von Ferrari.
Neue Winglets am Cockpitschutz Halo
Im weiteren Verlauf hat sich Williams bei Red Bull orientiert: Der Seitenkasten führt entlang der Motorhaube kontinuierlich nach unten zum Unterboden, allerdings weniger stark als in der früheren Williams-Version. Passend dazu hat das Team auch die Kühlschlitze in der Motorhaube überarbeitet.
Weitere Änderungen betreffen den Unterboden und den Eingang der Venturi-Kanäle vor den Seitenkästen. Denn in diesem Bereich wird der Luftstrom für das restliche Fahrzeug weiter hinten definiert. Deshalb hat sich Williams zum Beispiel von seinem Außenkanten-Winglet am Unterboden verabschiedet und die Außenkante stattdessen weiter vorne schon aufgewölbt.
Auch den Cockpitschutz Halo hat Williams überarbeitet. Hier sind jetzt zwei neue Winglets zu erkennen, kurz vor dem hinteren Ansetzpunkt der Halo-Konstruktion am Chassis. Auch andere Teams haben an dieser Stelle solche kleinen Luftleitbleche im Einsatz, Williams aber scheint sie in einem flacheren Winkel zu verwenden.
Mehr noch: Der FW44 weist ein weiteres L-förmiges Winglet direkt dahinter auf, was den Luftstrom nach unten zum Unterboden und über die Motorhaube lenken soll. Ebenfalls gezielter angeströmt wird so die Hinterrad-Aufhängung, die Williams für sein Update modifiziert hat. Ein neuer Diffusor sowie neue Bremsschacht-Winglets runden das umfangreiche Paket am Heck des Autos ab.